Gasse 27: Sternecker-Hof
Der „Sternecker“ ist ein stattliches Bauernhaus mit Nebengebäuden in der Gasse 27. Der Name scheint daher zu kommen, dass die Grundstücke rings um den Hof lagen, und ist im Lehensbuch von 1353 als Lehen der Stöckl von Ostin bereits erwähnt. (vgl. Gemeinden, S. 17) Der Flachsatteldachbau mit Blockbau-Obergeschoss und umlaufender Balusterlaube wurde Ende des 18. Jahrhunderts (1763) erbaut, der Dachaufbau ist dagegen jüngeren Datums. Der Bauer Josef Berghammer (1826-1900) errichtete den Hof im 19. Jahrhundert neu. Typisch für den Hof ist die (energiesparende) Ausrichtung vom See (bzw. Wind) weg wie bei den anderen Höfen in der Gasse. Beim Blick vom Hang hinunter kann man neben der großen Altane die sog. „Katzenlaube“ bewundern, jene kleine Altane unter der vorgezogenen Verschalung des Dachgeschosses. Der Sternecker-Hof ist als Biohof der Familie Berghammer mit 19ha Grünland und 20ha Wald immer noch in Betrieb.
Die Gasse selbst ist ein ländlicher Ortsteil und eine kleine Straße, die „vom Kloster Tegernsee kommend bei St. Quirin das dort früher versumpfte Seeufer verließ und in nordöstlicher Richtung – als ‚Gasse‘ – über die Moränenterrassen anstieg und weiter nach Miesbach führte.“ Bevor man zur Gasse hingelangt, schlägt man zu Fuß ins „Niemandsbichl“ ein. Der Name deutet wohl auf einen Hügel (bairisch „Bühel“), der früher einmal Niemandsland war. Inmitten grasgrüner Wiesenhügel liegt die Gegend etwas oberhalb des Tegernsees bei Gmund. In einem Tegernseer Gerichtsbuch kommt bereits 1677 ein Quirin Grundtner „am Niemandtsbichl“ vor. (vgl. Gemeinden, S. 16)
Ein Marterl am Wegrand erinnert an die schwere Zeit während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), als die Schweden ins bayerische Oberland einzogen und im Tegernseer Tal marodierten. (vgl. Station 3) Der barocke Tuffpfeiler mit Laterne und bekrönendem eisernen Papstkreuz sowie die bis zur Unkenntlichkeit verwitterte Inschrift deuten auf eine Entstehungszeit Anfang des 18. Jahrhunderts hin.
Den starken Einödencharakter betonend verweist die Bezeichnung „Niemandsbichl“ nicht zuletzt auf die schwere Abnehmerschaft der „billigen“ Ländereien während der Säkularisation (1803) – für die Wälder der höheren Bergregionen fanden sich nur schwerlich Abnehmer. Der bayerische Reiseschriftsteller Heinrich Noë (1835-1896) berichtet:
Mit den Ländereien – meist Wäldern – machte der Staat ein ebenso unglückliches Geschäft. Die elenden Verkehrswege jener Zeit erlaubten nicht, die Ausbeute derselben auf den Markt zu bringen und so kam es öfter vor, daß Bauern ganze Forstcomplexe, welche ihnen der Staat umsonst anbot, um nur die Steuer davon erheben zu können, ausschlugen, weil sie nicht wußten, was sie damit anfangen sollten. Ein Berg an der Gmundner Straße heißt noch aus jenen Zeiten der „Dreipfenningberg“.
(Noë, S. 287)
Literarisches Zeugnis: Therese Sandbichler (1883-1965)
Therese Sandbichler. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)
Therese Sandbichler, geb. Reindl, wurde in Bad Tölz geboren, wo sie nach dem frühen Tod der Mutter bei Pflegeeltern und im Waisenhaus aufwuchs und mit 15 Jahren bei einem Bauern im Isarwinkel in Dienst ging. Sie arbeitete zunächst als Unter-, dann als Oberdirn und übernahm 1917 zusammen mit ihrem Mann, einem ehemaligen Bergmann, eine Alm. Unzählige Sommer verbrachte sie mit dem Vieh auf den Almen, die letzten Jahre auf dem Brauneck.
Schon in jungen Jahren begann sie mit dem Schreiben, zuerst Kindheitserinnerungen, dann Geschichten aus dem Bauernleben und über das Leben auf der Alm. Ihre Aufzeichnungen sind nicht gesammelt, außer Artikel für die Heimatzeitung gibt es kein einziges Buch von ihr. Im Jagerhaus Gmund sind allerdings ca. 20 Typoskripte über Kindheit und Brauchtum, einige Manuskripte, Fotografien sowie Zeitungsartikel erhalten. Therese Sandbichler kannte die einfache Sprache der Leute und verstand es, das Leben im Jahresablauf authentisch zu schildern.
Beim Egerner Preissingen 1930 wird sie als eine der angenommenen Sängerinnen aufgeführt.
Bergfriedhof, Grabstätte von Therese Sandbichler. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Viele Jahre wohnte Therese Sandbichler beim „Sternecker“ auf der Gasse. Auch in diesen Zeiten diente sie den Bauern: „Im Frühjahr half sie beim Daxenhacken [Kleinhacken von Fichtenzweigen für Brennmaterial und Einstreu im Stall], an Lichtmess, wenn beim Sternegger der Rosenkranz gebetet wurde, betete die Resl vor.“ (Eisenburg: Originale und Persönlichkeiten, S. 46) Im Alter von 78 Jahren zog sie noch mit zwei Kuhbuben und 58 Stück Vieh auf die Alm. (vgl. Halmbacher, Bd. 3, S. 561) Im Alter von 82 Jahren starb sie und wurde auf dem Bergfriedhof in Gmund begraben.
Literarisches Zeugnis II: Anekdote Das Mitbringsel
Der Sternecker ging des öfteren zum Gesellschaftstag ins Wirtshaus, um auf andere Gedanken zu kommen. Seine Frau ließ er meist zu Hause.
Einmal aber dachte er an seine Frau, die wie immer daheim bleiben mußte. Vor dem Heimgehen sagte er zum Wirt: „Wickle mir noch ein paar Würst für meine Alte ein!“ Mitsamt dem Mitbringsel ging er dann nach Hause. Dort angekommen, lud die Hausbank zum Verweilen ein. Er setzte sich hin. Da überkam eahm a Gluscht auf die Würst. Er holte sie aus seiner Tasche und verspeiste sie genüßlich. Als er endlich ins Haus ging und ins Schlafzimmer kam, begrüßte ihn seine Frau mürrisch: „Bist a scho da?“ Beschwichtigend sagte er: „Itzt hätt i dir beinah was mitbracht.“
(Rausch, S. 26)
Der „Sternecker“ ist ein stattliches Bauernhaus mit Nebengebäuden in der Gasse 27. Der Name scheint daher zu kommen, dass die Grundstücke rings um den Hof lagen, und ist im Lehensbuch von 1353 als Lehen der Stöckl von Ostin bereits erwähnt. (vgl. Gemeinden, S. 17) Der Flachsatteldachbau mit Blockbau-Obergeschoss und umlaufender Balusterlaube wurde Ende des 18. Jahrhunderts (1763) erbaut, der Dachaufbau ist dagegen jüngeren Datums. Der Bauer Josef Berghammer (1826-1900) errichtete den Hof im 19. Jahrhundert neu. Typisch für den Hof ist die (energiesparende) Ausrichtung vom See (bzw. Wind) weg wie bei den anderen Höfen in der Gasse. Beim Blick vom Hang hinunter kann man neben der großen Altane die sog. „Katzenlaube“ bewundern, jene kleine Altane unter der vorgezogenen Verschalung des Dachgeschosses. Der Sternecker-Hof ist als Biohof der Familie Berghammer mit 19ha Grünland und 20ha Wald immer noch in Betrieb.
Die Gasse selbst ist ein ländlicher Ortsteil und eine kleine Straße, die „vom Kloster Tegernsee kommend bei St. Quirin das dort früher versumpfte Seeufer verließ und in nordöstlicher Richtung – als ‚Gasse‘ – über die Moränenterrassen anstieg und weiter nach Miesbach führte.“ Bevor man zur Gasse hingelangt, schlägt man zu Fuß ins „Niemandsbichl“ ein. Der Name deutet wohl auf einen Hügel (bairisch „Bühel“), der früher einmal Niemandsland war. Inmitten grasgrüner Wiesenhügel liegt die Gegend etwas oberhalb des Tegernsees bei Gmund. In einem Tegernseer Gerichtsbuch kommt bereits 1677 ein Quirin Grundtner „am Niemandtsbichl“ vor. (vgl. Gemeinden, S. 16)
Ein Marterl am Wegrand erinnert an die schwere Zeit während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), als die Schweden ins bayerische Oberland einzogen und im Tegernseer Tal marodierten. (vgl. Station 3) Der barocke Tuffpfeiler mit Laterne und bekrönendem eisernen Papstkreuz sowie die bis zur Unkenntlichkeit verwitterte Inschrift deuten auf eine Entstehungszeit Anfang des 18. Jahrhunderts hin.
Den starken Einödencharakter betonend verweist die Bezeichnung „Niemandsbichl“ nicht zuletzt auf die schwere Abnehmerschaft der „billigen“ Ländereien während der Säkularisation (1803) – für die Wälder der höheren Bergregionen fanden sich nur schwerlich Abnehmer. Der bayerische Reiseschriftsteller Heinrich Noë (1835-1896) berichtet:
Mit den Ländereien – meist Wäldern – machte der Staat ein ebenso unglückliches Geschäft. Die elenden Verkehrswege jener Zeit erlaubten nicht, die Ausbeute derselben auf den Markt zu bringen und so kam es öfter vor, daß Bauern ganze Forstcomplexe, welche ihnen der Staat umsonst anbot, um nur die Steuer davon erheben zu können, ausschlugen, weil sie nicht wußten, was sie damit anfangen sollten. Ein Berg an der Gmundner Straße heißt noch aus jenen Zeiten der „Dreipfenningberg“.
(Noë, S. 287)
Literarisches Zeugnis: Therese Sandbichler (1883-1965)
Therese Sandbichler. Aus: Hans Halmbacher: Das Tegernseer Tal in historischen Bildern. 3 Bde. Fuchs-Druck, Hausham 1980-87 (Sammlung Hans Halmbacher)
Therese Sandbichler, geb. Reindl, wurde in Bad Tölz geboren, wo sie nach dem frühen Tod der Mutter bei Pflegeeltern und im Waisenhaus aufwuchs und mit 15 Jahren bei einem Bauern im Isarwinkel in Dienst ging. Sie arbeitete zunächst als Unter-, dann als Oberdirn und übernahm 1917 zusammen mit ihrem Mann, einem ehemaligen Bergmann, eine Alm. Unzählige Sommer verbrachte sie mit dem Vieh auf den Almen, die letzten Jahre auf dem Brauneck.
Schon in jungen Jahren begann sie mit dem Schreiben, zuerst Kindheitserinnerungen, dann Geschichten aus dem Bauernleben und über das Leben auf der Alm. Ihre Aufzeichnungen sind nicht gesammelt, außer Artikel für die Heimatzeitung gibt es kein einziges Buch von ihr. Im Jagerhaus Gmund sind allerdings ca. 20 Typoskripte über Kindheit und Brauchtum, einige Manuskripte, Fotografien sowie Zeitungsartikel erhalten. Therese Sandbichler kannte die einfache Sprache der Leute und verstand es, das Leben im Jahresablauf authentisch zu schildern.
Beim Egerner Preissingen 1930 wird sie als eine der angenommenen Sängerinnen aufgeführt.
Bergfriedhof, Grabstätte von Therese Sandbichler. Foto: Peter Czoik (TELITO)
Viele Jahre wohnte Therese Sandbichler beim „Sternecker“ auf der Gasse. Auch in diesen Zeiten diente sie den Bauern: „Im Frühjahr half sie beim Daxenhacken [Kleinhacken von Fichtenzweigen für Brennmaterial und Einstreu im Stall], an Lichtmess, wenn beim Sternegger der Rosenkranz gebetet wurde, betete die Resl vor.“ (Eisenburg: Originale und Persönlichkeiten, S. 46) Im Alter von 78 Jahren zog sie noch mit zwei Kuhbuben und 58 Stück Vieh auf die Alm. (vgl. Halmbacher, Bd. 3, S. 561) Im Alter von 82 Jahren starb sie und wurde auf dem Bergfriedhof in Gmund begraben.
Literarisches Zeugnis II: Anekdote Das Mitbringsel
Der Sternecker ging des öfteren zum Gesellschaftstag ins Wirtshaus, um auf andere Gedanken zu kommen. Seine Frau ließ er meist zu Hause.
Einmal aber dachte er an seine Frau, die wie immer daheim bleiben mußte. Vor dem Heimgehen sagte er zum Wirt: „Wickle mir noch ein paar Würst für meine Alte ein!“ Mitsamt dem Mitbringsel ging er dann nach Hause. Dort angekommen, lud die Hausbank zum Verweilen ein. Er setzte sich hin. Da überkam eahm a Gluscht auf die Würst. Er holte sie aus seiner Tasche und verspeiste sie genüßlich. Als er endlich ins Haus ging und ins Schlafzimmer kam, begrüßte ihn seine Frau mürrisch: „Bist a scho da?“ Beschwichtigend sagte er: „Itzt hätt i dir beinah was mitbracht.“
(Rausch, S. 26)