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Bertolt Brecht: Trommeln in der Nacht. Drama. München, Drei Masken Verlag, 1922. Exemplar des Theaterkritikers Bernhard Diebold (1886-1945). Privatbesitz.

Georgenstraße 24 (Lion und Marta Feuchtwanger)

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Georgenstraße 24. Foto: Dirk Heißerer.

Jenseits der Leopoldstraße, am erhalten gebliebenen Haus Georgenstraße 24, hat die Vorstellung dagegen wieder freie Bahn. [Abb. 9] Im dritten Stock wohnte von 1917 bis 1925 der Münchner Schriftsteller und Dramatiker Lion Feuchtwanger (1884-1958) mit seiner Frau Martha (1891-1987). Feuchtwanger war der entscheidende Vermittler und Förderer des jungen Brecht; er stellte den Kontakt her zu dem Regisseur Otto Falckenberg (1873-1947), in dessen „Kammerspielen“, damals noch in einem Hinterhoftheater der Augustenstraße 89 (Station 10), Brechts Revolutionsdrama Trommeln in der Nacht am 29. September 1922 seine Aufsehen erregende Uraufführung hatte. Das Stück, laut Feuchtwanger eine „dramatische Ballade“,[19] hieß zunächst „Spartakus“ und wurde angeblich auf Feuchtwangers Veranlassung in Trommeln in der Nacht umbenannt.[20] Allerdings reklamiert später Marta Feuchtwanger die Titeländerung für sich; sie sei „ungemein stolz“ gewesen, als Brecht ihren Vorschlag angenommen habe, „das Stück ‚Trommeln in der Nacht‘ zu nennen“.[21] Wie auch immer – mit dem Ehepaar Feuchtwanger, und besonders mit dem Kollegen Lion Feuchtwanger, blieb Brecht weiter eng verbunden. So inszenierte Brecht im März 1924 an den Münchner Kammerspielen im Bühnenbild von Caspar Neher das gemeinsam mit Feuchtwanger erstellte Drama Leben Eduards des Zweiten von England, das im selben Jahr auch in Berlin am Staatlichen Schauspielhaus Premiere hatte.[22]

In Feuchtwangers München-Roman Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz (1930) über das Schicksalsjahr 1923 kommt auch der junge Brecht als Ingenieur Kaspar Pröckl vor. In seinem Auftritt mit Banjo lässt sich nicht nur erneut die Wedekind-Nachfolge, sondern möglicherweise auch einer der Auftritte Brechts in der Wohnung der Feuchtwangers wiedererkennen, noch dazu in seiner Augsburger Sprachfärbung, die Brecht, wie Tonbandaufnahmen hören lassen,[23] ein Leben lang beibehalten hat:

Als das Saiteninstrument da war, ging Pröckl an die Tür und schaltete alles Licht ein. Dann stellte er sich mitten in den Raum, und hell, frech, mit schriller Stimme, häßlich, unverkennbar mundartlich, überlaut begann er zu dem Geklapper des Banjos seine Balladen aufzusagen: es enthielten aber diese Balladen Geschehnisse des Alltags und des kleinen Mannes, gesehen mit der Volkstümlichkeit der großen Stadt, nie so gesehen bisher, dünn und böse, frech duftend, unbekümmert stimmungsvoll, nie so gehört bisher.[24]

Im gemeinsamen kalifornischen Exil kamen Brecht und Feuchtwanger zwischen Santa Monica und Pacific Palisades immer wieder zusammen. Im Frühjahr 1942 unterhielten sie sich darüber, ob Hitler als ein Hampelmann angesehen und dargestellt werden solle. Die Diskussion darüber führt zurück in das Frühjahr 1922, als Feuchtwanger und Brecht Hitler im Münchner Hofgarten im Kreis seiner Gefolgsleute wahrnahmen und erfuhren, von welchem Hofschauspieler der Agitator seine Gesten erlernt hatte.[25]

 


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[19] Vgl. Lion Feuchtwanger: Bertolt Brecht. Dargestellt für Englänger (1928). In: Ders.: Centum Opuscula. Eine Auswahl. Rudolstadt 1956, S. 556-561, hier S. 556.

[20] Ebenda, S. 557.

[21] Vgl. Marta Feuchtwanger: Nur eine Frau. Tage. Jahre. Stunden. München 1983, S. 127.

[22] Vgl. Hecht: Brecht Chronik (Anm. 7), S. 169 (zum 19. März 1924), S. 172 (zum 30. Juni 1924), S. 178 (zum 4. Dezember 1924).

[23] Vgl. Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen. 2 CDs. Audiobooks. Der Hörverlag, München 1997.

[24] Lion Feuchtwanger: Zweites Buch. Betrieb, Kap. 19: David spielt vor König Saul. In: Ders.: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Roman (1930), Berlin/Weimar 1989, S. 244-251, hier S. 246.

[25] Vgl. Heißerer, Dirk: Brecht studiert Hitler oder Über die Theatralik des Faschismus. In: JUNI-Magazin für Literatur und Kultur (Bielefeld), hg. von Ackermann, Gregor; Delabar, Walter, Heft-Nr. 57/58, Juli 2020, S. 259-295, hier S. 261f., mit einem Foto Brechts und Feuchtwangers in Pacific Palisades, Villa Aurora, 1947 (S. 261).

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer