Tegernseer Straße 3: Gasthof Herzog Maximilian
Der Gasthof Herzog Maximilian ist erstmals 1339 urkundlich erwähnt und bezieht seinen Namen vom wittelsbachischen Herzog Maximilian (1808-1888), auch „Zither-Maxl“ genannt, dem Vater von Kaiserin Sissi (1837-1898). Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1618/48) wurde der Gasthof vom Kloster Tegernsee wiederaufgebaut und diente als wichtige (Post-)Station und Brückenmautstelle an der Straße von München nach Tirol. Nachdem König Max I. Joseph das Anwesen 1822 ersteigert und an den Metzgermeister Joseph Obermayr (1784-1832) weiterverkauft hatte, ließ dessen Frau Franziska (1799-1879) 1846 den bestehenden Bau durch den Maurermeister Joseph Poschner in Tegernsee und den Zimmermeister Franz Mannhart am Bürstling errichten. Der Wirtssohn Max Obermayr (1821-1898) gab ihm schließlich den heutigen Namen „Herzog Maximilian“.
Dessen älterer Bruder, Pfarrer Joseph Obermayr (1820-1892), verzeichnet in seiner Chronik insgesamt 14 Besitzer für den Gasthof. 1918 erwarb ihn Bernhard Glasl, 1983 wurde er vom bis dato letzten Wirt, Herrn Müller, geschlossen und 1991 an einen Frankfurter Unternehmer verkauft. Eine Zwangsversteigerung konnte abgewendet werden, 2009 kaufte die Gemeinde Gmund das Anwesen. Das inzwischen denkmalgeschützte Gebäude wurde fünf Jahre später vom Herzoglich Bayerischen Brauhaus Tegernsee erworben. Die Wiedereröffnung als Gastwirtschaft erfolgte schließlich im März 2018.
Bereits im 19. Jahrhundert, als die Sommerfrischler den Tegernsee für sich entdeckten, entwickelte sich der Gasthof zur ersten Anlaufstelle, aber auch zum Treffpunkt des europäischen Hochadels. So logierten hier u.a. der russische Zar Alexander I. und Kaiser Franz I. von Österreich, Prinz Karl von Bayern und König Max II. sowie der Heimatdichter Karl Stieler (1842-1885) und andere bürgerliche Prominenz.
Zahlreiche Theatergruppen in Gmund traten zudem im Gasthof Herzog Maximilian auf, der seit 1899 einen eigenen Theatersaal erhalten hatte, darunter die Laienbühne „d’ Moosrainer“ oder die „Siegfried-Lindner-Bühne“. (vgl. Halmbacher, Bd. 1, S. 39) In den 1950er-Jahren wurde der Gasthof als Café und Theatersaal bis nach München populär. Die aus dieser Zeit stammenden Faschings-, Schützen- und Feuerwehr-Feste sind inzwischen legendär.
Etwa 1 km vom Gasthof entfernt, im „Fischerhäusl“ (Buchleitenweg 3), soll der für seine originelle Art bekannte Maschinist der Papierfabrik Louisenthal, Xaver Stöger alias Zebedäus Flederwisch, gelebt und geschrieben haben. 1889 legte er ein Buch mit allen lustigen Begebenheiten der Umgebung an und brachte sie 1912 als erste lokale Faschingszeitung u.d.T. Louisenthaler Narrenpost heraus. Auf ihn geht die Gründung der Gmunder Faschingsgilde „Die Seegeister“ zurück. (vgl. Gemeinden, S. 78 u. 99)
Literarisches Zeugnis: Max Obermayr (1821-1898)
Der Wirtssohn Max Obermayr beschloss schon als 16-Jähriger zusammen mit dem Gmunder Fuchsenbauern Johann Fischbacher, dessen Tochter Franziska er 1852 heiratete, ins fast 500 km entfernte Schweizer Simmental zu reisen, um durch Einfuhr des dortigen Viehs die heimische Rinderrasse aufzubessern. Das Unternehmen war so erfolgreich, dass es bis 1870 einmal jährlich, bis 1890 sogar zwei- bis dreimal jährlich wiederholt werden sollte.
Obermayr wurde damit zum Begründer der berühmten oberbayerischen Fleckviehzucht. Das „Miesbacher Alpenfleckvieh“ erfreute sich großer Beliebtheit und wurde bis nach China, Indien und Afrika exportiert. In den 1850er-Jahren wurde Obermayr von Zar Nikolaus I. beauftragt, 53 Stück Fleckvieh an den russischen Zarenhof zu liefern. Auch für Zar Alexander II. sollte er mehrere Stück Vieh transportieren.
Für seine Lieferungen überreichte ihm der russische Minister Waloujeff 1878 im Gasthof Herzog Maximilian persönlich die goldene Ehrenmedaille. 1887, im 50. Jahr seiner Wiederkehr in die Schweiz, wurde Obermayr das Ehrenbürgerrecht in der Schweiz verliehen. Ein Bronze-Relief am Floriansbrunnen nahe dem Gasthof Herzog Maximilian erinnerte noch bis in die 1950er-Jahre an den berühmten Sohn des Ortes, dessen Grab sich im Kirchenfriedhof befindet. Die 1837 von Max Obermayr gekauften Schweizer Kuhglocken verwahrt heute das Jagerhaus.
Seine Tochter Therese, verh. Kray (1860-1915), Besitzerin der Villa „zum Rotten am Moos“, widmete ihm 1904 die Monographie Leben und Wirken des Altwirtes Max Obermayer von Gmund am Tegernsee 1821-1898, zusammen mit der Dichterin Anny Schaefer (1859-1952). Im Schlusswort schreibt Letztere:
Max Obermayer war die Urtype eines echten und rechten Gebirgskindes. Auf seinem Wappen standen Treue und Biederkeit. Es verbarg sich bei ihm unter rauer Schale ein warm- und tieffühlendes Herz; ein herbes Kraut, dem es an Heilkraft nicht fehlte. Mit sittlichem Ernst paarten sich bei ihm Wohlwollen und innere Zufriedenheit. Ging der Wirt durch die Räume und rauchte vergnügt eine Zigarre, so war dies ein besonders günstiges Zeichen seiner frohen Laune.
Treffender Sarkasmus und sein Witz gehörten zu den Charaktereigenschaften Obermayers, von denen mancher in heiteren Stunden zu erzählen weiß. Die Liebe zu seiner Familie, die Liebe zu seinem Geschäfte füllte sein Leben aus. Als er sich im Jahre 1891 mit seiner Ehefrau in den Ruhestand zurückzog, da fühlte er zum erstenmal den Hauch des Todes. Für ihn, der sein ganzes Leben in rastloser Arbeit zugebracht hatte, war dies der erste Schritt zum Grabe. Er brachte es nicht über sich, das Haus zu verlassen, um im gegenüberliegenden Schweizerhaus mit seiner Frau den Aushalt zu beziehen, sondern blieb bis fast zu seiner letzten Stunde allein in seinem Zimmer, das er so viele Jahre hindurch, in Freud und Leid, mit seiner Frau bewohnt hatte. Selbst als ein fremder Pächter die Wirtschaft übernahm, sah man den ‚alten Wirt‘ durch die Wirtschaftsräume gehen und die Gäste begrüßen, wie in den Tagen seiner Herrschaft. Wie man ihm dann, nach einigen Jahren, seine „Franzi“ in den Sarg legte, da starb seine Seele. Vom Fenster des Tanzsaales aus sah er den Leichenzug vorübergehen und niemand ahnte den großen Schmerz dieses, anscheinend apathisch dastehenden, einsamen Mannes. „Mei schöni Franzi“ – in diesen wenigen Worten, die seine Lippen flüsterten, lag seine versunkene Welt.
(zit. n. Rosenberger, S. 12)
Kirchenfriedhof, Grabstätte von Familie Obermayr. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Literarisches Zeugnis II: „Als ich Xaver Terofal das erstemal sah...“
Um den Gasthof ranken sich zahlreiche Begebenheiten und Geschichten. Eine davon stammt vom Schriftsteller Georg Stöger-Ostin (1874-1965) und schildert dessen Begegnung mit dem Schlierseer Bauerntheaterdirektor Xaver Terofal (1862-1940):
Im Gasthaus Herzog Maximilian in Gmund war eine Bauernhochzeit. In der Nachbarschaft kannte ich ein nettes Dirndl – es hiess auch Lieserl wie jenes aus Schliersee –, dem ich sehr gewogen war und mit dem ich tagsvorher mich verabredet hatte, dass wir beide am Montagabend „auf“ die Hochzeit und natürlich dann auch wieder miteinander heimgehen werden. Das Dirndl hielt sein gegebenes Versprechen, in Kaltenbrunn trafen wir uns und in bestem Einvernehmen, auf das in allerhand süsse Hoffnungen aufbaute, gingen wir Gmund zu und auf die Hochzeit. Tanzten miteinander und verabredeten auch die Zeit, zu der wir uns auf den Heimweg machen würden. Denn ich musst gar bald die Wahrnehmung machen, dass das Lieserl nicht nur mir, sondern auch anderen Burschen gut gefiel, und ich hielt es für gut, es möglichst bald den lüsternen Blicken dieser Nebenbuhler zu entziehen, um „Barthl beim Bach“ zu bleiben.
Schon nahte die Stunde unseres verabredeten Aufbruchs, da machte sich im Tanzsaal plötzlich eine gewisse Aufregung bemerkbar. Alles was sich in diesem befand, drängte sich der Zechstube zu und in diese hinein – was war denn nur los? Das Abdanken mit seiner gewohnten Anziehungskraft war doch schon vorbei... Da ging es von Mund zu Mund: Xaver Terofal von Schliersee ist soeben gekommen! Der Direktor vom Schlierseer Bauerntheater! Ich sah mir fast die Augen aus dem Kopf – wo ist er denn, dieser mir bisher unbekannt gewesene Mann und Künstler, von dem man soviel spricht?
Eine Lücke tat sich auf und Terofal, ein sauberes Dirndl an der Hand, betrat den Tanzplatz. Tanzte und schuhplattelte, eine „Schar“ und dann noch eine. Niemand anderer tanzte, alles schaute nur zu. Als er wieder in die Zechstube ging und sich an den Tisch zu den Brautleuten setzte, drängte ich mich vielen anderen ebenfalls nach, um ja in seiner nächsten Nähe zu sein. Schaute und „luste“.
So stand ich eine Zeitlang, eingepresst zwischen den Leuten wie ein Hering im Fasse, bis Terofal Abschied nahm und die Hochzeitsstube verliess. Nun kam ich auch wieder einwenig zu mir selber und ich erinnerte mich auch wieder meiner Begleiterin auf die Hochzeit und dass schon längst der Zeitpunkt gekommen sei, an dem aufzubrechen wir ausgemacht hatten. Ich schaute und suchte nach dem netten Dirndl, aber alles vergebens. Schliesslich musste ich zu der Überzeugung gelangen, dass das Lieserl für den von mir still verehrten Meister aus Schliersee wohl nicht so viel Interesse gehabt wie ich und sich für meine Treulosigkeit gerächt hatte. Während ich immer hinter Terofal gestanden war und auf jedes Wörtlein, das er gesprochen gelauscht hatte, war meinem „Schatz“ das Warten zu dumm geworden und er hatte sich vertrollt. Natürlich nicht allein, wie ich später erfuhr. Ich hatte das Nachsehen und wurde auch später nicht mehr „Bart[h]l beim Bach“.
Von diesem Tage an war ich lange Zeit auf Terofal nicht mehr gut zu sprechen. Fast ein paar Jahrzehnte vergingen, bis mir das Glück wurde, mit ihm in nähere Beziehungen zu kommen, und bis dahin war auch mein Groll gegen den verehrten Meister völlig gewichen, der damals ohne sein Wissen und Wollen schuld war, dass mir ein Nebenbuhler mein Dirndl ausgespannt hatte.
(zit. n. Eisenburg, Georg Stöger-Ostin, S. 25f.)
Der Gasthof Herzog Maximilian ist erstmals 1339 urkundlich erwähnt und bezieht seinen Namen vom wittelsbachischen Herzog Maximilian (1808-1888), auch „Zither-Maxl“ genannt, dem Vater von Kaiserin Sissi (1837-1898). Nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1618/48) wurde der Gasthof vom Kloster Tegernsee wiederaufgebaut und diente als wichtige (Post-)Station und Brückenmautstelle an der Straße von München nach Tirol. Nachdem König Max I. Joseph das Anwesen 1822 ersteigert und an den Metzgermeister Joseph Obermayr (1784-1832) weiterverkauft hatte, ließ dessen Frau Franziska (1799-1879) 1846 den bestehenden Bau durch den Maurermeister Joseph Poschner in Tegernsee und den Zimmermeister Franz Mannhart am Bürstling errichten. Der Wirtssohn Max Obermayr (1821-1898) gab ihm schließlich den heutigen Namen „Herzog Maximilian“.
Dessen älterer Bruder, Pfarrer Joseph Obermayr (1820-1892), verzeichnet in seiner Chronik insgesamt 14 Besitzer für den Gasthof. 1918 erwarb ihn Bernhard Glasl, 1983 wurde er vom bis dato letzten Wirt, Herrn Müller, geschlossen und 1991 an einen Frankfurter Unternehmer verkauft. Eine Zwangsversteigerung konnte abgewendet werden, 2009 kaufte die Gemeinde Gmund das Anwesen. Das inzwischen denkmalgeschützte Gebäude wurde fünf Jahre später vom Herzoglich Bayerischen Brauhaus Tegernsee erworben. Die Wiedereröffnung als Gastwirtschaft erfolgte schließlich im März 2018.
Bereits im 19. Jahrhundert, als die Sommerfrischler den Tegernsee für sich entdeckten, entwickelte sich der Gasthof zur ersten Anlaufstelle, aber auch zum Treffpunkt des europäischen Hochadels. So logierten hier u.a. der russische Zar Alexander I. und Kaiser Franz I. von Österreich, Prinz Karl von Bayern und König Max II. sowie der Heimatdichter Karl Stieler (1842-1885) und andere bürgerliche Prominenz.
Zahlreiche Theatergruppen in Gmund traten zudem im Gasthof Herzog Maximilian auf, der seit 1899 einen eigenen Theatersaal erhalten hatte, darunter die Laienbühne „d’ Moosrainer“ oder die „Siegfried-Lindner-Bühne“. (vgl. Halmbacher, Bd. 1, S. 39) In den 1950er-Jahren wurde der Gasthof als Café und Theatersaal bis nach München populär. Die aus dieser Zeit stammenden Faschings-, Schützen- und Feuerwehr-Feste sind inzwischen legendär.
Etwa 1 km vom Gasthof entfernt, im „Fischerhäusl“ (Buchleitenweg 3), soll der für seine originelle Art bekannte Maschinist der Papierfabrik Louisenthal, Xaver Stöger alias Zebedäus Flederwisch, gelebt und geschrieben haben. 1889 legte er ein Buch mit allen lustigen Begebenheiten der Umgebung an und brachte sie 1912 als erste lokale Faschingszeitung u.d.T. Louisenthaler Narrenpost heraus. Auf ihn geht die Gründung der Gmunder Faschingsgilde „Die Seegeister“ zurück. (vgl. Gemeinden, S. 78 u. 99)
Literarisches Zeugnis: Max Obermayr (1821-1898)
Der Wirtssohn Max Obermayr beschloss schon als 16-Jähriger zusammen mit dem Gmunder Fuchsenbauern Johann Fischbacher, dessen Tochter Franziska er 1852 heiratete, ins fast 500 km entfernte Schweizer Simmental zu reisen, um durch Einfuhr des dortigen Viehs die heimische Rinderrasse aufzubessern. Das Unternehmen war so erfolgreich, dass es bis 1870 einmal jährlich, bis 1890 sogar zwei- bis dreimal jährlich wiederholt werden sollte.
Obermayr wurde damit zum Begründer der berühmten oberbayerischen Fleckviehzucht. Das „Miesbacher Alpenfleckvieh“ erfreute sich großer Beliebtheit und wurde bis nach China, Indien und Afrika exportiert. In den 1850er-Jahren wurde Obermayr von Zar Nikolaus I. beauftragt, 53 Stück Fleckvieh an den russischen Zarenhof zu liefern. Auch für Zar Alexander II. sollte er mehrere Stück Vieh transportieren.
Für seine Lieferungen überreichte ihm der russische Minister Waloujeff 1878 im Gasthof Herzog Maximilian persönlich die goldene Ehrenmedaille. 1887, im 50. Jahr seiner Wiederkehr in die Schweiz, wurde Obermayr das Ehrenbürgerrecht in der Schweiz verliehen. Ein Bronze-Relief am Floriansbrunnen nahe dem Gasthof Herzog Maximilian erinnerte noch bis in die 1950er-Jahre an den berühmten Sohn des Ortes, dessen Grab sich im Kirchenfriedhof befindet. Die 1837 von Max Obermayr gekauften Schweizer Kuhglocken verwahrt heute das Jagerhaus.
Seine Tochter Therese, verh. Kray (1860-1915), Besitzerin der Villa „zum Rotten am Moos“, widmete ihm 1904 die Monographie Leben und Wirken des Altwirtes Max Obermayer von Gmund am Tegernsee 1821-1898, zusammen mit der Dichterin Anny Schaefer (1859-1952). Im Schlusswort schreibt Letztere:
Max Obermayer war die Urtype eines echten und rechten Gebirgskindes. Auf seinem Wappen standen Treue und Biederkeit. Es verbarg sich bei ihm unter rauer Schale ein warm- und tieffühlendes Herz; ein herbes Kraut, dem es an Heilkraft nicht fehlte. Mit sittlichem Ernst paarten sich bei ihm Wohlwollen und innere Zufriedenheit. Ging der Wirt durch die Räume und rauchte vergnügt eine Zigarre, so war dies ein besonders günstiges Zeichen seiner frohen Laune.
Treffender Sarkasmus und sein Witz gehörten zu den Charaktereigenschaften Obermayers, von denen mancher in heiteren Stunden zu erzählen weiß. Die Liebe zu seiner Familie, die Liebe zu seinem Geschäfte füllte sein Leben aus. Als er sich im Jahre 1891 mit seiner Ehefrau in den Ruhestand zurückzog, da fühlte er zum erstenmal den Hauch des Todes. Für ihn, der sein ganzes Leben in rastloser Arbeit zugebracht hatte, war dies der erste Schritt zum Grabe. Er brachte es nicht über sich, das Haus zu verlassen, um im gegenüberliegenden Schweizerhaus mit seiner Frau den Aushalt zu beziehen, sondern blieb bis fast zu seiner letzten Stunde allein in seinem Zimmer, das er so viele Jahre hindurch, in Freud und Leid, mit seiner Frau bewohnt hatte. Selbst als ein fremder Pächter die Wirtschaft übernahm, sah man den ‚alten Wirt‘ durch die Wirtschaftsräume gehen und die Gäste begrüßen, wie in den Tagen seiner Herrschaft. Wie man ihm dann, nach einigen Jahren, seine „Franzi“ in den Sarg legte, da starb seine Seele. Vom Fenster des Tanzsaales aus sah er den Leichenzug vorübergehen und niemand ahnte den großen Schmerz dieses, anscheinend apathisch dastehenden, einsamen Mannes. „Mei schöni Franzi“ – in diesen wenigen Worten, die seine Lippen flüsterten, lag seine versunkene Welt.
(zit. n. Rosenberger, S. 12)
Kirchenfriedhof, Grabstätte von Familie Obermayr. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Literarisches Zeugnis II: „Als ich Xaver Terofal das erstemal sah...“
Um den Gasthof ranken sich zahlreiche Begebenheiten und Geschichten. Eine davon stammt vom Schriftsteller Georg Stöger-Ostin (1874-1965) und schildert dessen Begegnung mit dem Schlierseer Bauerntheaterdirektor Xaver Terofal (1862-1940):
Im Gasthaus Herzog Maximilian in Gmund war eine Bauernhochzeit. In der Nachbarschaft kannte ich ein nettes Dirndl – es hiess auch Lieserl wie jenes aus Schliersee –, dem ich sehr gewogen war und mit dem ich tagsvorher mich verabredet hatte, dass wir beide am Montagabend „auf“ die Hochzeit und natürlich dann auch wieder miteinander heimgehen werden. Das Dirndl hielt sein gegebenes Versprechen, in Kaltenbrunn trafen wir uns und in bestem Einvernehmen, auf das in allerhand süsse Hoffnungen aufbaute, gingen wir Gmund zu und auf die Hochzeit. Tanzten miteinander und verabredeten auch die Zeit, zu der wir uns auf den Heimweg machen würden. Denn ich musst gar bald die Wahrnehmung machen, dass das Lieserl nicht nur mir, sondern auch anderen Burschen gut gefiel, und ich hielt es für gut, es möglichst bald den lüsternen Blicken dieser Nebenbuhler zu entziehen, um „Barthl beim Bach“ zu bleiben.
Schon nahte die Stunde unseres verabredeten Aufbruchs, da machte sich im Tanzsaal plötzlich eine gewisse Aufregung bemerkbar. Alles was sich in diesem befand, drängte sich der Zechstube zu und in diese hinein – was war denn nur los? Das Abdanken mit seiner gewohnten Anziehungskraft war doch schon vorbei... Da ging es von Mund zu Mund: Xaver Terofal von Schliersee ist soeben gekommen! Der Direktor vom Schlierseer Bauerntheater! Ich sah mir fast die Augen aus dem Kopf – wo ist er denn, dieser mir bisher unbekannt gewesene Mann und Künstler, von dem man soviel spricht?
Eine Lücke tat sich auf und Terofal, ein sauberes Dirndl an der Hand, betrat den Tanzplatz. Tanzte und schuhplattelte, eine „Schar“ und dann noch eine. Niemand anderer tanzte, alles schaute nur zu. Als er wieder in die Zechstube ging und sich an den Tisch zu den Brautleuten setzte, drängte ich mich vielen anderen ebenfalls nach, um ja in seiner nächsten Nähe zu sein. Schaute und „luste“.
So stand ich eine Zeitlang, eingepresst zwischen den Leuten wie ein Hering im Fasse, bis Terofal Abschied nahm und die Hochzeitsstube verliess. Nun kam ich auch wieder einwenig zu mir selber und ich erinnerte mich auch wieder meiner Begleiterin auf die Hochzeit und dass schon längst der Zeitpunkt gekommen sei, an dem aufzubrechen wir ausgemacht hatten. Ich schaute und suchte nach dem netten Dirndl, aber alles vergebens. Schliesslich musste ich zu der Überzeugung gelangen, dass das Lieserl für den von mir still verehrten Meister aus Schliersee wohl nicht so viel Interesse gehabt wie ich und sich für meine Treulosigkeit gerächt hatte. Während ich immer hinter Terofal gestanden war und auf jedes Wörtlein, das er gesprochen gelauscht hatte, war meinem „Schatz“ das Warten zu dumm geworden und er hatte sich vertrollt. Natürlich nicht allein, wie ich später erfuhr. Ich hatte das Nachsehen und wurde auch später nicht mehr „Bart[h]l beim Bach“.
Von diesem Tage an war ich lange Zeit auf Terofal nicht mehr gut zu sprechen. Fast ein paar Jahrzehnte vergingen, bis mir das Glück wurde, mit ihm in nähere Beziehungen zu kommen, und bis dahin war auch mein Groll gegen den verehrten Meister völlig gewichen, der damals ohne sein Wissen und Wollen schuld war, dass mir ein Nebenbuhler mein Dirndl ausgespannt hatte.
(zit. n. Eisenburg, Georg Stöger-Ostin, S. 25f.)