Brienner Straße 56 (heute 4): Café Odeon
Um das 1828 erbaute Konzerthaus Odeon, das nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zum heutigen Innenministerium umgebaut wurde, befinden sich gleich mehrere Anziehungspunkte für das kulturelle Leben der Stadt und die Boheme. Erich Mühsam verkehrt hier häufig im Café Odeon. Das Lokal wird erstmals im Bayerischen Landboten vom Oktober 1878, hier mit der Anschrift Odeonsplatz 2, „neben dem kgl. Odeon“, beworben. Gottlieb Fuchs kündigt hier „ganz reinen, wohlschmeckenden Café, kleine Gabelfrühstücke mit Schoppenweinen“ und „sämtliche Münchener und die bedeutendsten auswärtigen Zeitungen politischen, wie belletristischen Inhalts“ sowie ein Billard an. Auch 1908 wirbt das Café, nun unter der Anschrift Brienner Straße 56, mit einer „Billard-Akademie“, die über 20 Billards verfügt.
Betrieben wird es inzwischen von Josef Schottenhaml, der seit Sommer 1911 auch das berühmt gewordene Café Odeon am Bellevueplatz in Zürich führt, wo er ebenfalls mit Billard und Münchner Bier wirbt. Ab 1912 ist er auch Wirt des Café Rathaus am Marienplatz in München. Das Münchner Café Odeon ist der Treffpunkt verschiedener literarischer Vereine. Mühsam schätzt es besonders wegen der Öffnungszeiten bis 2 Uhr nachts, oft verschlägt es ihn zu später Stunde hierher. Ab 1911 zählt er zu den regelmäßigen Gästen. Hier trifft er beispielsweise Heinrich Mann, mit dem er sich gerne über Politik, wie auch über Literatur unterhält. Heinrich Mann schätzt Mühsams Zeitschrift Kain. Immer wieder führt Mühsam im Café Odeon auch politische Debatten mit den verschiedensten anwesenden Gästen, etwa am 23. Januar 1912 verzeichnet er im Tagebuch:
Die Gesellschaft bestand aus Karl Henckell, Weisgerber, Wilm, Etzel, Roß, Streit und Dümling. Es war recht lustig und wir gingen dann alle ins Café Odeon. Ich weiß nicht, wie es kam: plötzlich hielt ich einen aufgeregten Vortrag über anarchistische Dinge.
Zur Zeit der ersten Vorboten der Revolution, bei den Hungerdemonstrationen im Sommer 1916, tauchen im Café Spitzel auf, die sich in Mühsams Umfeld über seine Beteiligung an den Unruhen umhören.
[Ich] erfuhr von Scharf folgendes. Sonntag abend habe er in einer Gesellschaft im Café Odeon gesessen, der ein Herr Lang von dem Marienplatz-Krawall erzählte. Besonders interessant scheint dem mir unbekannten Herrn meine Anwesenheit dort gewesen zu sein. Er berichtete also der Gesellschaft, daß er mich eifrig beobachtet und bemerkt habe, wie ich die Schutzleute, die sich lammfriedlich verhielten, mit Zurufen haranguierte und beim Fortgehn geschrieen hätte: „Auf Wiedersehn morgen! Aber wir kommen stärker wieder!“ oder so ähnliches. – Währenddem habe von einem Nebentisch aus jemand Herrn Lang herausgebeten und sich ihm als Jurist in Polizeidiensten legitimiert. (München, Dienstag, d. 20. Juni 1916)
Werbeanzeige Café Odeon, 1908, Stadtarchiv München, DE-1992-PL-13907
Zur Station 9 von 15 Stationen
Um das 1828 erbaute Konzerthaus Odeon, das nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zum heutigen Innenministerium umgebaut wurde, befinden sich gleich mehrere Anziehungspunkte für das kulturelle Leben der Stadt und die Boheme. Erich Mühsam verkehrt hier häufig im Café Odeon. Das Lokal wird erstmals im Bayerischen Landboten vom Oktober 1878, hier mit der Anschrift Odeonsplatz 2, „neben dem kgl. Odeon“, beworben. Gottlieb Fuchs kündigt hier „ganz reinen, wohlschmeckenden Café, kleine Gabelfrühstücke mit Schoppenweinen“ und „sämtliche Münchener und die bedeutendsten auswärtigen Zeitungen politischen, wie belletristischen Inhalts“ sowie ein Billard an. Auch 1908 wirbt das Café, nun unter der Anschrift Brienner Straße 56, mit einer „Billard-Akademie“, die über 20 Billards verfügt.
Betrieben wird es inzwischen von Josef Schottenhaml, der seit Sommer 1911 auch das berühmt gewordene Café Odeon am Bellevueplatz in Zürich führt, wo er ebenfalls mit Billard und Münchner Bier wirbt. Ab 1912 ist er auch Wirt des Café Rathaus am Marienplatz in München. Das Münchner Café Odeon ist der Treffpunkt verschiedener literarischer Vereine. Mühsam schätzt es besonders wegen der Öffnungszeiten bis 2 Uhr nachts, oft verschlägt es ihn zu später Stunde hierher. Ab 1911 zählt er zu den regelmäßigen Gästen. Hier trifft er beispielsweise Heinrich Mann, mit dem er sich gerne über Politik, wie auch über Literatur unterhält. Heinrich Mann schätzt Mühsams Zeitschrift Kain. Immer wieder führt Mühsam im Café Odeon auch politische Debatten mit den verschiedensten anwesenden Gästen, etwa am 23. Januar 1912 verzeichnet er im Tagebuch:
Die Gesellschaft bestand aus Karl Henckell, Weisgerber, Wilm, Etzel, Roß, Streit und Dümling. Es war recht lustig und wir gingen dann alle ins Café Odeon. Ich weiß nicht, wie es kam: plötzlich hielt ich einen aufgeregten Vortrag über anarchistische Dinge.
Zur Zeit der ersten Vorboten der Revolution, bei den Hungerdemonstrationen im Sommer 1916, tauchen im Café Spitzel auf, die sich in Mühsams Umfeld über seine Beteiligung an den Unruhen umhören.
[Ich] erfuhr von Scharf folgendes. Sonntag abend habe er in einer Gesellschaft im Café Odeon gesessen, der ein Herr Lang von dem Marienplatz-Krawall erzählte. Besonders interessant scheint dem mir unbekannten Herrn meine Anwesenheit dort gewesen zu sein. Er berichtete also der Gesellschaft, daß er mich eifrig beobachtet und bemerkt habe, wie ich die Schutzleute, die sich lammfriedlich verhielten, mit Zurufen haranguierte und beim Fortgehn geschrieen hätte: „Auf Wiedersehn morgen! Aber wir kommen stärker wieder!“ oder so ähnliches. – Währenddem habe von einem Nebentisch aus jemand Herrn Lang herausgebeten und sich ihm als Jurist in Polizeidiensten legitimiert. (München, Dienstag, d. 20. Juni 1916)
Werbeanzeige Café Odeon, 1908, Stadtarchiv München, DE-1992-PL-13907
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