Anton-von-Rieppel-Straße 7
Geht man die Anton-von-Rieppel-Straße so lange, bis sie in die Wilhelminastraße mündet, und blickt von dort nach oben auf die Anhöhe, sieht man einen Neubau stehen. Genau an dieser Stelle stand früher das sog. „Haus Jungbrunnen“, das 2010 abgerissen wurde.
1926 hatte Adriaan Stoop ein Grundstück neben dem Franzosenwald mit einem Blick über das Tegernseer Tal und in der direkten Nähe des Kurbads erworben. Noch im gleichen Jahr ließ er dort ein gemütliches Landhaus im voralpenländischen Heimatstil nach den Plänen des Gmunder Architekten Alois Degano errichten. Es sollte als Ferien- und Gästehaus für den Gründer und Haupteigentümer des Jod-Schwefelbads Adriaan Stoop und seine Familie sowie für weitere Teilhaber der Jodschwefel GmbH dienen.
Es wurde damals auf den Namen „Jungbrunnen“ getauft und ein Schild mit diesem Namen an das Haus angebracht. Neben der Haustür von „Haus Jungbrunnen“ befand sich auf einem weiteren Schild ein schönes, niederländisches Gedicht, mit dem die Kinder der Stoops ihren Eltern zu Ehren das Haus einweihten. Das Bestreben der Eltern Stoop, andere glücklich zu machen, wurde hier mit der Wasserquelle verglichen, die unerschöpflich, warm und wolltätig entspringt:
Aan onze ouders
Gelyk de bron die warm en weldoend
Opwelt, zich niet uitput in het geven,
Zoo is, met nooit verflauwend streven
De geest waaruit dit huis ontstond:
Een liefde die haar volst beleven
Steeds in’t geluk van anderen vond.
An unsere Eltern
So wie die Quelle, die warm und wohltuend
Aufwallt, sich nicht erschöpft im Geben,
So ist, mit nie nachlassend' Streben
Der Geist, aus dem dies' Haus entstand:
Eine Liebe, die ihr vollstes Erleben
Stets im Glück von anderen fand.
(Übersetzung: Allard Everts)
(Privatarchiv Allard Everts)
Der Name Jungbrunnen
Dass Adriaan Stoops Haus auf den Namen „Jungbrunnen“ getauft wurde, verwundert nicht. Tatsächlich taucht der von einem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren stammende Name Jungbrunnen schon damals immer wieder als poetisches Synonym für das Jod-Schwefelbad auf. Überlieferte Prospekte aus den 1920er- und 1930er-Jahren setzten bei der Bewerbung des Jod-Schwefelbads am Tegernsee nicht nur auf die Einzigartigkeit seiner Heilquellen im deutschlandweiten Vergleich, sondern zogen noch einen weiteren Trumpf aus der Tasche: den vom „Jungbrunnen“, der vorzeitigem Altern vorbeuge und das Leben verlängere.
Eine klare Parallele zu unseren modernen Zeiten, in denen das Streben nach Alterslosigkeit höchste Priorität hat. Der Traum von der ewigen Jugend ist einer der ältesten der Menschheit. Recherchiert man die Begriffe „Wellness“, „Entspannung“, „Kuren“ oder auch „Erholung“, so trifft man auch heute stets auf den Terminus des „Jungbrunnens“, der inzwischen für alles Mögliche herhalten muss.
Werbeprospekt 1932 (Vorder- und Rückseite)
Tatsächlich hat man es beim Motiv des „Jungbrunnens“ mit einer Jahrtausende alten Vorstellungswelt und Geschichte zu tun. Grundlage dafür ist ein in vielen Kulturen entwickelter Schöpfungsmythos, in dem das Wasser eine Hauptrolle spielt. Aus ihm entstand alles Leben, es ist lebensbestimmend und -erhaltend. Mit dem Wunsch, die naturgemäße Alterung und den Verfall aufzuhalten, Schönheit, Gesundheit, blühendes Leben aufrechtzuerhalten, sind seit jeher Vorstellungen von Wasser als Symbol eines elementar verjüngenden Mediums verbunden und Leben, Wasser und Brunnen eng miteinander verknüpft. Dies spiegelt sich in verschiedensten Kulturen in zahlreichen Badeanlagen und -riten bis hin zu heutigen Orts- und Flurnamen wider.
Haus Jungbrunnen nach 1935
Als Adriaan Stoop 1935 starb, erbten seine Kinder das Haus. Von 1938 bis 1946 bewohnte es die Van Duyckink Sander Familie mit Tochter Henriette, spätere niederländische Historikerin. Henriette van Voorst Vader, die in Bad Wiessee in ihrer Jugend lebte, weil ihr Vater hier als Prokurist des Jod-Schwefelbads arbeitete, war diejenige, die 1995 eine Biographie über ihren Urgroßvater Adriaan Stoop schrieb und unter dem Titel Leven en Laten Leven veröffentlichte. Auf Deutsch: Leben und Leben lassen. Dieses Motto war laut Nachfahren von Adriaan Stoop auch die Lebensphilosophie von Stoop selbst und seiner Frau.
Buchcover von Stoops Biographie (Schuyt & Co)
Nach dem Zweiten Weltkrieg, von 1946 bis 1955, beschlagnahmten und bewohnten amerikanische Offiziere das Haus. Erst 1956 wurde es wieder an die Stoop-Familie zurückgegeben. Bis in die 1970er-Jahre nutzten die Nachfahren und Erben Stoops sowie weitere Teilhaber das Landhaus als Gästehaus und als Zeichen ihrer Verbundenheit mit Bad Wiessee. Schließlich siegte die Reiselust der Familie über die Nostalgie. Ferne Urlaubsziele wurden attraktiver. Haus Jungbrunnen wurde von ihnen verkauft und stand über 10 Jahre leer. Im Frühling 2010 wurde es ganz abgerissen. Versuche, es unter Denkmalschutz zu stellen, blieben erfolglos. Übriggeblieben sind viele Fotos und Gemälde.
Haus Jungbrunnen mit wechselnder Wandmalerei (Privatarchiv Allard Everts)
Hierauf folgend geht man nun an die Orte, an denen sich die beiden Jod-Schwefelquellen befinden, aus denen das Jod-Schwefelbad bis heute sein Jod-Schwefelwasser gewinnt. Dazu begibt man sich in die Wilhelminastraße und läuft sie in Richtung See hinunter.
Zur Station 10 von 11 Stationen
Geht man die Anton-von-Rieppel-Straße so lange, bis sie in die Wilhelminastraße mündet, und blickt von dort nach oben auf die Anhöhe, sieht man einen Neubau stehen. Genau an dieser Stelle stand früher das sog. „Haus Jungbrunnen“, das 2010 abgerissen wurde.
1926 hatte Adriaan Stoop ein Grundstück neben dem Franzosenwald mit einem Blick über das Tegernseer Tal und in der direkten Nähe des Kurbads erworben. Noch im gleichen Jahr ließ er dort ein gemütliches Landhaus im voralpenländischen Heimatstil nach den Plänen des Gmunder Architekten Alois Degano errichten. Es sollte als Ferien- und Gästehaus für den Gründer und Haupteigentümer des Jod-Schwefelbads Adriaan Stoop und seine Familie sowie für weitere Teilhaber der Jodschwefel GmbH dienen.
Es wurde damals auf den Namen „Jungbrunnen“ getauft und ein Schild mit diesem Namen an das Haus angebracht. Neben der Haustür von „Haus Jungbrunnen“ befand sich auf einem weiteren Schild ein schönes, niederländisches Gedicht, mit dem die Kinder der Stoops ihren Eltern zu Ehren das Haus einweihten. Das Bestreben der Eltern Stoop, andere glücklich zu machen, wurde hier mit der Wasserquelle verglichen, die unerschöpflich, warm und wolltätig entspringt:
Aan onze ouders
Gelyk de bron die warm en weldoend
Opwelt, zich niet uitput in het geven,
Zoo is, met nooit verflauwend streven
De geest waaruit dit huis ontstond:
Een liefde die haar volst beleven
Steeds in’t geluk van anderen vond.
An unsere Eltern
So wie die Quelle, die warm und wohltuend
Aufwallt, sich nicht erschöpft im Geben,
So ist, mit nie nachlassend' Streben
Der Geist, aus dem dies' Haus entstand:
Eine Liebe, die ihr vollstes Erleben
Stets im Glück von anderen fand.
(Übersetzung: Allard Everts)
(Privatarchiv Allard Everts)
Der Name Jungbrunnen
Dass Adriaan Stoops Haus auf den Namen „Jungbrunnen“ getauft wurde, verwundert nicht. Tatsächlich taucht der von einem Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren stammende Name Jungbrunnen schon damals immer wieder als poetisches Synonym für das Jod-Schwefelbad auf. Überlieferte Prospekte aus den 1920er- und 1930er-Jahren setzten bei der Bewerbung des Jod-Schwefelbads am Tegernsee nicht nur auf die Einzigartigkeit seiner Heilquellen im deutschlandweiten Vergleich, sondern zogen noch einen weiteren Trumpf aus der Tasche: den vom „Jungbrunnen“, der vorzeitigem Altern vorbeuge und das Leben verlängere.
Eine klare Parallele zu unseren modernen Zeiten, in denen das Streben nach Alterslosigkeit höchste Priorität hat. Der Traum von der ewigen Jugend ist einer der ältesten der Menschheit. Recherchiert man die Begriffe „Wellness“, „Entspannung“, „Kuren“ oder auch „Erholung“, so trifft man auch heute stets auf den Terminus des „Jungbrunnens“, der inzwischen für alles Mögliche herhalten muss.
Werbeprospekt 1932 (Vorder- und Rückseite)
Tatsächlich hat man es beim Motiv des „Jungbrunnens“ mit einer Jahrtausende alten Vorstellungswelt und Geschichte zu tun. Grundlage dafür ist ein in vielen Kulturen entwickelter Schöpfungsmythos, in dem das Wasser eine Hauptrolle spielt. Aus ihm entstand alles Leben, es ist lebensbestimmend und -erhaltend. Mit dem Wunsch, die naturgemäße Alterung und den Verfall aufzuhalten, Schönheit, Gesundheit, blühendes Leben aufrechtzuerhalten, sind seit jeher Vorstellungen von Wasser als Symbol eines elementar verjüngenden Mediums verbunden und Leben, Wasser und Brunnen eng miteinander verknüpft. Dies spiegelt sich in verschiedensten Kulturen in zahlreichen Badeanlagen und -riten bis hin zu heutigen Orts- und Flurnamen wider.
Haus Jungbrunnen nach 1935
Als Adriaan Stoop 1935 starb, erbten seine Kinder das Haus. Von 1938 bis 1946 bewohnte es die Van Duyckink Sander Familie mit Tochter Henriette, spätere niederländische Historikerin. Henriette van Voorst Vader, die in Bad Wiessee in ihrer Jugend lebte, weil ihr Vater hier als Prokurist des Jod-Schwefelbads arbeitete, war diejenige, die 1995 eine Biographie über ihren Urgroßvater Adriaan Stoop schrieb und unter dem Titel Leven en Laten Leven veröffentlichte. Auf Deutsch: Leben und Leben lassen. Dieses Motto war laut Nachfahren von Adriaan Stoop auch die Lebensphilosophie von Stoop selbst und seiner Frau.
Buchcover von Stoops Biographie (Schuyt & Co)
Nach dem Zweiten Weltkrieg, von 1946 bis 1955, beschlagnahmten und bewohnten amerikanische Offiziere das Haus. Erst 1956 wurde es wieder an die Stoop-Familie zurückgegeben. Bis in die 1970er-Jahre nutzten die Nachfahren und Erben Stoops sowie weitere Teilhaber das Landhaus als Gästehaus und als Zeichen ihrer Verbundenheit mit Bad Wiessee. Schließlich siegte die Reiselust der Familie über die Nostalgie. Ferne Urlaubsziele wurden attraktiver. Haus Jungbrunnen wurde von ihnen verkauft und stand über 10 Jahre leer. Im Frühling 2010 wurde es ganz abgerissen. Versuche, es unter Denkmalschutz zu stellen, blieben erfolglos. Übriggeblieben sind viele Fotos und Gemälde.
Haus Jungbrunnen mit wechselnder Wandmalerei (Privatarchiv Allard Everts)
Hierauf folgend geht man nun an die Orte, an denen sich die beiden Jod-Schwefelquellen befinden, aus denen das Jod-Schwefelbad bis heute sein Jod-Schwefelwasser gewinnt. Dazu begibt man sich in die Wilhelminastraße und läuft sie in Richtung See hinunter.
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