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Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Fürstenstraße 5, Haus Radolin: Franz von Kobell

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Foto: privat.

Bei dem Anwesen in der Fürstenstraße 5 mit zugehörigem Park, auch als Haus Radolin bekannt und heute Eigentum der Stadt Tegernsee sowie der Gemeinde Rottach, handelt es sich um einen geschichtsträchtigen Ort, der eng mit dem Dichter Franz von Kobell verbunden ist. Es war nämlich sein Schwiegervater, der Staatsrat Egidius von Kobell (1772-1847), der 1822 hier an der Fürstenstraße einen Häuserkomplex errichten ließ mit dem ersten sommerlichen Landhaus in Egern. 1839/1840 baute er dann einige hundert Meter entfernt auf der gegenüberliegenden Straßenseite, schräg gegenüber Richtung See, noch ein weiteres Anwesen in der heutigen Fürstenstraße 8-10. (Station 8)

Tatsächlich hat Franz von Kobell, der Autor der G'schicht vom Brandner Kasper, wenn er ins Tegernseer Tal zur Sommerfrische kam, auf diesen beiden Anwesen gewohnt. Bis 1854 in der Fürstenstraße 5, ab 1839/40 in der Fürstenstraße 8-10. So ist auch davon auszugehen, dass Kobell auf diesen beiden Anwesen den Großteil seiner Werke geschrieben hat.

Tatsächlich verbrachte Kobell seit der Eheschließung mit seiner Cousine Karoline im Jahr 1826 die Sommermonate mit ihr und den drei Töchtern immer am Tegernsee in Rottach-Egern, in den Häusern seines Schwiegervaters. Hier fand Franz von Kobell Zeit und Muße zu schreiben. Und so war es denn hier auch der Kontakt mit der Gebirgs- und Landbevölkerung, die ihn zur Mundartdichtung führte. Von den Jägern und den Sennerinnen hörte er ihre Lieder und ihre Schnaderhüpfeln. Dies erklärt auch, warum es die Mundart der Menschen um den Tegernsee und Schliersee ist, die in seinen oberbayerischen Gedichten und Geschichten vorherrschend ist.

Warum das Haus in der Fürstenstraße 5 von den Kobells 1854 verkauft wurde, ist unbekannt. Überliefert ist allerdings die damalige Versteigerungsanzeige im königlich-bayerischen Amtsblatt von 1854 in Gmund. Diese ist nicht nur deswegen interessant, weil sie Auskunft darüber gibt, was alles zu dem Kobellschen Anwesen gehörte. Durch sie wissen wir, dass die Versteigerung am Donnerstag, den 28. September von 10 bis 13 Uhr im sog. „Herrenhaus“ des Kobellschen Anwesens stattfand. Weil diese alte Versteigerungsanzeige zudem einen einzigartigen Eindruck von den damals im Kontext von Versteigerungen benutzten Formulierungen vermittelt und insofern auch als ein wichtiges kulturelles Zeugnis zu erachten ist, wird sie hier in vollem Wortlaut wiedergegeben:

Im Auftrage der k. Regierung von Oberbayern wird für die k. Unterrichtsstiftungs-Administration München die ehemals Staatsrat v. Kobell'sche Besitzung zu Egern, in einer der schönsten Lagen am Tegernsee, der Verkaufs-Versteigerung unterworfen. Die Bestandteile sind:

I. Das Herrenhaus, in einem schönen ländlichen Style gebaut, 2 Stockwerke hoch, mit bewohnbarem Dachraume, enthält 4 Salon, 20 Zimmer, 2 Küchen, 3 Kellerabtheilungen und 2 laufende Wasser. Der das Haus umgebende Grund zu 4 Tgw. 16 Dez. ist Ziergarten. Auch einiges Meublement ist vorhanden, Spiegel, Betten rc.
II. Das zweistöckige Wohn- und Ökonomiegebäude mit 14 Zimmern, Koch- und Waschküchen, 4 laufenden Wassern, gewölbten Stallungen, Remisen und übrigen Oekonomieräumen. Der anliegende Grund mit 3 Tgw. 79 Dez. enthält die Hofräume, einen Wiesplatz und einen Blumengarten; in geringer Entfernung ist der Gemüsegarten mit 54 Dez. Auch hier sind Haus- und Baumannsfahrnisse vorhanden.
I. Das Brunnenhaus mit Druckwerk sammt der anliegenden Wiese mit 1 Tgw. 80 Dez. für Wasserabgabe an zwei Besitzungen von Privaten werden Zinse gereicht.
III. 25. Tgw. 29. Dez. vereinzelte Eggarten
IV. Zwei Waldungen mit 8 Tagw. 16. Dez. und 45. Tgw. 98 Dez.
V. Zwei Alpenantheile auf der Wallberg-, und ein Antheil auf der Gaisalpe.

Der Verkauf geschieht nach der Verordnung für Staatsrealitäten-Verkäufe vom 19. April 1852 (Regierungsblatt S. 473-486). Nicht nur fürs Ganze, sondern auch für jedes Gebäude mit oder entferntere Gründe können Angebote gegeben werden.

Überliefert ist ferner, dass Kobells erstes Landhaus an eine Palastdame der Königinwitwe überging. In alten Aufzeichnungen ist von einer Gräfin Casimire die Rede, der Haus und Hof in den 1860er-Jahren gehörten. Später kaufte das Anwesen in der Fürstenstraße 5 dann das Adelsgeschlecht Radolin. 2010 erbten die Gemeinde Rottach-Egern und die Stadt Tegernsee gemeinsam das seither so genannte Radolin-Haus, in dem bis zu ihrem Tod Elisabeth von Radolin lebte. Sie war es auch, die das Haus samt Park Rottach-Egern und Tegernsee zu gleichen Teilen vermachte.

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen