Schellingstraße 50/ Marsstraße 46 (Brecht und Arnolt Bronnen)
Die Türkenstraße hinunter, vorbei am Lokal Alter Simpl, geht es in die Schellingstraße zur Nr. 50, wo die Reste eines Hakenkreuz-Adlers über der Haustür daran erinnern, dass sich hier 1925 die Geschäftsstelle der wiedergegründeten NSDAP-„Reichsleitung“ befand und im noch vorhandenen Rückgebäude Hitlers Leib-Fotograf Heinrich Hofmann (1885-1957) sein Atelier hatte (das heute von einer Kunstgalerie genutzt wird).[29] Das Thema Hitler studierten die Freunde Brecht und Bronnen damals aus nächster Nähe. Arnolt Bronnen berichtet vom gemeinsamen Erlebnis einer Hitler-Rede im Circus Krone, Marsstraße 46, am 1. Juni 1923:
Das spätere Frühjahr 1923, luftig und noch nicht allzu heiß, war auch die geeignete Zeit für jene Massenaufmärsche, in welchen der 34jährige Anstreicher aus Braunau brillierte und deren Gefährlichkeit damals nur wenige durchschauten. Wohl verkannte, wachgehalten durch Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig, auch Brecht nicht die Gefahr, welche in der Anfälligkeit der Kleinbürger und in den Sympathien der Großbürger für die Latrinenparolen jener Arbeitsscheuen trächtig wurde. Aber dann wieder genoß der junge Brecht in bajuwarischer Schaufreude das Spektakuläre, die Massenregie und die Massenauftritte des Hitler-Klüngels. [...] „[Hitler]“, sagte Brecht, „hat den Vorteil eines Mannes [...], der das Theater immer nur vom vierten Rang aus gesehen hat.“ Und er fügte hinzu, daß Hitler den Massen vom Speisezettel aus nahekäme, indem er an die gemeinsamen Erbsen, den Speck, das Erdäpfel-Gulasch appellierte; so ergäbe sich aus dem gemeinsamen Fraß der gemeinsame Rülpser, in dem sich Tausende zum Schluß von ihrer Erdenqual ‚befreiten‘.[30] [Abb. 11]
Das Haus nebenan, Schellingstraße 48, ist über die Erinnerungen von Walter Kolbenhoff (1908-1993) als Adresse direkt in die Literatur eingegangen. In Schellingstraße 48. Erfahrungen mit Deutschland (1984) erinnert Kolbenhoff an das Glück in der ersten Nachkriegszeit, überhaupt eine feste Bleibe ergattert zu haben; das Haus befand sich gegenüber dem einstigen Münchner Buchgewerbehaus, wo erst der Völkische Beobachter, dann die Neue Zeitung (an der auch Kolbenhoff arbeitete) und schließlich die BILD-Zeitung gedruckt wurde.
Zur Station 9 von 11 Stationen
[29] Vgl. Geschäftsstelle der NSDAP-„Reichsleitung“; Photoatelier Heinrich Hoffmann. In: Nerdinger, Winfried: Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München. Salzburg/München 2006, S. 37, Nr. 21.
[30] Arnolt Bronnen: Tage mit Bertolt Brecht. Geschichte einer unvollendeten Freundschaft. Wien u.a. 1960, S. 140-142.
Die Türkenstraße hinunter, vorbei am Lokal Alter Simpl, geht es in die Schellingstraße zur Nr. 50, wo die Reste eines Hakenkreuz-Adlers über der Haustür daran erinnern, dass sich hier 1925 die Geschäftsstelle der wiedergegründeten NSDAP-„Reichsleitung“ befand und im noch vorhandenen Rückgebäude Hitlers Leib-Fotograf Heinrich Hofmann (1885-1957) sein Atelier hatte (das heute von einer Kunstgalerie genutzt wird).[29] Das Thema Hitler studierten die Freunde Brecht und Bronnen damals aus nächster Nähe. Arnolt Bronnen berichtet vom gemeinsamen Erlebnis einer Hitler-Rede im Circus Krone, Marsstraße 46, am 1. Juni 1923:
Das spätere Frühjahr 1923, luftig und noch nicht allzu heiß, war auch die geeignete Zeit für jene Massenaufmärsche, in welchen der 34jährige Anstreicher aus Braunau brillierte und deren Gefährlichkeit damals nur wenige durchschauten. Wohl verkannte, wachgehalten durch Lion Feuchtwanger und Arnold Zweig, auch Brecht nicht die Gefahr, welche in der Anfälligkeit der Kleinbürger und in den Sympathien der Großbürger für die Latrinenparolen jener Arbeitsscheuen trächtig wurde. Aber dann wieder genoß der junge Brecht in bajuwarischer Schaufreude das Spektakuläre, die Massenregie und die Massenauftritte des Hitler-Klüngels. [...] „[Hitler]“, sagte Brecht, „hat den Vorteil eines Mannes [...], der das Theater immer nur vom vierten Rang aus gesehen hat.“ Und er fügte hinzu, daß Hitler den Massen vom Speisezettel aus nahekäme, indem er an die gemeinsamen Erbsen, den Speck, das Erdäpfel-Gulasch appellierte; so ergäbe sich aus dem gemeinsamen Fraß der gemeinsame Rülpser, in dem sich Tausende zum Schluß von ihrer Erdenqual ‚befreiten‘.[30] [Abb. 11]
Das Haus nebenan, Schellingstraße 48, ist über die Erinnerungen von Walter Kolbenhoff (1908-1993) als Adresse direkt in die Literatur eingegangen. In Schellingstraße 48. Erfahrungen mit Deutschland (1984) erinnert Kolbenhoff an das Glück in der ersten Nachkriegszeit, überhaupt eine feste Bleibe ergattert zu haben; das Haus befand sich gegenüber dem einstigen Münchner Buchgewerbehaus, wo erst der Völkische Beobachter, dann die Neue Zeitung (an der auch Kolbenhoff arbeitete) und schließlich die BILD-Zeitung gedruckt wurde.
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[29] Vgl. Geschäftsstelle der NSDAP-„Reichsleitung“; Photoatelier Heinrich Hoffmann. In: Nerdinger, Winfried: Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München. Salzburg/München 2006, S. 37, Nr. 21.
[30] Arnolt Bronnen: Tage mit Bertolt Brecht. Geschichte einer unvollendeten Freundschaft. Wien u.a. 1960, S. 140-142.