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Franziska zu Reventlow 1905 © Münchner Stadtmuseum, Fotomuseum

Kaulbachstr. 51a: Anita Augspurg

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Titelblatt von Franziska zu Reventlows „Viragines oder Hetären?“ (1899)

Die Juristin und Frauenrechtlerin Anita Augspurg lebt seit 1886 in München. Die Gründerin der „Gesellschaft zur Förderung der geistigen Interessen der Frau“ (1894, ab 1897 „Verein für Fraueninteressen“) kann als „Motor“ der Frauenbewegung in München bezeichnet werden. Augspurg und Reventlow sind sicher nicht in denselben Kreisen unterwegs, aber es gibt gemeinsame Bekannte wie Michael Georg ConradHelene Böhlau oder den Autor Ernst von Wolzogen (1885-1934), dessen Roman Das dritte Geschlecht über die „bewegten“ Frauen 1899 erscheint.

1898 und 1899 veröffentlicht Franziska zu Reventlow die Aufsätze Das Männerphantom der Frau (1898) und Viragines oder Hetären? in den Zürcher Diskußionen. Flugblätter aus dem Gesamtgebiet des modernen Lebens. Herausgeber ist Oskar Panizza; man kennt sich aus der Arbeit für den Simplicissmus. Zur Diskussion gestellt wird hier das Geschlechterbild Mann/Frau, die Autorin kommt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Beispielsweise prangert sie einerseits – wie bereits um 1890 in Briefen an den Jugendfreund Eduard Fehling – die Erziehung der Mädchen zum Dekorationsstück an. Andererseits kritisiert sie den Einsatz der Frauenrechtlerinnen für das Recht auf Bildung und Erwerbstätigkeit. „Das Streben, die Frauen der arbeitenden Klasse aus ihrer Misere zu befreien [...] sich der Kinder, besonders der unehelichen, anzunehmen“ (Viragines, S. 212) ist in ihren Augen berechtigt. Die (bürgerliche) Frauenbewegung aber konzentriere sich nur auf die Befreiung der gebildeten, gut situierten Frauen. Die Forderung nach beruflicher Gleichberechtigung teilt Reventlow nicht, ebenso wenig das Lebensmodell der „vermännlichten“ Frauenrechtlerinnen, in einer gleichgeschlechtlichen Gemeinschaft zu leben. Dabei widerspricht sie sich selbst, wenn sie auf das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung drängt:

Vielleicht entsteht noch einmal eine Frauenbewegung in diesem Sinne, die das Weib als Geschlechtswesen befreit, es fordern lehrt, was es zu fordern berechtigt ist, volle geschlechtliche Freiheit, das ist, freie Verfügung über seinen Körper, die uns das Hetärentum wiederbringt. (Viragines, S. 218)

Das schließt auch die Befürwortung der Prostitution mit ein. Ansonsten bezieht Franziska zu Reventlow sich auf Friedrich Nietzsche, dessen Zarathustra sie als junge Frau verschlungen hat: „Alles am Weibe ist ein Rätsel und alles am Weibe hat nur eine Lösung: Schwangerschaft.“ (Männerphänomen, S. 203f.) Mutterschaft ist das Ziel des weiblichen Daseins. (Das schreibt sie mit einem Baby im Arm.) Die Forderung, dass die Gesellschaft für uneheliche Kinder sorgen solle, vertreten auch z.B. Helene Stöcker (1869-1943), Erich Mühsam und Otto Gross. Zum Abschluss meint Reventlow, die Frau sei nicht für die schweren Dinge des Lebens geschaffen, „sondern zur Leichtigkeit, zur Freude, zur Schönheit – ein Luxusobjekt [...], das Schutz, Pflege und günstige Lebensbedingungen braucht, um ganz das sein zu können, was es eben sein kann.“ (Viragines, S. 217f.) Ein verständlicher Wunsch in ihrer Situation.

Diese Artikel kommen uns heute unausgegoren und widersprüchlich vor. Wollte Franziska zu Reventlow jemanden angreifen, fragt man sich. Oder sich verteidigen? Eine freche Bemerkung sei dazu erlaubt: „Frauen sagen und schreiben oft seltsame Sachen“, meint sie im Männerphänomen. (S. 203) Auch Franziska zu Reventlow! Über eine Rezeption der Aufsätze ist nichts bekannt. Der freundschaftlichen Beziehung zu Anita Augspurg, die ab 1901 belegt ist, haben sie nicht geschadet, mit ihr trifft sich Franziska zu Reventlow gerne zum Schwimmen und zu Gesprächen, wenn sie in Kloster Schäftlarn weilt.

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Verfasst von: Monacensia im Hildebrandhaus / Adelheid Schmidt-Thomé