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Thomas Mann, 30.4.1900 (ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv / Fotograf: Atelier Elvira / TMA_0016)

Mauerkircherstraße 13

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Abb. 1: München, Herzogpark, Haus Mauerkircherstraße 13. Foto: AHert, 2011.

Zwischen Oktober 1910 und Januar 1914 wohnte Thomas Mann mit seiner Frau und den vier Kindern Erika, KlausGolo und Monika im noblen Neubauviertel Herzogpark im Haus Mauerkircherstraße 13/II in zwei großen, miteinander verbundenen Wohnungen. [Abb. 1] Golo Mann hat in einem Brief vom 30. März 1992 an den Verfasser die Situation umrissen: „Das waren in Anbetracht der vier Kinder und drei ‚Mädchen’, zwei Wohnungen in einem Stockwerk, also mit zwei Türen, an die ich mich noch erinnern kann.“ Hier und im Landhaus in Bad Tölz schrieb Thomas Mann zwischen Juli 1911 und Juli 1912 die Novelle Der Tod in Venedig. Eine Gedenktafel aus Glas des Thomas-Mann-Forums München e.V. (Entwurf: Dirk Heißerer und Joachim Jung, Ausführung: Mayer’sche Hofkunstanstalt, München) erinnert seit 2010 im Herzogpark an den Schreibort der Novelle. [Abb. 2] Als Motto zitiert die Tafel einen Schlüsselsatz aus dem Vierten Kapitel: “Und aus Meerrausch und Sonnenglast span sich ihm ein reizendes Bild.”[9] Das ist der Moment, wo Gustav von Aschenbach sich so sehr an der Vorstellung berauscht hat, Tadzio vor sich als griechische Statue zu sehen, dass er als der “Enthusiasmierte” sich in den Philosophen Sokrates verwandelt und mit dessen Schüler Phaidros ein Gespräch über die Liebe führt.[10] 

Abb. 2: Mauerkircherstraße 13, Gedenktafel (2010). Foto: Dirk Heißerer.

Nach Abschluss der Arbeit beginnt der Hyperionverlag Hans von Weber in München vermutlich schon im Sommer 1912 mit dem Druck der Novelle in einer auf einhundert Exemplare beschränkten Luxusedition. Ein Exemplar dieses 13. der sogenannten „Hundertdrucke“ ist in der Bayerischen Staatsbibliothek München vorhanden.[11] [Abb. 3] Der Künstler Walter Tiemann fertigte dafür eine eigene Schrift an. Den zweiten Druck der Novelle (mit einigen Textänderungen im Vergleich zum ersten Druck) präsentieren im Oktober und November 1912 zwei Hefte der Neuen Rundschau in Berlin. Die Schrift dafür war die damals übliche Fraktur. Diesem Abdruck folgt 1913 die erste öffentliche Buchausgabe der Novelle in der modernen Antiqua. [Abb. 4]

Abb. 3: BSB-Ex. Der Tod in Venedig, 13. Hundertdruck. Sign.: L.sel. I,6(13 (Foto: Dirk Heißerer).

Mit dem Erscheinen der Novelle als Buchausgabe 1913 begann ein beispielloser Erfolg. Danach hatte es zunächst nicht ausgesehen. Nach dem zweibändigen Familienroman Buddenbrooks (1901) und dem Gesellschaftsroman Königliche Hoheit (1909) hatte Thomas Mann eine Weile geschwankt, welchem Thema er sich jetzt zuwenden sollte und hatte sich als Gegenfigur zum Fürsten seiner Königlichen Hoheit einen Dieb, oder besser einen Hochstapler ausgedacht.

Anfang 1911 erschien im Almanach des S. Fischer Verlags erstmals ein „Bruchstück“ aus dem in Arbeit befindlichen Roman Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull, genauer aus dem Fünften Kapitel. Hier klingen zwei Motive aus der griechischen Mythologie an, die für den Tod in Venedig entscheidend werden sollten. So erklärt Felix Krull zu Beginn: „Als ich meinem Paten Schimmelpreester als Griechengott Modell stand, war ich sechzehn bis achtzehn Jahre alt und also beinahe ein Jüngling, obschon in der Schule sehr rückständig.“[12]

Abb. 4: Der Tod in Venedig, 1913. Foto: privat.

Felix Krull, der spätere Hochstapler und Dieb, erscheint hier als Griechengott – und weist damit erstmals andeutungsweise auf seine Rolle als Hermes (oder Merkur) hin, den Gott der Kaufleute, der Reisenden und der Diebe, aber eben auch der Sterbenden, der für den Tod in Venedig entscheidend werden sollte. Thomas Mann entschied sich nach Königliche Hoheit zwar gegen den Hochstaplerroman und für die Venedig-Novelle und, übernahm aber dieses entscheidende Hermes-Motiv und gab ihm eine neue Gestalt.

 


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[9] GKFA 2.1, S. 554.
[10] Ebd., S. 554f.
[11] Signatur: L.sel.I,6(13
[12] Thomas Mann: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Bruchstück aus einem Roman. In: S.F.V.: Das XXV. Jahr. Berlin 1911, S. 273-283, hier S. 273; vgl. GKFA 12.1, S. 31.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer