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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Akademiestr. 7/9: Erich Mühsam

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Erich Mühsam nach einer Bleistiftzeichnung von J. Pfeil.

Erich Mühsam, Schriftsteller, Sozialist, Anarchist und Revolutionär, lebt als Kind in Lübeck in der Nachbarschaft von Franziska zu Reventlow. Er ist sieben Jahre jünger, dennoch fällt ihm bereits dort die „blendend schöne blonde Seminaristin“ auf. (Namen, S. 147) 1902 ist er zum ersten Mal in München; Wanderjahre führen ihn nach Zürich, Ascona, Norditalien, Wien, Paris und München. Erst ab 1909 lebt er dauerhaft in München, zunächst in der Pension Suisse. 1905 lernt Mühsam Franziska zu Reventlow kennen. Im Café Leopold (vgl. Station 5)

[...] kam ich mit der einzigartigen Frau in Berührung, deren große Persönlichkeit [...] allein genügen würde, um Schwabings Bedeutung als Kulturbegriff sicherzustellen [...], dem innerlich freiesten und natürlichsten Menschen, dem ich begegnet bin, gleichmäßig ausgezeichnet von höchstem weiblichen Charme, gepflegtester geistiger Kultur, kritischster Klugheit, anmutigstem Humor und vollkommenster Vorurteilungslosigkeit [...] (Namen, S. 114)

Die beiden verbindet viel: die gemeinsame Heimat, das unkonventionelle Denken und Leben als Boheme, die „Sitzungen“ in den Cafés sowie Mühsams Zuneigung zum Sohn Rolf.

Schon 1907 kommt zum ersten Mal die Idee auf, nach Ascona zu ziehen, das vereitelt eine Krankheit. 1910 informiert Erich Mühsam die „Gräfin“, es gebe eine Anfrage des baltischen Barons Alexander von Rechenberg-Linten aus Ascona,

[...] ob ich nicht eine Frau für ihn wisse, die mit ihm einen Scheinehevertrag eingehen möchte. Sie würde, sobald er die Erbschaft antrete, die Hälfte des Vermögens sofort ausgezahlt erhalten [...] „Sie sind wohl verrückt“, entgegnete sie, und dann setzte ich ihr die Geschichte auseinander. „Wie heißt der Kerl?“ fragte sie nach kurzer Überlegung und meinte dann: „Rechenberg ist ganz praktisch. Da brauche ich ja nicht einmal die Monogramme in den Taschentüchern umzusticken.“ (Namen, S. 152f.)

Im Mai 1911 heiratet Franziska zu Reventlow den Baron in Ascona und wird russische Staatsbürgerin. 1913 tritt der Erbfall in Form von Aktien ein, die erst zu Bargeld gemacht werden müssen. Der Großteil geht durch einen Bankenkrach in der Schweiz verloren. „‚Es scheint kein Segen an dem Geld gehangen zu haben‘, schreibt sie in dem Brief an mich [Mühsam] melancholisch, fand aber zugleich, daß die ganze Geschichte ihr nur zu ähnlich sehe.“ (Namen, S. 154)

Erich Mühsam und Franziska zu Reventlow sehen sich während des Ersten Weltkriegs noch zweimal in München. Die Nachricht von ihrem Tod 1918 stimmt ihn traurig.

Ich grüße diese Tote mit inniger Verehrung. [...] sie war ein Mensch, der wußte, was Freiheit bedeutet, ein Mensch ohne Vorurteile, ohne traditionelle Fesseln, ohne Befangenheit von der Philistrosität der Umwelt. Und sie war ein froher Mensch [...]. Wenn sie lachte, dann lachte der Mund und das ganze Gesicht, daß es eine Freude war, hineinzusehen. Aber die Augen, die großen, tiefblauen Augen, standen ernst und unbewegt zwischen den lachenden Zügen. Die Gräfin war eine schöne Frau, ihr Äußeres von strahlendem Reiz, und das Herz erfüllt von der Schönheit des Lebens und von der Sehnsucht nach einer schönen und freien Menschenwelt. (Namen, S. 154f.)

 


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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé