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Hedwig Courths-Mahler mit Friede Birkner (l.) und Margarete Elzer (r.) (Hedwig Courths-Mahler-Archiv - Stadt Nebra)

Friedhof Tegernsee

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Familiengrab. Foto: Ingvild Richardsen (TELITO)

Das Grab von Hedwig Courths-Mahler liegt auf dem Friedhof in Tegernsee. Nicht nur sie und ihr Mann sind in diesem Familiengrab bestattet, sondern auch Tochter Margarete und deren Ehemann Karl Elzer. Auch der Name von Friede Birkner steht auf dem Familiengrabstein, tatsächlich begraben ist sie aber auf dem Friedhof in Rottach-Egern. Was nur noch auf einem alten überlieferten Foto sichtbar ist: Auf der heute mit Pflanzen überwachsenen Grabplatte haben Friede Birkner und Margarete Elzer 1950 anlässlich des Todes ihrer Mutter „Arbeit adelt“ als Inschrift in den Stein meißeln lassen.

Tod

Hedwig Courths-Mahler war am 26. November 1950, an einem Totensonntag um 12:30 Uhr, in ihrem Haus am Tegernsee im Beisein ihrer beiden Töchter gestorben. Diese haben den Sterbeplatz ihrer berühmten Mutter fotografiert, ihre Hände und auch ihre letzten Worte in einem Album festgehalten. Verstorben ist sie in einem Schaukelstuhl in ihrem Schlafzimmer, ihre letzten Worte lauteten: „aber hast mir zuviel gegeben“. Auf was genau sich diese letzten Worte der Autorin beziehen ist nicht überliefert.

Ebenso wie der Todestag der Bestsellerautorin die Symbolik eines großen Abschlusses in sich trägt, ebenso symbolisch ist der Titel ihres zuletzt geschriebenen Romans Flucht in den Frieden. Dieser erschien 1948 unter der Aufsicht des militärischen US Military Government in einem Nürnberger Verlag. Mit diesem Titel rundete sie ihr Lebenswerk auf 207 Romane ab. Ein Schaffensreichtum, der Bewunderung und tiefe Achtung abnötigt.

Flucht in den Frieden

Das Vorwort zu ihrem letzten Buch klingt wie ein Testament. Erschüttert von der Zeit des Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg wollte sie sich mit Flucht in den Frieden nicht nur selbst vom eigenen Leid befreien, sondern vor allem auch ihren Leserinnen und Lesern ein paar Stunden Frieden geben:

In diesem Buche versuche ich ein Friedensasyl zu beschreiben, wie es wohl in unseren Wunschträumen zuweilen lebendig wird, wenn wir an all die Jahre des Jammers und der Not zurückdenken, die hinter uns liegen und die auch jetzt noch zu überwinden sind.

All die Jahre, in die uns ein wahnwitziger Despotismus gestürzt hat, in denen es nur Not und Tod, Grauen und Leid, Konzentrationslager, Denunziantentum, Machtgier, Hunger, Frost, Leid, Tyrannei und Bosheit gab, in denen einer im andern nur seinen Feind, seinen Unterdrücker sehen mußte, in denen unser liebes Vaterland zum Spielball gewissenloser sadistischer Menschen geworden war. In all der Zeit sehnten wir uns nach Ruhe und Frieden, nach ungestörter Arbeit, nach Liebe und Güte, nach Vertrauen und Verständnis. Diese Sehnsucht hat auch mich getrieben, als ich dieses Buch schrieb, das mich im Inneren von schlimmen Leid befreien sollte. Ich weiß, ich schreibe nur ein Märchen, aber ich hoffe, damit manchem leidgeprüften Herzen wenigstens auf Stunden ein Paradies des Friedens vorzuzaubern. Wir wollen uns in eine Welt des Friedens flüchten, in der unsere Herzen ein Ausruhen und neue Kraft zum Tragen alles Leides finden.

In Flucht in den Frieden führt sie Hanna Westermann vor, eine junge Frau, die mit starker innerer Anteilnahme die Not der Zeit erlebt. Sie, die sich selber nur knapp über Wasser halten kann, versucht anderen, so gut sie kann, zu helfen. Mit spezifischen Charaktereigenschaften gelingt es ihr, sich das Glück günstig zu stimmen. Auf dem Umweg über eine aus heiterem Himmel kommende Einladung und Reise nach Chile schafft sie es, ihren Lebenstraum zu verwirklichen: sich selbst ein eigenes Zuhause zu geben und auch andere glücklich zu machen. Im werbenden Buchklappentext kann man lesen:

Das ist der Rahmen zu einer Handlung, die die riesige Courths-Mahler Gemeinde ganz besonders freudig verfolgen wird. Aber –, kann man es bei dieser Verfasserin anders erwarten? [...] Besonders auffällig ist bei den Romanen der berühmten Verfasserin immer das eine: mit ganz großem Geschick versteht sie es, Tagesfragen, die uns alle angehen, in den Mittelpunkt ihrer fesselnden Romanhandlungen zu stellen. So auch hier.

Buchcover Flucht in den Frieden von Hedwig Courths-Mahler

Bestattung

Als die Nachricht von Courths-Mahlers plötzlichem Tod bekannt wurde, trafen von überallher Zeichen der Anteilnahme, Kranzspenden und Beileidserklärungen auf dem „Mutterhof“ ein: aus Deutschland, Westafrika, England, Italien und vielen anderen Ländern.

Die nüchterne Todesanzeige spiegelte wieder, dass Courths-Mahler jede Form eines ihr gewidmeten Personenkultes ablehnte. Am 30. November 1950 um 12:30 Uhr wurde sie im Münchner Ostfriedhof feuerbestattet. Die feierliche Beisetzung ihrer Urne fand im kleinen Kreis in Tegernsee statt, bei dem der Tegernseer Pfarrer Dr. Naumann einen ehrenden Nachruf hielt. Zugrunde legte er dabei den Text Gott aber sei Dank für seine unaussprechliche Gabe“. Er würdigte das stille Wirken der Courths-Mahler, welches die Herzen einer Lesergemeinde von vielen Millionen gefunden habe und stellte fest: Wer über 200 Romane geschrieben hat, die eine Auflage von 28 Millionen erlebten, muss schon besondere Gaben besessen haben. Für die Gemeinde Tegernsee legte Bürgermeister Weilhammer als Zeichen der Verbundenheit mit der sehr verehrten Mitbürgerin einen Kranz nieder.

Fortan übernahmen Margarete Elzer und Friede Birkner das Nachlassmanagement für das Werk ihrer Mutter. Neue Verträge standen ins Haus. In den 1950er- und 1960er-Jahren erlebten die Werke Courths-Mahlers zuerst im Rahmen privater Leihbibliotheken eine Renaissance. Dies führte in den 1970er-Jahren zu fünf Neuverfilmungen. Der Verlag Bastei Lübbe wurde nach dem Delphin Verlag die neue Heimat ihrer Romane und publizierte eine Neuauflage in zwei Reihen.

Margarete Elzer (1889-1966)

Auch Margarete Elzer, die als Anna Elisabeth Margarete Courths am 19. Oktober 1889 in Halle an der Saale geboren wurde, liegt im Familiengrab. Sie war ebenfalls eine erfolgreiche Schriftstellerin. Zwischen 1921 und 1966 veröffentlichte sie nach dem Rezept der Mutter über 100 Romane, mit Titeln wie Fahrt ins Glück, te Gernsbachs Ehe, Peter Schellings EroberungGea Walbergs Liebe, Die blonde Dulderin, Liebe auf den ersten Blick, Der Mann ihres Herzens, Ursula ist überflüssig und Mein Herz gehört Eva.

Auch Elzer hat Einblicke in die familiäre Romanproduktion am Tegernsee gegeben und Interessantes aus der Schreibwerkstätte ihrer Mutter und ihrer eigenen erzählt.

Zu den Titeln der Romane

Was für eine große Rolle der Titel für den Erfolg eines Buches spielt, dazu hat sich Margarete Elzer in Jedes Kind braucht einen Namen geäußert. Hier erzählt sie, dass und wie die Titel der Romane Hedwig Courths-Mahlers im engsten Familienkreis produziert wurden, wenn diese einen Roman fertiggestellt hatte:

Der Titel eines Werkes ist wie das Schaufenster eines Geschäftes oder wie das Türschild an der Wohnung. Er ist der Ruf an das Publikum, der „ankommen“ muß. Beinahe alle Menschen wählen mindestens den ersten Roman, den sie lesen, nach dem Titel aus. Ein Schriftsteller, der sich seiner Aufgabe bewußt ist, nimmt daher die Wahl des Titels sehr ernst.

Wenn unsere Mutter, Hedwig Courths-Mahler, mit einer Arbeit fertig war, dann erlebten wir eine der wenigen Stunden, in denen sie sich der Familie widmete. Es gab gewöhnlich so etwas wie ein kleines Fest. Und nach dem Essen erzählte unsere Mutter erstaunlich kurz und klar die Handlung der soeben vollendeten Arbeit. Vorher sprach sie niemals davon. Sie konnte auch nicht vertragen, dass einer von uns ihrem Schreibtisch zu nahe kam.

Wenn der neue Roman also erzählt war, dann begann die Arbeit. Wir sannen der Erzählung nach, und jeder Vorschlag wurde aufgeschrieben. Denn es war wichtig, wie der Titel aussah. Danach wurde abgestimmt. Und zuletzt zeichnete mein Vater, der viele Umschlagszeichnungen für Courths-Mahler-Romane entworfen hat, die Titel der engeren Wahl in Schrift. Daraus wurde mit dem mühevoll und sorgfältig ausgewählten Titel eingesandt und dann erschienen die Arbeiten oft unter Titel, die uns mit blankem Entsetzen erfüllten. So kam in einer Zeitschrift der Roman Griseldis unter dem Titel: Ging da nicht das Glück vorüber heraus. So etwas konnte dann in der ganzen Familie tiefe Niedergeschlagenheit oder auch anhaltendes Gelächter auslösen.

Allerdings hat unsere Mutter später solche Änderungen nicht mehr geduldig hingenommen, sondern darauf bestanden, daß man die von ihr bestimmten Titel wählte.

(Delphin-Band, Nr. 222)

Margarete Elzer (Hedwig Courths-Mahler-Archiv - Stadt Nebra)

Wie Margarete Elzer zu Romanstoffen kam

In Ein kleiner Blick in meine Werkstatt berichtet Margarete Elzer, wie sie sich auf einer Bahnfahrt den Roman Die Einsame ausgedacht hat. Dabei erfährt man auch ganz Grundsätzliches: welches Umfeld sie am meisten zu Romanideen inspirierte und auf welche Weise die Gedanken, die sie sich zu einem bestimmten Thema machte, schließlich in einem Romanstoff endeten und zu einer Romanhandlung führten:

Ein kleiner Blick in meine Werkstatt

Da neben einem heißen Bad für meinen Kopf das Eisenbahnfahren die anregendste Wirkung hervorruft, begann ich sofort „zu spinnen“, als ich zu Beginn meiner Ferienfahrt durch Thüringens schöne Gauen an Gehöfte, in deren stundenweiten Umkreis keine andere menschliche Wohnung zu entdecken war, vorbeifuhr. Ich malte mir aus, wie in solchen gottverlassenen Winkeln alte Sitten, alter Aberglaube erhalten geblieben ist. Welche Schwierigkeiten das Herbeischaffen der täglich benötigten Lebensgüter verursachen und wie die einsamen Bewohner bei der und jener Lebenskatastrophe handeln müßten. So entstand im Handumdrehen die heute meinem Leser vorliegende Geschichte, in der ebenfalls eine Frau in solcher Einsamkeit lebt. [...]

Ich dachte mir weiter aus, wie es einem Großstädter zu Mute sein muß, den das Leben plötzlich in die Einsamkeit verbannt. Auch bewegte mich das Problem, aus welchen Gründen ein Städter freiwillig in die Einsamkeit flüchten mußte. Dieses, und tausend andere Gedanken brachten mir den Roman Die Einsame ein.

Die Bahnfahrt, die mich quer durch das damals ungeteilte Deutschland nach Aachen führte, war mir erstaunlich schnell vergangen, und ich konnte es kaum glauben, als ich bereits am ersten Ziel angekommen war. Von hier aus wollte ich über Belgien und quer durch das schöne Frankreich hindurch nach Riviera reisen. Da ich mir auf der verflossenen Bahnfahrt die Handlung dieses Romanes gänzlich ausgedacht hatte, war ich wundervoller Ferienstimmung. Diejenigen unter meinen Lesern, die annehmen sollten, daß ich den Romanstoff auf meine weitere Reise vergessen könnte, dürfen versichert sein, daß nicht ich einen Stoff habe, sondern der Stoff hat mich. Das heißt also, daß ein Vergessen unmöglich ist, weil der Stoff ein Teil meiner Person ist und daher in mir ruht, bis die Arbeit vollendet ist, um dann in einem Verlag veröffentlicht zu werden. Ein kleines Hilfsmittel habe ich aber dabei: ich schreibe mir stets die Kapitelüberschriften auf, um nach ihnen dann den Roman abzuarbeiten. 

(Delphin-Band, Nr. 175)

Nach dem Tod ihrer Mutter wohnte Margarete Elzer allein in der Villa am Tegernsee. Als sie 1966 kinderlos stirbt, wird Friede Birkner Alleinerbin, die weiterhin im benachbarten Rottach-Egern wohnt. Große Teile der von der Mutter und von Margarete hinterlassenen Papiere übergibt sie vor dem Mutterhof den Flammen.

Einen Teil ihrer Hinterlassenschaft hatte Elzer – die beiden Schwestern hatten sich in den Jahren zunehmend voneinander entfremdet – allerdings in weiser Voraussicht als Nachlass zuvor der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin übergeben. Und so stehen die Unterlagen aus der Hand der Margarete Elzer in der historischen Sammlung der Berliner Stadtbibliothek heute noch zur Verfügung.

Acht Jahre lang lässt Friede Birkner den „Mutterhof“ in der Schwaighofstraße 47 leer stehen. 1972 verkauft sie die Villa mitsamt dem weitläufigen Grundstück an die Stadt Tegernsee. 1975 führt die Stadt erste Umbaumaßnahmen am Courths-Mahler-Haus durch: Neue Zwischenwände werden eingezogen; insgesamt entstehen sechs Wohnungen für Tegernseer Familien.

 


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Verfasst von: TELITO / Dr. Ingvild Richardsen