https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2021/klein/HCM_in_BerlinmitToechtern_klein.jpg
Hedwig Courths-Mahler mit Friede Birkner (l.) und Margarete Elzer (r.) (Hedwig Courths-Mahler-Archiv - Stadt Nebra)

Rottach: Gemeindefriedhof an der Auferstehungskirche

https://www.literaturportal-bayern.de/images/lpbplaces/2021/klein/HCM_FriedeBirknersGrab_500.jpeg
Grab Friede Birkners. Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Nicht weit von der katholischen Pfarrkirche Rottach-Egern entfernt steht inmitten einer Wiese die evangelische Auferstehungskirche, die von dem Münchner Architekten Olaf Andreas Gulbransson (1916-1961), Sohn des in Tegernsee lebenden Karikaturisten Olaf Gulbransson (1873-1958) von 1953 bis 1955 errichtet wurde. Mit ihrem tief heruntergezogenen Dach gleicht die eigenwillige Kirche einem Bergvogel, der seine Jungen schützend unter sich beherbergt. Olaf Gulbransson, der Architekt, wurde 1961 auf dem nahegelegenen Friedhof beigesetzt. Auch sein Vater Olaf Gulbransson, der Maler und Porträtist Paul Mathias Padua (1903-1981), die Schriftsteller Heinrich (1887-1955) und Alexander Spoerl (1917-1978) sowie die Schriftstellerinnen Grete Weil (1906-1999) und Friede Birkner (1891-1985) haben hier ihr Grab. 

Seit 1935 war Rottach-Egern der Wohnort der 1891 geborenen Bestsellerautorin Friede Birkner gewesen. Birkner verstarb am 17. Januar 1985 im Alter von 94 Jahren im benachbarten Kreuth. Am 23. Januar 1985 wurde sie auf dem Gemeindefriedhof Rottach-Egern bestattet.

Als Hedwig Courths-Mahler mit Mann und Töchtern 1935 nach Tegernsee zog, hatte sie Tochter Friede, die sich zehn Jahre nach ihrer Heirat von ihrem zweiten Mann, dem Musikverleger Anton Bock, 1934 getrennt hatte, ein eigenes Haus im Birkenweg 6 gekauft. 1937 heiratete sie dann in dritter Ehe Fritz Stein (1898-1977), NSDAP-Mitglied und SS-Angehöriger, der mit ihr in diesem Haus zusammen wohnte. Tatsächlich verweigerte man Fritz Stein die angestrebte Gestapo-Karriere, weil er eine „Kommunistin“ geheiratet hatte. Friede Birkner wurde 1941 wegen defätistischer Äußerungen von einer während des Krieges im Haus ihrer Mutter einquartierten Nazifamilie denunziert. Nach eigener Darstellung wurde sie zu 29 Monaten Haft verurteilt, die sie wegen einer Blutvergiftung nicht vollständig absitzen musste.

Bereits seit 1918 schrieb auch sie Unterhaltungsromane nach dem Erfolgsrezept ihrer Mutter. Diese trugen so sprechende Titel wie Die vier Glückskinder vom Kleeblattschloß (1925), Das Glück der Gladys Petersen (1928), Wurstelpeter (1928), Die Welt ist ein Dorf (1939), Bei uns geht es drunter und drüber (1939), Alice und ihre Freier (1950), Eine mutige Frau (1951), Seine Ohrfeigen hat er weg, Leonore (1952), Frechheit siegt (1955) und Amor auf Schleichwegen (1983).

Friede Birkner (Hedwig Courths-Mahler-Archiv - Stadt Nebra) 

Als Friede Birkner am 24. April 1981 ihren 90. Geburtstag in Rottach feierte, hatte sie mit 262 Romanen ihre inzwischen legendäre Mutter tatsächlich um 30 weitere Bände übertroffen. Grund genug für Birkners Verlag in Bergisch Gladbach, ihren Geburtstag groß zu feiern und seiner Bestsellerautorin alle Ehre angedeihen zu lassen. Hochleben ließ ihre Ehrenbürgerin auch die Gemeinde Rottach-Egern, der sie ihr Haus samt Grundstück geschenkt hatte. Für Birkner veranstaltete die Gemeinde im Kursaal eine Festaufführung von Ludwig Thomas Einakter Die kleinen Verwandten. Die Festansprache hielt der Verleger Gustav Lübbe. Am gleichen Tag gab es auf Einladung des Lübbe-Verlages im Hotel Überfahrt ein Mittagessen für geladene Gäste.

Wie Friede Birkners Rechtsanwalt und enger Vertrauter Horst Billenkamp berichtet, fiel es ihr aufgrund eines kranken Beines ab 1982 zunehmend schwer, das Haus zu verlassen. 1984 habe sich ihr Gesundheitszustand derart verschlechtert, dass sie nicht mehr selbst zur Feder greifen, geschweige denn ihre geliebte Schreibmaschine in Bewegung setzen konnte. Auch das Lesen und Telefonieren ging nicht mehr. Die Einnahmen von Friede Birkner flossen aus dem Lübbe-Verlag und aus den Verfilmungen verschiedener Bücher ihrer Mutter, die im TV-Fernsehen gezeigt wurden. Über diesen Geldsegen war sie bis zuletzt sehr stolz und glücklich.

Aus Friede Birkners Schreibwerkstatt

Wie ihre Mutter und Schwester hat auch Friede Birkner Einblicke in ihre Schreibwerkstatt gegeben und erzählt, wie sie Romane schrieb und zu Buchideen kam, was sie alles inspirieren konnte, ein Titel, ein Satz oder eine Person, die ihr in den Sinn kamen oder vor Augen traten:

Oft fragt man mich, wie ich eigentlich meine Romane schreibe. Hm – wenn darauf die Antwort so leicht wäre! Wie mache ich es eigentlich?

Manchmal habe ich den Titel zuerst, der bleibt mir im Gedächtnis, und ich komme nicht wieder davon los. Oder es ist nur ein Satz – um diesen dann bringen zu können, muß ich einen ganzen Roman schreiben, die tollsten Umwege einschlagen, die abenteuerlichsten Handlungen konstruieren, bis endlich der Held oder die Heldin eben diesen Satz anbringen kann. So ergeht es mir zur Zeit bei meiner neuesten Arbeit Die Herzogin und ihr Vasall. Da schreibe und schreibe ich, bis ich endlich mit meinen handelnden Personen im tiefsten Dschungel bin – – da endlich kommt der Satz: „Ihr dürft um alles nichts tun, was wir bereuen würden, wenn wir wieder unter zivilisierten Menschen sind, vergeßt das nicht!“ Nun, auf der 215. Seite endlich, bin ich bis dahin gelangt, – und bald ist dann die Arbeit fertig. Es kann aber auch sein, daß mich eine Person, die ich kenne oder beobachte, zu einer Romanidee anregt, wie in dem vorliegenden Roman der Tierbildhauer, ein großer Künstler, den ich bald dreißig Jahre kenne. Diesen Menschen versuche ich zu schildern… aber ein genaues Rezept, wie ich meine Romane schreibe, kann ich nicht verordnen.

(Delphin-Band, Nr. 287)

Friede Birkner an ihrer Schreibmaschine (Gemeindearchiv Rottach-Egern) 

 


Zur Station 5 von 5 Stationen


 

Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen