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Badehaus mit Quellentempel 1913 (Gemeindearchiv Bad Wiessee)

Adrian-Stoop-Straße 37

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Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Die Adrian-Stoop-Straße 37 ist ein denkwürdiger Ort. Hier, wo heute das in den 1970er-Jahren errichtete achteckige weiße kleine Pumphaus steht, stand 1909 der Bohrturm Nr. 3. Als Adriaan Stoop am 27. Mai in Bohrloch 3 hier nach Erdöl bohren ließ, strömte statt Öl aus einer Tiefe von 676 Metern plötzlich unfassbar übelriechendes Wasser aus dem Bohrloch. Pro Minute rannen etwa 600 Liter in den See. Weiteres Bohren ließ den Strom beständig zunehmen, bis es unter intensivster Gasentwicklung mit solcher Wucht aus einer Tiefe von 713 Metern emporsprudelte, dass eine weitere Vertiefung des Bohrlochs nur unter schwersten Verhältnissen erfolgen konnte. Die Gase, in der Hauptsache Methan und Schwefelwasserstoff, durchzogen mit ihrem Gestank nach faulen Eiern die ganze Wiesseer Landschaft. Von diesem Ereignis sind faszinierende Fotos aus dem Jahr 1909 überliefert. Sie zeigen, wie die durch ein zweizolliges Rohr sprudelnde Quelle im Bohrturm damals aussah.

König-Ludwig-III.-Quelle 1909 (Privatarchiv Allard Everts)

Hatte sich die Bevölkerung zu diesem Zeitpunkt mit den Erdölbohrungen, die noch bis 1912 erfolgten, bereits abgefunden, so lebte die Erregung gegen das Bohrwerk nun wieder auf. Man verklagte die Petroleumgesellschaft, die mit der Verunreinigung der gesunden Tegernseer Gebirgsluft – wie es damals hieß – den blühenden Fremdenverkehr dem Ruin entgegenführte. Der Umschwung folgte ein Jahr später.

Stärkste Jod-Schwefelquelle Deutschlands

Die balneologische Untersuchung des Wassers in Wiesbaden, im chemischen Laboratorium Fresenius, die der Wiesseer Arzt Erwin von Dessauer veranlasste, sorgt für eine Sensation: Es wird festgestellt, dass die in Wiessee entdeckte Quelle mit 34 mg Jod.Ion und 104 gr reinem Schwefel auf 1 kg Wasser als die stärkste Jod-Schwefelquelle Deutschlands bezeichnet werden muss. Bereits 1910 werden die ersten 1.000 Jod-Schwefelbäder in der Wärmestube der Bohrwerksbelegschaft abgegeben, wo man auf Anregung des Wiesseer Arztes Erwin Dessauer zwei einfache Badekabinen hatte einrichten lassen. 1911 steigt die Badefrequenz bereits um 100 Prozent. Auch wenn Stoop noch immer auf einen erfolgreichen Ölhandel hofft, beschließt er ein Kurhaus bauen zu lassen.

Weg von der Ölförderung hin zum Bad – Das erste Badehaus

Badehaus mit Bohrturm 1912 (Privatarchiv Allard Everts)

Tatsächlich findet 1912 der Wechsel von der Ölförderung hin zum gezielten Ausbau des Badebetriebs statt. Adriaan Stoop verfügt in diesem Jahr die Einstellung der Erdölbohrungen. Das Heilbadgelände wird Kurschutzgebiet. Nach Rücksprache mit Erwin Dessauer, der Stoop das Potential des Jod-Schwefelwassers bewusst macht, erteilt der geschäftstüchtige Niederländer dem Gmunder Architekten Alois Degano den Auftrag, das erste Badehaus mit 12 Badekabinen unweit der Jod-Schwefelquelle errichten zu lassen. Noch 1912 wird es eröffnet. Von diesem ersten Badehaus sind schöne Fotos und alte idyllische Postkarten überliefert.

Schon bald wird das Badehaus zu klein. 1913 wird es erweitert. Die Anzahl der Badewannen wird auf 28 erhöht und die Anzahl der Bäder steigt auf 10.0000. In den folgenden Jahren wird wiederholt umgebaut und erweitert, um den Andrang zu bewältigen. In den ersten Jahren kommen die Kurgäste mit dem Zug zum Tegernsee. Ab Haltestelle St. Quirin überqueren sie per Boot den Tegernsee zum Jodbad. Einige Jahre später, nachdem der Weg nach Gmund verbessert worden ist, ist das Auto das beliebteste Transportmittel.

Postkarte 1912 (Gemeindearchiv Bad Wiessee)

König-Ludwig-III.-Quelle – Quellentempel

1913 wird der Bohrturm über dem Bohrloch 3 durch einen Quellentempel ersetzt, in dem nun das Heilwasser emporsprudelt. Die 1909 entdeckte Jod-Schwefelquelle erhält in diesem Jahr mit Einverständnis von König Ludwig III. den Namen „König-Ludwig-III.-Quelle“. Stoop ersetzt jetzt den Namen „Erste Bayerische Petroleum Gesellschaft“ durch „Jod- und Schwefelbad Wiessee GmbH“, womit der Wandel von der Erdölförderung zum Heilbad definitiv vollzogen ist.

Hölzerne Trink-Wandelhalle

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, stagniert die Entwicklung des Jodbades kurzfristig. 1917 wird dann entschieden, neben das Jod-Schwefelbad eine halboffen hölzerne, 60 m überdachte Trink-Wandelhalle (mit integriertem Pavillon) zu bauen, in der die Kurgäste bei schlechtem Wetter das Jodwasser, das langsam spazierengehend getrunken werden muss, zu sich nehmen zu können. Diese hölzerne Wandelhalle, die 1934 wieder abgerissen wird, stand auf dem Gelände der 1935 erbauten zweiten Wandelhalle. Ein Pavillon als Restbestand befindet sich noch heute an der Seepromenade (Station 8).

Wiessee wird zu Bad Wiessee – Adriaan Stoop wird Ehrenbürger

Adriaan Stoop (r.) mit Bruder Kaes vor der hölzernen Wandelhalle (Privatarchiv Allard Everts)

Der 30. Juni 1922 ist ein denkwürdiger Tag: Die Kammer des Inneren erlässt den Bescheid: Im Einverständnis mit den Staatsministerien der Justiz und der Finanzen wird genehmigt, dass die Gemeinde Wiessee, Bezirksamt Miesbach, künftig den Namen „Bad Wiessee“ führt. Anlässlich dieses festlichen Ereignisses entscheiden der Gemeinderat und der Bürgermeister Leonhard Sanktjohanser, Stoop zum Ehrenbürger des neugeborenen Bad Wiessees zu machen „in Anerkennung seiner Verdienste um die Entstehung des Jod- und Schwefelbades Wiessee“. Henriëtte van Voorst Vader-Duyckinck Sander zufolge hat ihr Urgroßvater Adriaan Stoop sowohl das Wappen als auch die Fahne von Bad Wiessee mitgestaltet und bezahlt. In den 1920er-Jahren entwickelt sich Bad Wiessee zu einem international berühmten Kurort, wird fortan von tausenden von Gästen besucht, darunter auch König Ferdinand von Bulgarien.

Adriaan Stoops 70-jähriger Geburtstag – Theateraufführung

Anlässlich des 70. Geburtstages von Adriaan Stoop wird 1926 (zuerst in den Niederlanden in Bloemendaal) zu Ehren von Stoop ein Theaterstück aufgeführt, dass den Namen Wonderbron trägt, auf Deutsch: Wunderbrunnen. Geschrieben hatte es Cor Langelaan-Stoop (1883-1965), die zweite Tochter von Adriaan Stoop. Das aus 6 Akten bestehende Theaterstück, das teilweise auf Niederländisch, Hochdeutsch und Bairisch verfasst ist, und zu dem auch stimmungsvolle Fotos mit Bad Wiessee als Kulisse überliefert sind, handelt von Stoops Entdeckung der Jodschwefel-Quelle, erzählt witzig und humorvoll die Geschichte der Entstehung des Jodschwefel-Bades in Bad Wiessee. Panoramaartig präsentiert es reale und fiktive Diskussionen, Geschehnisse und Persönlichkeiten aus dem damaligen Bad Wiessee, begleitet von musikalischen Darbietungen.

In den ersten beiden Akten erlebt man Siegmund, den hl. Quirinus und den damaligen Bürgermeister Sanktjohanser. Im dritten Akt, der die Ablösung der Erdöl- durch die Jodschwefel-Ära vorführt, streiten Berggeist und Quellgeist, Bruder und Schwester, darüber, ob man den Menschen überhaupt die Schätze der Erde zur Verfügung stellen soll. Der Berggeist, Besitzer der Erdölquellen, will sie den Menschen in Bad Wiessee nicht geben. Er macht sich lustig über ihre letztlich erfolglosen Erdölbohrungen, die er blockiert hat, um die Menschen zu ärgern. Demgegenüber ist der menschenfreundliche Quellgeist der Auffassung, dass die Schätze der Erde existieren, um den Bedürfnissen der Menschen zu dienen. Er entscheidet sich seinen Schatz, die Jodschwefel-Quellen, den Menschen zu ihrem Wohl zur Verfügung zu stellen. Im 4. Akt wohnt man dem Gespräch zwischen Prof. Fresenius aus Wiesbaden und der Hotelinhaberin Frau Beil über den Nutzen der neuentdeckten Wunderquelle bei. Im 5. Akt wird gezeigt, wie die neu entdeckte Wunderquelle Kranke und Alte heilt. Vorgeführt werden verkrüppelte und krumme Bauern auf Stöcken, die ins neuerbaute Badehaus verschwinden und dieses wenig später jung und gesund wieder verlassen. Danach folgt noch eine lustige Geschichte über König Ferdinand von Bulgarien, der in Bad Wiessee im Kurbad die ewige Jugend sucht, und über die lokale Schönheit Lis'l, die sich bereits wie die Königin von Bulgarien fühlt. In der Zwischenzeit wird Stoop zum Ehrenbürger ernannt, und es melden sich gierige deutsche Investoren, die das Bad für Goldmark kaufen wollen. Aber Stoop bleibt seiner Mission und Bad Wiessee treu.

Von diesem Theaterstück, dessen Setting von der Tegernseer Theatertradition beeinflusst ist, sind Fotos überliefert.

Szene aus der Theateraufführung (Privatarchiv Allard Everts)

Wilhelmina-Quelle 1930

Weil Stoop nicht von einer einzigen Jod-Schwefelquelle abhängig sein will und ihm auch der wechselnde Wasserdruck der König-Ludwig-III.-Quelle Sorgen macht, lässt er 1930 eine Tiefenbohrung an einer Stelle der heutigen Wilhelminastraße ausführen. (Station 10). Tatsächlich werden die Arbeiter in 632 Metern Tiefe fündig. Man erbohrt eine neue Quelle, die man „Wilhelmina-Quelle“ nennt, nach dem Namen von Stoops Frau und der niederländischen Königin Wilhelmina (1880-1962). In der Zusammensetzung gleicht die neuerbohrte Quelle der ersten, nur die Temperatur ist etwas anders. Fortan bezieht das Jod-Schwefelbad also aus zwei Jod-Schwefelquellen sein Heilwasser.

Vorausschauend erwähnt sei, dass man 1978 die Förderung der König-Ludwig-III.-Quelle einstellt. Als sie 1974 eruptiert und jede Menge Paraffin herausschleudert, legt man sie erstmals still, stellt den Förderbetrieb ein und sperrt das Gelände weiträumig ab. Als 1978 auch das Wasser nicht mehr selbstständig aus der Quelle emporstrudelt und die Produktion aus der Pumpe für eine Förderung zu unregelmäßig wird, wird die Quelle versiegelt. Das in den 1970er-Jahren errichtete charakteristische achteckige weiße Pumphaus steht aber noch heute in der Adrian-Stoop-Straße 37.

Adriaan Stoops Tod

Im Herbst 1934 besucht Adriaan Stoop Bad Wiessee das letzte Mal. September 1935 stirbt er mit 78 Jahren in Bloemendaal, ein halbes Jahr zuvor verstarb seine Frau. An der Begräbnisfeier in Holland nimmt auch der damalige Bad Wiesseer Bürgermeister Josef Albrecht teil. Am 10. September findet in Bad Wiessee eine Trauersitzung und Gedächtnisfeier für Adriaan Stoop in der 1935 neuerbauten Wandelhalle statt, die man von hier aus auf dem Abrissgelände noch sehen kann. In einem Schreiben vom 8. September hat Bürgermeister Josef Albrecht Kurgäste und Gemeindeangehörige zur Trauerfeier so eingeladen: „Es wird bestimmt erwartet, dass dieser Weihestunde alle Gemeindeangehörigen in tiefem Dankbarkeitsgefühl und in Anerkennung der großen Verdienste des Herrn Stoop beiwohnen. (Erscheinen in dunkler Kleidung, keine Uniform!)“

Adriaan Stoop wird als Wohltäter des Tegernseer Tals allseits gewürdigt. Der Vorstand des Bezirksamts Miesbach schreibt am 10. September in einem Beileidsschreiben:

Der Verblichene, dessen Lebenslauf so eng mit der Geschichte des Bades Wiessee verknüpft ist und dessen unermüdlicher Tatkraft und Opferbereitschaft der Aufstieg und die Entfaltung des Bades zu einem der schönsten und wichtigsten Kurorte Deutschlands zu verdanken ist, war auch ein großer Wohltäter des ganzen Bezirks und dessen Anstalten. In tiefer Trauer und Erschütterung gedenkt daher auch die Bevölkerung des ganzen Bezirks des edlen Verblichenen und wir Alle werden das Andenken an diesen großen und seltenen Mann stets hoch in Ehren halten.

Die Tegernseer Zeitung vom 10. September widmet gleich eine ganze Seite dem Leben und den Errungenschaften Stoops, feiert sein Jodschwefelbad. Der Verkehrsverein Rottach-Egern e.V. dankt ihm für die Förderung der Fremdenverkehrsinteressen und die Mitfinanzierung der Wallbergstraße:

Ein schwerer Schlag hat Sie und die Gemeinde Bad Wiessee getroffen. Herr Generaldirektor Adriaan Stoop der weitblickende Förderer der Fremdenverkehrsinteressen und damit der Existenz der Bevölkerung auch von Rottach-Egern ist von uns gegangen. Noch in letzter Zeit hat er mit zielsicherem Blick den durch uns unternommenen Bau der Wallbergstraße durch materielle Unterstützung gefördert und damit seinen Namen mit diesem großen Projekt, das in Zukunft dem allgemeinen Wohle dienen wird, für immer verbunden.

Wie ging es ohne Stoop, nach seinem Tod weiter? Diese Frage wird in dem Theaterstück Meginharts Erbe, das 1954 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Jod-Schwefelbades in der Wandelhalle aufgeführt wurde, in einer im Himmel spielenden Szene zwischen Petrus und Pater Meginhart folgendermaßen beantwortet:

Petrus Ja, ist denn dann nicht alles drunter und drüber gegangen, wie er abberufen wurde?

Meginh. Oh nein! Stoop hatte von Anfang an einen Mitarbeiter, der ihn in allen Dingen unterstützte und sich mit aller Energie und ganzer Hingabe für das Gelingen einsetzte, André Driessen ist sein Name. Alle Mühe und Sorgen, die Opfer und dann die Arbeit des Aufbaues hat er mit ihm geteilt und als Stoop verschied, hat er das Werk fortgesetzt. Dass Wiessee sich so entwickelt, einen solchen Aufschwung genommen hat, ist auch André Driessens Verdienst.

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen

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