Fragment Ansbach

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Im Jahr 2007 fand in Ansbach eine Theater-Revolution statt. Der bisherige jahrzehntelange Gastspielbetrieb wurde umgewandelt in ein eigenständiges Theater mit festem Ensemble und Repertoirespielplan. Als ich dies in der Zeitung las, ahnte ich nicht, dass diese Entscheidung enorme Auswirkungen auf mich haben wird.

Im Frühjahr 2008 stellte mich der Mäzen Friedrich Hilterhaus bei einem Kulturempfang dem Intendanten Jürgen Eick vor. Wir fanden schnell einen Draht zueinander und er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, ein Stück mit regionalem Bezug zu schreiben. Ich konnte mir das sehr gut vorstellen und wählte als Thema den letzten Markgraf von Brandenburg-Ansbach und Bayreuth, der um seiner geliebten Lady Craven Willen und aus Angst, die Französische Revolution könne auch nach Franken übergreifen, sein Land an die preußische Verwandtschaft verkaufte. Bei meinen Recherchen stieß ich auf einen so genannten Hoftiroler, einen wandernden Hofnarren, der das Ansbacher Fürstenhaus über längere Zeit jährlich besuchte. Dieser Fund begeisterte mich, denn er bot mir die Chance mit der wunderbaren Konstellation Fürst und Narr zu arbeiten. Meine Dramaturgie sah vor, dass im Jahr 1806 der emigrierte Markgraf in seinem englischen Exil in Schloss Benham Castle von seinem ehemaligen Hofnarren als Wegbegleiter ins Jenseits abgeholt wird. Nicht jedoch vorher mit ihm gemeinsam auf wichtige Stationen seines Lebens zurückgeblickt zu haben.

Das Drama Alexander der letzte Markgraf wurde am 19. März 2010 uraufgeführt, stand in drei Spielzeiten auf dem Programm und wurde auch in Selb und Gunzenhausen gespielt.

Das Nachfolgestück hatte den Vorgänger des letzten Markgrafen zum Thema, den Vater von Alexander, den man den „Wilden Markgrafen“ nannte. Keinem anderen Herrscher Ansbach hat man mehr und schlimmere Geschichten angedichtet als ihm. Selbst Legenden mit zwar wahrem Kern, deren Ursprung aber lange vor der Geburt des viel Geschmähten lag, schrieb man ihm zu. Mein Drama Das Bildnis des Wilden Markgrafen, das auch zeitkritische Bezüge über Meinung und Wahrheit hat, feierte seine Premiere am 6. Oktober 2012.

Ein weiteres Stück für das Ansbacher Theater, dieses Mal im Studio-Format Der schändliche Skandal HeinePlaten, kam durch den Intendanten-Wechsel nicht zur Realisation. Dieses durfte dann später in zwei szenischen Lesungen in der Staatlichen Bibliothek / Schlossbibliothek Ansbach dem Publikum präsentiert werden.

Die Bibliothek bot mir schon seit einigen Jahren immer wieder einen Schauplatz für Buchvorstellungen, szenische Lesungen oder auch die Ausstellung „Unikatbücher, bibliophile Editionen und andere Raritäten“. Viele meiner Bücher durfte ich hier der Ansbacher Öffentlichkeit vorstellen, zum Beispiel mein Kinder- und Jugendbuch Mantakors Reise mit Illustrationen von Karel Fron, deren märchenhaften Drucke den Saal säumten. Oder meinen Roman Zeitzittern. Die Aufzeichnungen des Leopold Branntwein, den ich gemeinsam mit der Bibliotheksleiterin Ute Kissling im Wechseltext präsentierte.

Ein weiteres Drama mit intensivem Ansbach-Bezug durfte ich hier ebenfalls dem Publikum vorstellen: Der Lehrer, der Student und die Soldaten oder Das gestohlene Leben.

Die Theater-Company ERATHECO, Frankfurt, präsentierte das Stück über die Ermordung eines jungen Mannes in Ansbach durch Nazis Stunden vor Einmarsch der Amerikaner mit einer Eindringlichkeit, die über eine szenische Lesung hinausging.

Eine der fünf Personen meines Dramas ist der amerikanische Entnazifizierungsoffizier Frank D. Horvay, der für Ansbach zuständig war. In Zusammenhang mit meinem Stück bekam ich eine ungewöhnliche und sehr überraschende Leserreaktion. Linda, die Tochter von Horvay hatte das Buch meines Stücks in den USA erworben und schickte mir im Januar 2015 eine lange Email und dankte mir für meine Darstellung ihres Vaters: „When I started reading your play, I heard my father's voice and cried.  You really captured his personality.  It is as if Dad had come alive.“ („Als ich begann Ihr Stück zu lesen, hörte ich meines Vaters Stimme und weinte. Sie haben wirklich seine Persönlichkeit erfasst. Es war, als wäre Papa lebendig geworden.“) Es war mir gelungen, sein Denkfühlen zu erfassen und nachvollziehbar zu machen. Ein größeres Lob kann es für einen Autor nicht geben.

Meine dritte „Bühne“ in der Stadt: Das Kunsthaus Ansbach.

Nach mehreren Lesungen im Lauf der Jahre durfte ich hier im November 2009 unter dem Motto „Kunst erzählt“ eine umfangreiche Retrospektive meiner bildnerischen Werke zeigen. Das Spektrum reichte von frühen Arbeiten von Anfang der 1970er-Jahre über die Erdwächter-Installationen der 1990er und der Konzeptausstellung „Indian Summer – die Seele der Dinge“ bis zu aktuellen grafischen Arbeiten. Eine besondere Freude für mich war die Anreise einer Delegation der „Fürther Gesellschaft der Kunstfreunde“ aus meiner Heimatstadt. Eine Freude, die sich bei einem späteren Hausbesuch in Binzwangen noch erheblich steigerte, als man eine Serie von acht meiner Grafiken für die Sammlung ankaufte.

 


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Verfasst von: Gerd Scherm