Am Paradies: G'schicht vom Brandner Kasper (Franz von Kobell)
Das Paradies siedelte der Schriftsteller Franz von Kobell (1803-1882) in seiner G'schicht vom Brandner Kasper nicht ohne Grund in Tegernsee an. Tatsächlich gibt es in der Stadt Tegernsee ein Gebiet, das genau so heißt. Auch der Schriftsteller Maximilian Schmidt erwähnt und beschreibt es 1886 in Der Musikant von Tegernsee: „und der Alpbach geradewegs aus dem Paradiese kommend, wie das nahe, von Platanen und riesigen Tannen bestockte tiefe Bergthal genannt wird“. Diese Örtlichkeit ist der Anlass, hier im Tegernseer „Paradies“ Franz von Kobell und seinen Brandner Kasper vorzustellen.
Franz von Kobell gilt als der Schöpfer der bayerischen Mundartdichtung. Er, der wie Maximilian Schmidt, dem Wittelsbacher Königshaus sehr nahestand, wurde im Jahr der Klosteraufhebung 1803 geboren. Seine G'schicht von Brandner Kasper (1871), zu deren Handlungskulisse (auch) das Gebiet in Tegernsee rund um das Paradies zählt, hat sich zu einer der populärsten bayerischen Erzählungen entwickelt. (Daran haben auch der Film und das Theaterstück, das Kurt Wilhelm 1975 für die Bühne bearbeitet hat, einen Anteil.)
Es war die Hochzeit mit seiner Kusine Caroline, die Kobell ins Tegernseer Tal geführt hatte. Sein Onkel, Staatsrat Egidius von Kobell (1772-1842), besaß hier mehrere Häuser in Egern (Station 7 und 8), in denen Kobell in den Sommermonaten mit seiner Familie die Sommerfrische verbrachte und sich zu literarischen Werken inspirieren ließ.
Ein Meisterwerk – G'schicht vom Brandner Kasper
Die G'schicht vom Brandner Kasper, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt, gilt als Meisterwerk der bayerischen Mundartdichtung. Sie erschien zuerst in der Zeitschrift Fliegende Blätter Nr. 1363 und 1364 im Jahre 1871, mit stimmungsvollen Illustrationen von Ferdinand Barth.
Bei dieser Erzählung handelt es sich um eine in oberbayerischer Mundart geschriebene humorvolle Auseinandersetzung zwischen einem Tegernseer und dem Tod. Sie führt vor, wie es dem Brandner Kasper gelingt, den Tod zu überlisten und seinen Tod um 15 Jahre aufzuschieben.
Der Brandner und der Boalkramer, 1871 (Museum Tegernseer Tal)
Kasper Brandner, ein rüstiger Vierundsiebzigjähriger, lebt als Schlosser, Büchsenmacher und Jagdgehilfe am Tegernsee. Seine Frau Traudl ist bereits verstorben, seine beiden Söhne dienen als Soldaten in einem bayerischen Artillerieregiment. An einem Abend erscheint bei ihm der „Boa(nd)lkramer“ (der Tod) und will ihn mit sich nehmen. Als Kostprobe sei hier der Anfang der Erzählung bis zu dem Moment, wo der Tod an die Tür klopft, wiedergegeben:
Der Brandner-Kasper is a' Schlosser g'west und hat bei Tegernsee a' kloa's Häusl g'habt, hübsch hoch ob'n a'm Albach, wo mar auf Schliersee 'nübergeht. Da hat er g'haust mit sein' Wei', die Traudl g'hoaß'n hat und mit seini zwoa Buab'n, mi'n Toni und mi'n Girgl; die san zeiti' Seldat'n wor'n und hamm in an' Artollerie-Regiment 'dient in' Land d'raußt. Der Kasper is a' fleißiger braver Mo' g'west und lusti' und schneidi. G'forcht'n hat er ihm vor gar nix und hat amal an' groß'n wininga Hund, der a' Dirn umg'rennt hat und hätt's z'riss'n, frei mit der Hand bei'n Krag'n packt und hat 'n a so an a' Mauer hi'g'worfa, daß er nimmer aufg'stand'n is und 'n Hagmoar vo' Scharling hat er sei' Raaffa und Spetaklmacha bei der Mess' auf der Kaiserklaus'n aa' vertrieb'n. Neb'n seiner Schlosserarbet hat er's Büchs'nmacha guat verstand'n und für d' Jaaga d' Stutz'n g'frischt und z'amm'g'richt, besser was a' Büchs'nmacher in der Stadt. Is aa' 's Jag'n und 's Scheib'nschieß'n sei' größti Freud' g'west und hat auf d' letzt überall jaagern derfa, denn der Forstmoaster hat an ihm an' verlässinga Jagdg'hilf'n g'habt und der nix 'kost' hat. Wier er auf die Jahr kumma is, is sei' Traudl g'storb'n, hat 'n recht g'schmerzt, weil's gar a' guats und taugsams Wei' g'wes'n is und jetz' hat er halt alloa' für ihm a so furtg'lebt und no' in sein' fünfasieb'zigst'n Jahr hat ihm weiter nix g'feit an der G'sundheit und hat g'jaagert und g'schoss'n wier a' fufz'ger.
Jetz' sitzt er amal dahoam und hat ihm an' Rechblatter z'ammg'richt und probirt, und überdem klopft's an der Thür. Denkt er, wer muaß denn da draußt sei', denn dees A'klopfa is bei'n ihm net Brauch g'west und ruaft nacha »No' eina!« Jetz' kimmt da an' elendiger Loda 'rei, zaundürr, daß er grad 'klappert hat und bloadi und hohlauget, an' abscheuliga Kerl.
Der Kasper sagt: »Was geit's, was willst?«
Na' der ander': »Kasper, i' bi' der Boalkramer und ho' Di' frag'n woll'n, ob D' nit ebba mit mir geh' willst?«
Nach vielen vergeblichen Ausflüchten gelingt es dem Brandner, den Boa(nd)lkramer mit Kirschgeist abzulenken, betrunken zu machen und ihm beim Kartenspiel die Zusage abzugaunern, ihn erst mit 90 Jahren in den Himmel zu holen. Als einige Jahre später eine Sennerin aus der Nachbarschaft des Brandner Kasper verunglückt und in den Himmel kommt, führt ihre dortige Einlassung zur Aufdeckung des unerlaubten Handels zwischen dem Brandner Kasper und dem Tod. Auf Befehl des Hl. Petrus begibt sich der Boa(nd)lkramer wieder an den Tegernsee, um den längst Überfälligen nun aber doch abzuholen. Auch wenn der Brandner Kasper inzwischen sehr unter den schlechten Zeiten gelitten hat und seine Söhne in der Schlacht gefallen sind, will er dem Tod wieder nicht folgen. Allerdings lässt er sich dazu überreden, mal einen kurzen Blick ins Paradies zu werfen. Oben angekommen, wird er von Petrus zu seinen Söhnen, seiner Frau und anderen Verwandten empfangen. Die Freude über das Wiedersehen und das Erstaunen über die Herrlichkeit des Paradieses überwältigen ihn, so dass er beschließt, einfach „oben“ zu bleiben.
Der Brandner schaut ins Paradies, 1871 (Museum Tegernseer Tal)
Der Brandner Kasper im Theater
Die Titelfigur, der Schlosser und Büchsenmacher Kasper Brandner, der mit Kirschgeist und einer Wette dem Tod ein Schnippchen schlägt, ist wiederholt dramatisiert worden, so von Joseph Maria Lutz, Eduard Stemplinger und schließlich von Kobells Urgroßneffen Kurt Wilhelm (Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben, 1975). In dieser Fassung begegnet man dem Brandner Kasper noch heute oft in München und den Theaterbühnen rund um den Tegernsee.
Wer war Franz von Kobell? Leben in zwei Welten
Franz von Kobell (1803-1882) war nicht nur ein bekannter Heimatdichter, sondern auch ein bekannter Professor für Mineralogie. Er entstammte einer alteingesessenen bekannten bayerischen Beamtenfamilie und war der Sohn von Franz von Kobell (1779-1850), dem damaligen Generalsekretär im kgl. Staatsministerium des Innern. 1820 immatrikulierte sich Kobell junior an der Universität Landshut, wo er zuerst Jura, dann Chemie und Mineralogie studierte und bereits mit 21 Jahren den Doktortitel von der Universität Erlangen erhielt. Als König Ludwig I. 1826 die Universität von Landshut durch König Ludwig I. nach München verlegte, wurde Kobell zum Professor der Mineralogie berufen. Mit seinen Lehrbüchern und der Entdeckung neuer Gesteinsarten machte er sich hier schnell einen Namen. Am bekanntesten sind seine in mehrere Sprachen übersetzten Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche (1846) und seine Geschichte der Mineralogie (1864). Doch er machte auch Erfindungen: ein unabhängig von Daguerre entwickeltes Lichtbildverfahren (1839), die „Galvanographie“ als Mittel zur drucktechnischen Bildwiedergabe (1840), das Stauroskop zur Bestimmung der Schwingungsrichtung des polarisierten Kristalllichts (1855) und ein Elektroskop für Mineralien (1863).
Schöpfer der oberbayerischen Mundartdichtung
Zeitgenossen rühmten Kobell als außerordentlichen Dialektdichter, der die oberbayerische Mundart literaturfähig machte. Tatsächlich wurde sein literarisches Werk zum Vorbild für viele Mundartautoren des 20. Jahrhunderts. 1839 veröffentlichte er ein nach dem Mineral Triphylin benannten Gedichtband mit Gedichten in hochdeutscher, oberbayerischer und pfälzischer Mundart. 1841 folgten Gedichte in oberbayerischer Mundart. Weitere Mundartgedichte erschienen 1844 in den Erinnerungen an Berchtesgaden. Bereits ein Jahr darauf brachte Kobell über 300 Schnaderhüpferl u.d.T. Schnadahüpfln und Sprüchln als Buch heraus.
Mundartgeschichten, Theaterstücke und eine Jägerbibel
Doch Kobell veröffentlichte auch Mundartgeschichten und Theaterstücke. Mehrere oberbayerische Volksstücke, darunter Der Roaga und Der Rauba, wurden im Münchner Hoftheater aufgeführt. Unter dem Namen Wildanger, eine Art Jägerbibel, brachte er 1959 „Skizzen aus dem Gebiete der Jagd und ihrer Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Bayern“ heraus. Das Buch war ein Ergebnis seiner langjährigen Erfahrungen als Jäger, in der er seine Freude an der Jagd auch Nichtjägern nahezubringen versuchte.
Kobell starb im November 1882 nach einem schweren Leiden in München, wo er auf dem Alten Südlichen Friedhof begraben wurde. Sein Nachlass befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek. Am 14. November 1882 erschien auf der Titelseite der Münchner Neuesten Nachrichten folgendes Gedicht:
Am Grabe von Franz von Kobell
Auch Du gehst fort – von jenen Alten
Der letzte, der weithin ums Land den blanken Baiernschild gehalten –
Du gibst ihn unserer jüngeren
Hand…
Drum geht Dein Stern auch niemals nieder
Und wenn Du schläfst im stummen Sand,
Dann hallt das Echo Deiner Lieder
Im Mondlicht von der
Felsenwand.
Es war Karl Stieler, der dieses Gedicht seinem Freund Franz von Kobell widmete. Auch Stieler, ein damals gleichfalls bekannter Heimat- und Dialektdichter, und seine gesamte Familie waren engst mit Tegernsee verbunden. Der Weg, auf dem man sich befindet, führt direkt zum Karl-Stieler-Denkmal.
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Das Paradies siedelte der Schriftsteller Franz von Kobell (1803-1882) in seiner G'schicht vom Brandner Kasper nicht ohne Grund in Tegernsee an. Tatsächlich gibt es in der Stadt Tegernsee ein Gebiet, das genau so heißt. Auch der Schriftsteller Maximilian Schmidt erwähnt und beschreibt es 1886 in Der Musikant von Tegernsee: „und der Alpbach geradewegs aus dem Paradiese kommend, wie das nahe, von Platanen und riesigen Tannen bestockte tiefe Bergthal genannt wird“. Diese Örtlichkeit ist der Anlass, hier im Tegernseer „Paradies“ Franz von Kobell und seinen Brandner Kasper vorzustellen.
Franz von Kobell gilt als der Schöpfer der bayerischen Mundartdichtung. Er, der wie Maximilian Schmidt, dem Wittelsbacher Königshaus sehr nahestand, wurde im Jahr der Klosteraufhebung 1803 geboren. Seine G'schicht von Brandner Kasper (1871), zu deren Handlungskulisse (auch) das Gebiet in Tegernsee rund um das Paradies zählt, hat sich zu einer der populärsten bayerischen Erzählungen entwickelt. (Daran haben auch der Film und das Theaterstück, das Kurt Wilhelm 1975 für die Bühne bearbeitet hat, einen Anteil.)
Es war die Hochzeit mit seiner Kusine Caroline, die Kobell ins Tegernseer Tal geführt hatte. Sein Onkel, Staatsrat Egidius von Kobell (1772-1842), besaß hier mehrere Häuser in Egern (Station 7 und 8), in denen Kobell in den Sommermonaten mit seiner Familie die Sommerfrische verbrachte und sich zu literarischen Werken inspirieren ließ.
Ein Meisterwerk – G'schicht vom Brandner Kasper
Die G'schicht vom Brandner Kasper, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt, gilt als Meisterwerk der bayerischen Mundartdichtung. Sie erschien zuerst in der Zeitschrift Fliegende Blätter Nr. 1363 und 1364 im Jahre 1871, mit stimmungsvollen Illustrationen von Ferdinand Barth.
Bei dieser Erzählung handelt es sich um eine in oberbayerischer Mundart geschriebene humorvolle Auseinandersetzung zwischen einem Tegernseer und dem Tod. Sie führt vor, wie es dem Brandner Kasper gelingt, den Tod zu überlisten und seinen Tod um 15 Jahre aufzuschieben.
Der Brandner und der Boalkramer, 1871 (Museum Tegernseer Tal)
Kasper Brandner, ein rüstiger Vierundsiebzigjähriger, lebt als Schlosser, Büchsenmacher und Jagdgehilfe am Tegernsee. Seine Frau Traudl ist bereits verstorben, seine beiden Söhne dienen als Soldaten in einem bayerischen Artillerieregiment. An einem Abend erscheint bei ihm der „Boa(nd)lkramer“ (der Tod) und will ihn mit sich nehmen. Als Kostprobe sei hier der Anfang der Erzählung bis zu dem Moment, wo der Tod an die Tür klopft, wiedergegeben:
Der Brandner-Kasper is a' Schlosser g'west und hat bei Tegernsee a' kloa's Häusl g'habt, hübsch hoch ob'n a'm Albach, wo mar auf Schliersee 'nübergeht. Da hat er g'haust mit sein' Wei', die Traudl g'hoaß'n hat und mit seini zwoa Buab'n, mi'n Toni und mi'n Girgl; die san zeiti' Seldat'n wor'n und hamm in an' Artollerie-Regiment 'dient in' Land d'raußt. Der Kasper is a' fleißiger braver Mo' g'west und lusti' und schneidi. G'forcht'n hat er ihm vor gar nix und hat amal an' groß'n wininga Hund, der a' Dirn umg'rennt hat und hätt's z'riss'n, frei mit der Hand bei'n Krag'n packt und hat 'n a so an a' Mauer hi'g'worfa, daß er nimmer aufg'stand'n is und 'n Hagmoar vo' Scharling hat er sei' Raaffa und Spetaklmacha bei der Mess' auf der Kaiserklaus'n aa' vertrieb'n. Neb'n seiner Schlosserarbet hat er's Büchs'nmacha guat verstand'n und für d' Jaaga d' Stutz'n g'frischt und z'amm'g'richt, besser was a' Büchs'nmacher in der Stadt. Is aa' 's Jag'n und 's Scheib'nschieß'n sei' größti Freud' g'west und hat auf d' letzt überall jaagern derfa, denn der Forstmoaster hat an ihm an' verlässinga Jagdg'hilf'n g'habt und der nix 'kost' hat. Wier er auf die Jahr kumma is, is sei' Traudl g'storb'n, hat 'n recht g'schmerzt, weil's gar a' guats und taugsams Wei' g'wes'n is und jetz' hat er halt alloa' für ihm a so furtg'lebt und no' in sein' fünfasieb'zigst'n Jahr hat ihm weiter nix g'feit an der G'sundheit und hat g'jaagert und g'schoss'n wier a' fufz'ger.
Jetz' sitzt er amal dahoam und hat ihm an' Rechblatter z'ammg'richt und probirt, und überdem klopft's an der Thür. Denkt er, wer muaß denn da draußt sei', denn dees A'klopfa is bei'n ihm net Brauch g'west und ruaft nacha »No' eina!« Jetz' kimmt da an' elendiger Loda 'rei, zaundürr, daß er grad 'klappert hat und bloadi und hohlauget, an' abscheuliga Kerl.
Der Kasper sagt: »Was geit's, was willst?«
Na' der ander': »Kasper, i' bi' der Boalkramer und ho' Di' frag'n woll'n, ob D' nit ebba mit mir geh' willst?«
Nach vielen vergeblichen Ausflüchten gelingt es dem Brandner, den Boa(nd)lkramer mit Kirschgeist abzulenken, betrunken zu machen und ihm beim Kartenspiel die Zusage abzugaunern, ihn erst mit 90 Jahren in den Himmel zu holen. Als einige Jahre später eine Sennerin aus der Nachbarschaft des Brandner Kasper verunglückt und in den Himmel kommt, führt ihre dortige Einlassung zur Aufdeckung des unerlaubten Handels zwischen dem Brandner Kasper und dem Tod. Auf Befehl des Hl. Petrus begibt sich der Boa(nd)lkramer wieder an den Tegernsee, um den längst Überfälligen nun aber doch abzuholen. Auch wenn der Brandner Kasper inzwischen sehr unter den schlechten Zeiten gelitten hat und seine Söhne in der Schlacht gefallen sind, will er dem Tod wieder nicht folgen. Allerdings lässt er sich dazu überreden, mal einen kurzen Blick ins Paradies zu werfen. Oben angekommen, wird er von Petrus zu seinen Söhnen, seiner Frau und anderen Verwandten empfangen. Die Freude über das Wiedersehen und das Erstaunen über die Herrlichkeit des Paradieses überwältigen ihn, so dass er beschließt, einfach „oben“ zu bleiben.
Der Brandner schaut ins Paradies, 1871 (Museum Tegernseer Tal)
Der Brandner Kasper im Theater
Die Titelfigur, der Schlosser und Büchsenmacher Kasper Brandner, der mit Kirschgeist und einer Wette dem Tod ein Schnippchen schlägt, ist wiederholt dramatisiert worden, so von Joseph Maria Lutz, Eduard Stemplinger und schließlich von Kobells Urgroßneffen Kurt Wilhelm (Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben, 1975). In dieser Fassung begegnet man dem Brandner Kasper noch heute oft in München und den Theaterbühnen rund um den Tegernsee.
Wer war Franz von Kobell? Leben in zwei Welten
Franz von Kobell (1803-1882) war nicht nur ein bekannter Heimatdichter, sondern auch ein bekannter Professor für Mineralogie. Er entstammte einer alteingesessenen bekannten bayerischen Beamtenfamilie und war der Sohn von Franz von Kobell (1779-1850), dem damaligen Generalsekretär im kgl. Staatsministerium des Innern. 1820 immatrikulierte sich Kobell junior an der Universität Landshut, wo er zuerst Jura, dann Chemie und Mineralogie studierte und bereits mit 21 Jahren den Doktortitel von der Universität Erlangen erhielt. Als König Ludwig I. 1826 die Universität von Landshut durch König Ludwig I. nach München verlegte, wurde Kobell zum Professor der Mineralogie berufen. Mit seinen Lehrbüchern und der Entdeckung neuer Gesteinsarten machte er sich hier schnell einen Namen. Am bekanntesten sind seine in mehrere Sprachen übersetzten Tafeln zur Bestimmung der Mineralien mittelst einfacher chemischer Versuche (1846) und seine Geschichte der Mineralogie (1864). Doch er machte auch Erfindungen: ein unabhängig von Daguerre entwickeltes Lichtbildverfahren (1839), die „Galvanographie“ als Mittel zur drucktechnischen Bildwiedergabe (1840), das Stauroskop zur Bestimmung der Schwingungsrichtung des polarisierten Kristalllichts (1855) und ein Elektroskop für Mineralien (1863).
Schöpfer der oberbayerischen Mundartdichtung
Zeitgenossen rühmten Kobell als außerordentlichen Dialektdichter, der die oberbayerische Mundart literaturfähig machte. Tatsächlich wurde sein literarisches Werk zum Vorbild für viele Mundartautoren des 20. Jahrhunderts. 1839 veröffentlichte er ein nach dem Mineral Triphylin benannten Gedichtband mit Gedichten in hochdeutscher, oberbayerischer und pfälzischer Mundart. 1841 folgten Gedichte in oberbayerischer Mundart. Weitere Mundartgedichte erschienen 1844 in den Erinnerungen an Berchtesgaden. Bereits ein Jahr darauf brachte Kobell über 300 Schnaderhüpferl u.d.T. Schnadahüpfln und Sprüchln als Buch heraus.
Mundartgeschichten, Theaterstücke und eine Jägerbibel
Doch Kobell veröffentlichte auch Mundartgeschichten und Theaterstücke. Mehrere oberbayerische Volksstücke, darunter Der Roaga und Der Rauba, wurden im Münchner Hoftheater aufgeführt. Unter dem Namen Wildanger, eine Art Jägerbibel, brachte er 1959 „Skizzen aus dem Gebiete der Jagd und ihrer Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Bayern“ heraus. Das Buch war ein Ergebnis seiner langjährigen Erfahrungen als Jäger, in der er seine Freude an der Jagd auch Nichtjägern nahezubringen versuchte.
Kobell starb im November 1882 nach einem schweren Leiden in München, wo er auf dem Alten Südlichen Friedhof begraben wurde. Sein Nachlass befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek. Am 14. November 1882 erschien auf der Titelseite der Münchner Neuesten Nachrichten folgendes Gedicht:
Am Grabe von Franz von Kobell
Auch Du gehst fort – von jenen Alten
Der letzte, der weithin ums Land den blanken Baiernschild gehalten –
Du gibst ihn unserer jüngeren
Hand…
Drum geht Dein Stern auch niemals nieder
Und wenn Du schläfst im stummen Sand,
Dann hallt das Echo Deiner Lieder
Im Mondlicht von der
Felsenwand.
Es war Karl Stieler, der dieses Gedicht seinem Freund Franz von Kobell widmete. Auch Stieler, ein damals gleichfalls bekannter Heimat- und Dialektdichter, und seine gesamte Familie waren engst mit Tegernsee verbunden. Der Weg, auf dem man sich befindet, führt direkt zum Karl-Stieler-Denkmal.
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