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Katia und Thomas Mann mit ihren Kindern Erika, Klaus und Golo vor ihrem Landhaus in Bad Tölz, Sommer 1909 (Archiv Monacensia)

Landhaus Thomas Mann

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Die Geschwister Monika, Golo, Klaus und Erika Mann vor dem Tölzer Landhaus, um 1915 (Archiv Monacensia)

Das Landhaus Thomas Mann ist das heutige Gästehaus des Seniorinnenheims der Armen Schulschwestern in der Heißstraße 31 (St. Josefsheim). Seit 1926 ist das Haus im Besitz des Ordens. Hier schrieb Thomas Mann an seinem zweiten Roman Königliche Hoheit (1909), am Hochstaplerroman Felix Krull (1910), am zweiten Teil seiner Novelle Der Tod in Venedig (1911) sowie am Beginn des Romans Der Zauberberg (1913). Im Landhaus erlebt er 1911 auch einen starken Schneefall, der dann im Zauberberg literarische Verwertung findet, ebenso den Kriegsausbruch 1914. 1917 wurde das Haus für 65.000 Mark, die in Kriegsanliehen umgesetzt wurden, an den technischen Leiter des bibliophilen Verlags Bremer Presse, Dr. Willy Wiegand, verkauft. 1918 zog Thomas Mann schließlich nach Abwinkl am Tegernsee, 1919 ins Villino nach Feldafing.

Das Tölzer Landhaus ist das erste von vier Häusern, das Thomas Mann für sich hat bauen lassen, und das einzige, das im deutschsprachigen Gebiet heute noch steht.

 

(c) Literaturportal Bayern / Dr. Peter Czoik

Für die Kinder bildete das Landhaus mit seinem über einen Hektar großen Garten am Waldrand ein „Paradies“, wo sie phantastische Spiele erfanden und mit ihrem Hund Motz herumtobten, der das Vorbild für den leicht outrierten Hund Perceval in Königliche Hoheit gab und dessen Grab in Form eines errichteten Steinhaufens heute noch im Garten zu sehen ist. Klaus Mann erzählt sehr anschaulich, wie sich die Kinder das „Gro[ße]-Schi[ff]-Spiel“ ausdachten:

Das Spiel ‚Gro-Schie‘ bestand darin, daß unser Haus und der ganze Garten zum Schiffsdeck, die Zimmer zu den Kabinen wurden. Die schiffstechnischen Einzelheiten dieses schönen Spiels waren angeregt durch die Lektüre eines Romans, den wir ganz herrlich fanden und fast auswendig wußten: Kapitän Spieker und sein Schiffsjunge. So kannten wir uns aus: Unser Vater war der Kapitän, der sich selten zeigte, aber in der ‚Betriebskabine‘ alles lenkte; Mielein wurde Wirtschaftsdame und hieß feinerweise Gräfin Baudessin. Erika und Moni waren Passagiere erster Klasse, desgleichen Golo und ich. Während Erika und Moni aber eben nur einfach reisende Ladies waren, hieß ich Herr Steinrück, Golo Herr Löbenzahn, wir waren beide steinreiche Sonderlinge und miteinander befreundet. [...] Herr Steinrück war Bobbelchens Vater und Bobbelchen war leichtlebig, zu Herrn Steinrücks Sorge. So verflochten sich die Puppenschicksale mit den Schicksalen der Groß-Schiff-Bewohner. Bobbelchen und Madamchen ließen sich schrecklich gehen, während Papa Steinrück seine Weltreise machte. Darüber sprach der würdige alte Millionär mit Freund Löbenzahn, wenn die beiden hochvermögenden Käuze auf Deck promenierten. Die Wiesen waren das Meer. Wenn wir vormittags spazieren gehen mußten, wurde eine ‚Landung‘ eingelegt; der Wiesenweg in den Ort verwandelte sich in eine Palmenallee von Honolulu, und wir besichtigten das ehrliche alte Tölz wie Bombay.

(Klaus Mann: Kind dieser Zeit. Hamburg 2000, S. 28ff.)

Der Roman Kapitän Spieker und sein Schiffsjunge (1912) des Jugendbuchautors Georg Engel und das von ihm inspirierte Spiel werden zur Vorlage für einen weiteren Klassiker der Kinder- und Jugendbuchliteratur: Stoffel fliegt übers Meer (1932) von Erika Mann.

 

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Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik