Türkenstraße 57: Künstlerkneipe Simplicissimus
Einer der wichtigsten Treffpunkte der Münchner Boheme am Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Künstlerkneipe Simplicissimus. 1903 eröffnet die geschäftstüchtige Wirtin Kathi Kobus das Lokal in der Türkenstraße 57. Schnell ist die Gaststätte allabendlich überfüllt. Zahlreiche Künstler und Intellektuelle folgen dem Ruf des „Simpl,“ wie das Lokal liebevoll genannt wird.
Das Gedränge war in allen Räumen von zehn Uhr abends an beängstigend, und die von Weindunst, Tabakrauch und menschlicher Ausdünstung sichtbar wogende Luft erklärt ebenfalls nicht völlig befriedigend die Anziehung, die der ,Simpl‘ [...] ausübte. (Erich Mühsam, Unpolitische Erinnerungen)
An den Wänden hängen Bilder der dort verkehrenden Maler und auf der kleinen Bühne treten verschiedene Dichter auf. Zu den Stammgästen und Vortragenden zählen unter anderem Erich Mühsam, Ludwig Scharf, Frank Wedekind und Joachim Ringelnatz, der schnell zum Hausdichter wird. Die Gäste können ihr künstlerisches Talent einsetzen, um ihre Schulden bei der Wirtin zu begleichen oder sich eine warme Mahlzeit und die Zeche des Abends zu verdienen. In seinen Unpolitischen Erinnerungen beschreibt Mühsam den unkomplizierten Umgang der Wirtin mit seinen Schulden:
Kathi Kobus duzte all ihre Gäste, und ein Brief, der mir einmal auf einer meiner Fahrten nachgesandt wurde begann: „Sehr geehrter Herr Mühsam! Du bist mir noch über vierzig Mark schuldig...“ Am Schluß hieß es dann: Mit herzlichen Grüßen hochachtungsvoll Deine Kathi Kobus“, und ein Postskriptum lautete: „Kommst du net bald wieder, Erich?“ Als ich dann wiederkam und Kathi zur Rede stellte, was sie mir denn für unangenehme Mahnbriefe nachjage, meinte sie freundlich: „Scho recht. Daß d’ grad wieder da bist“, holte das Hauptbuch vor und strich meine ganze Zechschuld durch. „Aber vortragen mußt halt!“ sagte sie dann. (Erich Mühsam, Unpolitische Erinnerungen)
Wenn Mühsam hier vorträgt, bekommt das Publikum meist seine Schüttelreime zu hören:
Der ist ein großer Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.
Werbeanzeige Simplicissimus, 1903, Stadtarchiv München, DE-1992-PL-16526 und DE-1992-PL-16525
Auch den von ihm unter der Überschrift „Futuristischer Schleifenschüttelreim“ notierten Reim trägt er hier vor:
Der Nitter splackt.
Das Splatter nickt,
wenn splitternackt
die Natter splickt.
Zur Station 4 von 15 Stationen
Einer der wichtigsten Treffpunkte der Münchner Boheme am Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Künstlerkneipe Simplicissimus. 1903 eröffnet die geschäftstüchtige Wirtin Kathi Kobus das Lokal in der Türkenstraße 57. Schnell ist die Gaststätte allabendlich überfüllt. Zahlreiche Künstler und Intellektuelle folgen dem Ruf des „Simpl,“ wie das Lokal liebevoll genannt wird.
Das Gedränge war in allen Räumen von zehn Uhr abends an beängstigend, und die von Weindunst, Tabakrauch und menschlicher Ausdünstung sichtbar wogende Luft erklärt ebenfalls nicht völlig befriedigend die Anziehung, die der ,Simpl‘ [...] ausübte. (Erich Mühsam, Unpolitische Erinnerungen)
An den Wänden hängen Bilder der dort verkehrenden Maler und auf der kleinen Bühne treten verschiedene Dichter auf. Zu den Stammgästen und Vortragenden zählen unter anderem Erich Mühsam, Ludwig Scharf, Frank Wedekind und Joachim Ringelnatz, der schnell zum Hausdichter wird. Die Gäste können ihr künstlerisches Talent einsetzen, um ihre Schulden bei der Wirtin zu begleichen oder sich eine warme Mahlzeit und die Zeche des Abends zu verdienen. In seinen Unpolitischen Erinnerungen beschreibt Mühsam den unkomplizierten Umgang der Wirtin mit seinen Schulden:
Kathi Kobus duzte all ihre Gäste, und ein Brief, der mir einmal auf einer meiner Fahrten nachgesandt wurde begann: „Sehr geehrter Herr Mühsam! Du bist mir noch über vierzig Mark schuldig...“ Am Schluß hieß es dann: Mit herzlichen Grüßen hochachtungsvoll Deine Kathi Kobus“, und ein Postskriptum lautete: „Kommst du net bald wieder, Erich?“ Als ich dann wiederkam und Kathi zur Rede stellte, was sie mir denn für unangenehme Mahnbriefe nachjage, meinte sie freundlich: „Scho recht. Daß d’ grad wieder da bist“, holte das Hauptbuch vor und strich meine ganze Zechschuld durch. „Aber vortragen mußt halt!“ sagte sie dann. (Erich Mühsam, Unpolitische Erinnerungen)
Wenn Mühsam hier vorträgt, bekommt das Publikum meist seine Schüttelreime zu hören:
Der ist ein großer Schweinehund,
dem je der Sinn für Heine schwund.
Werbeanzeige Simplicissimus, 1903, Stadtarchiv München, DE-1992-PL-16526 und DE-1992-PL-16525
Auch den von ihm unter der Überschrift „Futuristischer Schleifenschüttelreim“ notierten Reim trägt er hier vor:
Der Nitter splackt.
Das Splatter nickt,
wenn splitternackt
die Natter splickt.
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