Am Ackerberg
Am Ackerberg steht für die Öffentlichkeit nicht zugänglich das Brechlbad, ein kleiner Blockbau aus dem 18. Jahrhundert, ursprünglich aus Niederhofen bei Bayrischzell, um 1960 modern aufgestellt. Das Brechlbad (je nach Region auch Badstube, Brechelhütte, Schwingerei oder Haarhaus genannt) diente der Gewinnung von Flachsfasern, die dort nach der Röste getrocknet wurden, bevor sie zu Leinen weiterverarbeitet werden konnten. Der Liedtextdichter, Kabarettist und Sänger Fred Rauch schätzte diese Badstube derart, dass er sie in den Garten seines Gmunder Wohnhauses aufstellen ließ und ihr folgende Verse widmete:
„Geliebte, alte Hüttn!“
A Badstubn warst
Und a Flachsröst warst a –
Drüben in Bayerischzell.
Platz hat er braucht, der Bauer
Für an neuchn Stadl
Und bald wars so weit kemmea,
dass di verhoazt hättn –
Jetzt stehst bei mir!
Hast an schöna Platz
Und freust mi, sooft i di oschaug
Und i moan du überlebst uns no alle –
Geliebte alte Hüttn –
Badstube. Aus: Beni Eisenburg: Fred Rauch 1909-2009 (Gmunder Heft Nr. 20). Mairinger Druck GmbH, Gmund 2009
In diesem Blockbau sang auch der weltberühmte deutsche Bariton Hermann Prey (1929-1998), als er zusammen mit dem Tänzer, Choreographen und Schauspieler Heino Hallhuber (geb. 1927) bei Fred Rauch zu Besuch war. Hallhuber verkörperte in ca. 900 Vorstellungen den Erzengel Michael in Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben in der Fassung von Kurt Wilhelm (1923-2009).
(Eisenburg, Fred Rauch, S. 47f.)
Unweit von Fred Rauchs kleinem Anwesen im oberbayerischen Stil steht die vom Architekten Sep Ruf (1908-1992) erbaute „Villa Ackerberg“ des „Vaters des deutschen Wirtschaftswunders“, Prof. Dr. Ludwig Erhard (1897-1977).
Literarisches Zeugnis: Fred Rauch (1909-1997)
Der in Wien geborene Fred Rauch kam das erste Mal im Herbst 1944 nach Gmund mit seinem Soldaten-Brettl „Die Schwinge“ auf dem Weg nach Bad Wiessee. Die Landschaft am Gmunder Ackerberg beeindruckte ihn so sehr, dass er elf Jahre später dort ein Haus erwerben und rund 40 Jahre lang mit seiner Frau Irmgard wohnen sollte.
Der vor allem für sein Wunschkonzert „Sie wünschen, wir spielen Ihre Lieblingsmelodien“ (1948-1978) bekannte Hörfunkmoderator des Bayerischen Rundfunks war ein Multitalent und hatte nach eigener Aussage neun Berufe: Funkautor (2.000 Sendungen), Fernsehautor (60 Sendungen), Tonfilmautor (27 Liedbeiträge), Gastspiele bei Agenturen (hunderte Einsätze), Kabarettautor (über 100 Beiträge, ganze Programme), Textdichter (1.000 Lieder, dafür drei goldene und eine silberne Schallplatte), Interpret (100 Schallplattentitel), Schriftsteller (14 Bücher und Broschüren, über 200 Gedichte) sowie Maler und Karikaturist (u.a. Illustrationen, Bühnenbilder, 140 Schützenscheiben, 200 Aquarelle).
Daneben arbeitete Fred Rauch für den ORF und RAI Bozen. In den 1950er-Jahren war er vor allem als musikalischer Textdichter und Tonfilmautor aktiv. Es entstanden Evergreens wie Schützenliesl, das als erster Nachkriegs-Oktoberfesthit (1953) noch heute aufgeführt wird, oder Interpretationen wie Oh Mister Swoboda. Mit Antwort auf alle Fragen (1963) legte er zudem ein religiöses Schlagerlied vor, das zum festen Bestandteil der geistlichen Vokalmusik wurde.
Damit nicht genug: 1954 erlangte er als Entdecker der Oberkrainer Musikanten um den slowenischen Akkordeonspieler Slavko Avsenik (1929-2015) kulturhistorische Bedeutung. Als Autor bzw. Herausgeber trat Fred Rauch vor allem mit den Büchern Mit dem Gongschlag ist es 6 Mark 30! Versprecher, Hörerwünsche, Stilblüten (1978) und Pfarrer Sebastian Kampfl – Der Löwe von Waakirchen (1981) hervor.
Für seine Verdienste wurde Fred Rauch u.a. mit dem Bayerischen Verdienstorden, dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse und der Goldenen Rundfunknadel ausgezeichnet. 1988 wurde ihm der Bayerische Poetentaler der Münchner Turmschreiber verliehen.
Als die Stadt Tegernsee 1996 ihr 1250-jähriges Gründungsjubiläum feierte, wurde das Oratorium De Fundatione aufgeführt. Für dessen aufwändige Inszenierung vermittelte Fred Rauch einen größeren Geldbetrag aus der Kurt Körber Stiftung. Für die Bergwacht Bereitschaft Tegernseer Tal spendete er 15.000 Mark vom Erlös seiner LP.
Mit seiner Frau verbrachte Fred Rauch die letzten Lebensjahre im Rupertihof in Rottach. Im Bergfriedhof in Gmund liegen sie beide begraben. Die Fred und Irmgard Rauch Stiftung unterstützt die Musikschule Tegernseer Tal und zeichnet alle Jahre junge Musiktalente aus.
Bergfriedhof, Grabstätte von Fred und Irmgard Rauch. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Bereits 1978 schrieb Fred Rauch für den Bayerischen Rundfunk die Sendung „Grüße aus dem Tegernseer Tal“. Die Sendung wurde von dem bayerischen Volksschauspieler Gustl Bayrhammer (1922-1993) gelesen, umrahmt von Musik aus dem Tal:
Kaum in einer anderen Ecke des Bayernlandes konzentrieren sich die Feste und Begebenheiten des bäuerlichen Jahres so, wie gerade im Tal rund um den See! Wenn dich im Morgengrauen Serien von Böllerschüssen mehr oder weniger sanft aus dem Schlummer wecken, dann weiß der Einheimische und der Zuagroaste: heut heirat oane! Und wenn dann später einmal ein „Schiassats“ ausgschrieb’n is und es geht um eine buntbemalte „Taufscheib’n“, dann hat der Sepp oder der Schorsch eben a Buam oder a Dirndl kriagt.
Leutet aber so gegen 10 Uhr vormittags ein einsames Glöckerl ganz wehleidig vom Turm der Pfarrkirche, dann tragns einen hinaus ins letzte Haus und bald drauf lasst uns der Ostwind ganz schwach die Salve hören, die die Schützen ihrem Kameraden übers Grab schiaßn und ganz, ganz weit aus der Ferne hört man auch die Blaskapelle das Lied vom guten Kameraden spielen.
Heirat, Geburt, Tod – alles erlebt man mit, als wäre man zur Familie gehörig. Und Weihnachten mit dem Gang zur Metten, Ostern – mit den Kindern die den „Palm“ von Haus zu Haus tragen und das Osterfeuer – wie eh und je! Und dann der Rosstag, das Schlittenrennen, der Leonharditag und im Advent die Abende im Kreis der Freunde... wo gibt’s das alles noch in so unverfälschter Form!
Da lauft dir der [Gustl] Moschner über den Weg – zum Dämmerschoppen geht er und wenn er gut aufgelegt ist, dann erzählt er dir kleine Geschichten von Leo Slezak – den er selber noch gut gekannt hat – Gschichten, die in keinem Büchl stehn und auch von Gulbransson und Ludwig Thoma weiß er zu berichten.
Oder du triffst einen der Bürgermeister – gstandene Mannsbilder und jeder ein Original. Und dann die Jugend! Versammelt entweder bei den Trachtlern oder andere wieder im Chansonclub!
Prächtige Madln und Buabn und... und... ja – wenn man Glück hat, dann nimmt einem der Fischermeister [Hansl] Keller mit hinaus auf den See in aller Herrgotts Früh’ und dann kann man erleben, wie er die silberglänzenden Renken aus dem Netz löst und wer seine „Goldfische“ lieber auf andere Art fangen will, der kann sein Glück bei Madame Fortuna persönlich versuchen und in Bad Wiessee ein paar Jetons riskieren.
Ganz sicher und goldrichtig angelegt ist aber jede Mark, die man ins Bräustüberl tragt und wenn auch im alten Kellergewölbe das Stimmengewirr babylonische Ausmaße annimmt, sitzt man doch gern in jenen Mauern, von denen schon Walt[h]er von der Vogelweide berichtet[, dass in den Klostermauern] 1050 der Roudlieb – der älteste Ritterroman Deutschlands geschrieben wurde!
Glückliches Tal – und wohl dem, der dort seine Tage verbringen kann.
(zit. n. Eisenburg, Fred Rauch, S. 26ff.)
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Am Ackerberg steht für die Öffentlichkeit nicht zugänglich das Brechlbad, ein kleiner Blockbau aus dem 18. Jahrhundert, ursprünglich aus Niederhofen bei Bayrischzell, um 1960 modern aufgestellt. Das Brechlbad (je nach Region auch Badstube, Brechelhütte, Schwingerei oder Haarhaus genannt) diente der Gewinnung von Flachsfasern, die dort nach der Röste getrocknet wurden, bevor sie zu Leinen weiterverarbeitet werden konnten. Der Liedtextdichter, Kabarettist und Sänger Fred Rauch schätzte diese Badstube derart, dass er sie in den Garten seines Gmunder Wohnhauses aufstellen ließ und ihr folgende Verse widmete:
„Geliebte, alte Hüttn!“
A Badstubn warst
Und a Flachsröst warst a –
Drüben in Bayerischzell.
Platz hat er braucht, der Bauer
Für an neuchn Stadl
Und bald wars so weit kemmea,
dass di verhoazt hättn –
Jetzt stehst bei mir!
Hast an schöna Platz
Und freust mi, sooft i di oschaug
Und i moan du überlebst uns no alle –
Geliebte alte Hüttn –
Badstube. Aus: Beni Eisenburg: Fred Rauch 1909-2009 (Gmunder Heft Nr. 20). Mairinger Druck GmbH, Gmund 2009
In diesem Blockbau sang auch der weltberühmte deutsche Bariton Hermann Prey (1929-1998), als er zusammen mit dem Tänzer, Choreographen und Schauspieler Heino Hallhuber (geb. 1927) bei Fred Rauch zu Besuch war. Hallhuber verkörperte in ca. 900 Vorstellungen den Erzengel Michael in Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben in der Fassung von Kurt Wilhelm (1923-2009).
(Eisenburg, Fred Rauch, S. 47f.)
Unweit von Fred Rauchs kleinem Anwesen im oberbayerischen Stil steht die vom Architekten Sep Ruf (1908-1992) erbaute „Villa Ackerberg“ des „Vaters des deutschen Wirtschaftswunders“, Prof. Dr. Ludwig Erhard (1897-1977).
Literarisches Zeugnis: Fred Rauch (1909-1997)
Der in Wien geborene Fred Rauch kam das erste Mal im Herbst 1944 nach Gmund mit seinem Soldaten-Brettl „Die Schwinge“ auf dem Weg nach Bad Wiessee. Die Landschaft am Gmunder Ackerberg beeindruckte ihn so sehr, dass er elf Jahre später dort ein Haus erwerben und rund 40 Jahre lang mit seiner Frau Irmgard wohnen sollte.
Der vor allem für sein Wunschkonzert „Sie wünschen, wir spielen Ihre Lieblingsmelodien“ (1948-1978) bekannte Hörfunkmoderator des Bayerischen Rundfunks war ein Multitalent und hatte nach eigener Aussage neun Berufe: Funkautor (2.000 Sendungen), Fernsehautor (60 Sendungen), Tonfilmautor (27 Liedbeiträge), Gastspiele bei Agenturen (hunderte Einsätze), Kabarettautor (über 100 Beiträge, ganze Programme), Textdichter (1.000 Lieder, dafür drei goldene und eine silberne Schallplatte), Interpret (100 Schallplattentitel), Schriftsteller (14 Bücher und Broschüren, über 200 Gedichte) sowie Maler und Karikaturist (u.a. Illustrationen, Bühnenbilder, 140 Schützenscheiben, 200 Aquarelle).
Daneben arbeitete Fred Rauch für den ORF und RAI Bozen. In den 1950er-Jahren war er vor allem als musikalischer Textdichter und Tonfilmautor aktiv. Es entstanden Evergreens wie Schützenliesl, das als erster Nachkriegs-Oktoberfesthit (1953) noch heute aufgeführt wird, oder Interpretationen wie Oh Mister Swoboda. Mit Antwort auf alle Fragen (1963) legte er zudem ein religiöses Schlagerlied vor, das zum festen Bestandteil der geistlichen Vokalmusik wurde.
Damit nicht genug: 1954 erlangte er als Entdecker der Oberkrainer Musikanten um den slowenischen Akkordeonspieler Slavko Avsenik (1929-2015) kulturhistorische Bedeutung. Als Autor bzw. Herausgeber trat Fred Rauch vor allem mit den Büchern Mit dem Gongschlag ist es 6 Mark 30! Versprecher, Hörerwünsche, Stilblüten (1978) und Pfarrer Sebastian Kampfl – Der Löwe von Waakirchen (1981) hervor.
Für seine Verdienste wurde Fred Rauch u.a. mit dem Bayerischen Verdienstorden, dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse und der Goldenen Rundfunknadel ausgezeichnet. 1988 wurde ihm der Bayerische Poetentaler der Münchner Turmschreiber verliehen.
Als die Stadt Tegernsee 1996 ihr 1250-jähriges Gründungsjubiläum feierte, wurde das Oratorium De Fundatione aufgeführt. Für dessen aufwändige Inszenierung vermittelte Fred Rauch einen größeren Geldbetrag aus der Kurt Körber Stiftung. Für die Bergwacht Bereitschaft Tegernseer Tal spendete er 15.000 Mark vom Erlös seiner LP.
Mit seiner Frau verbrachte Fred Rauch die letzten Lebensjahre im Rupertihof in Rottach. Im Bergfriedhof in Gmund liegen sie beide begraben. Die Fred und Irmgard Rauch Stiftung unterstützt die Musikschule Tegernseer Tal und zeichnet alle Jahre junge Musiktalente aus.
Bergfriedhof, Grabstätte von Fred und Irmgard Rauch. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Bereits 1978 schrieb Fred Rauch für den Bayerischen Rundfunk die Sendung „Grüße aus dem Tegernseer Tal“. Die Sendung wurde von dem bayerischen Volksschauspieler Gustl Bayrhammer (1922-1993) gelesen, umrahmt von Musik aus dem Tal:
Kaum in einer anderen Ecke des Bayernlandes konzentrieren sich die Feste und Begebenheiten des bäuerlichen Jahres so, wie gerade im Tal rund um den See! Wenn dich im Morgengrauen Serien von Böllerschüssen mehr oder weniger sanft aus dem Schlummer wecken, dann weiß der Einheimische und der Zuagroaste: heut heirat oane! Und wenn dann später einmal ein „Schiassats“ ausgschrieb’n is und es geht um eine buntbemalte „Taufscheib’n“, dann hat der Sepp oder der Schorsch eben a Buam oder a Dirndl kriagt.
Leutet aber so gegen 10 Uhr vormittags ein einsames Glöckerl ganz wehleidig vom Turm der Pfarrkirche, dann tragns einen hinaus ins letzte Haus und bald drauf lasst uns der Ostwind ganz schwach die Salve hören, die die Schützen ihrem Kameraden übers Grab schiaßn und ganz, ganz weit aus der Ferne hört man auch die Blaskapelle das Lied vom guten Kameraden spielen.
Heirat, Geburt, Tod – alles erlebt man mit, als wäre man zur Familie gehörig. Und Weihnachten mit dem Gang zur Metten, Ostern – mit den Kindern die den „Palm“ von Haus zu Haus tragen und das Osterfeuer – wie eh und je! Und dann der Rosstag, das Schlittenrennen, der Leonharditag und im Advent die Abende im Kreis der Freunde... wo gibt’s das alles noch in so unverfälschter Form!
Da lauft dir der [Gustl] Moschner über den Weg – zum Dämmerschoppen geht er und wenn er gut aufgelegt ist, dann erzählt er dir kleine Geschichten von Leo Slezak – den er selber noch gut gekannt hat – Gschichten, die in keinem Büchl stehn und auch von Gulbransson und Ludwig Thoma weiß er zu berichten.
Oder du triffst einen der Bürgermeister – gstandene Mannsbilder und jeder ein Original. Und dann die Jugend! Versammelt entweder bei den Trachtlern oder andere wieder im Chansonclub!
Prächtige Madln und Buabn und... und... ja – wenn man Glück hat, dann nimmt einem der Fischermeister [Hansl] Keller mit hinaus auf den See in aller Herrgotts Früh’ und dann kann man erleben, wie er die silberglänzenden Renken aus dem Netz löst und wer seine „Goldfische“ lieber auf andere Art fangen will, der kann sein Glück bei Madame Fortuna persönlich versuchen und in Bad Wiessee ein paar Jetons riskieren.
Ganz sicher und goldrichtig angelegt ist aber jede Mark, die man ins Bräustüberl tragt und wenn auch im alten Kellergewölbe das Stimmengewirr babylonische Ausmaße annimmt, sitzt man doch gern in jenen Mauern, von denen schon Walt[h]er von der Vogelweide berichtet[, dass in den Klostermauern] 1050 der Roudlieb – der älteste Ritterroman Deutschlands geschrieben wurde!
Glückliches Tal – und wohl dem, der dort seine Tage verbringen kann.
(zit. n. Eisenburg, Fred Rauch, S. 26ff.)
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