Klammerweiher
Aus dem Klammerweiher – benannt nach einer Brauerei namens „Klammer“ – wurden im Winter Eisstangen für die Kühlung im Eiskeller des Klammerbräu herausgeschnitten. Klaus Mann lernte im Klammerweiher mühevoll das Schwimmen, während sich seine Geschwister Monika, Erika und Golo auf dem Sprungbrett sonnten. Den Klammerweiher gibt es an zwei exponierten literarischen Stellen: bei Klaus Mann in seiner Kindernovelle von 1926, und im Roman von Thomas Mann selbst, Doktor Faustus (1943-47). Die dortige Kuhmulde wird im Roman „Klammerweiher“ genannt. Thomas Mann spielt mit dem Prinzip der vertauschten Orte, denn der Roman spielt in Pfe(i)ffering, worunter sich bekanntlich Polling bei Weilheim verbirgt. In der Kindernovelle – geschrieben als Antwort auf Thomas Manns Novelle Unordnung und frühes Leid (1925) – entwickelt Klaus Mann eine Geschichte, die am Klammerweiher spielt und ihren Ausgangspunkt darin nimmt, dass eine Witwe vier Kinder hat. Den Witwenaspekt bezieht er von Tilly Wedekind, die seit 1918 Witwe war:
Am liebenswertesten war Mama im Sommer. Sie ging mit den Kindern zum Baden; vom Wiesenweg bog man nach links ab, wenn man ein Stück die Richtung zum Ort gegangen war, man erreichte den Klammer-Weiher, der schwarz und moorig zwischen ernsten Tannen lag. So dunkel und ehrfurchtgebietend waren selbst die Tannen im Walde nicht als diese, die hier gravitätisch das Wasser beschatteten. – Aber der Weiher wurde lieblicher dadurch, daß auf seiner verfinsterten Fläche tellerrunde Seerosen schwammen.
Über alles liebten die Kinder den Geruch in den hölzernen Ankleidehäuschen, er war sonderbar altgewohnt und morastig, mit den Ausdünstungen trocknender Bademäntel und Trikots angenehm untermischt. Die Kinder atmeten ihn schnuppernd ein, obwohl er ihnen ziemlich unappetitlich, ja unanständig und verworfen schien.
Im schwarzen Trikot saß Mama auf dem Sprungbrett, alle Herren sahen neugierig aus dem Herrenbassin herüber, aber sie hielt die Augen gesenkt. Ihre herrlichen Beine schimmerten weiß in der Sonne; es war berauschend zu sehen, wie sie die Arme hob, wie sie, ein benommenes, abwartendes, sonderbar totes und neugieriges Lächeln um den halbgeöffneten Mund, mit erhobenen Armen langsam von der Kabine aus die glitschigen Holzstufen hinunterstieg, Stufe für Stufe, bis das Wasser, schwarz und eiskalt, ihre Füße umschmeichelte, und sie sich, beglückt und fröstelnd, neigte, um ihren ganzen Leib diesen Liebkosungen hinzugeben.
(Klaus Mann: Kindernovelle. München 1964, S. 14)
(c) Literaturportal Bayern / Dr. Peter Czoik
Aus dem Klammerweiher – benannt nach einer Brauerei namens „Klammer“ – wurden im Winter Eisstangen für die Kühlung im Eiskeller des Klammerbräu herausgeschnitten. Klaus Mann lernte im Klammerweiher mühevoll das Schwimmen, während sich seine Geschwister Monika, Erika und Golo auf dem Sprungbrett sonnten. Den Klammerweiher gibt es an zwei exponierten literarischen Stellen: bei Klaus Mann in seiner Kindernovelle von 1926, und im Roman von Thomas Mann selbst, Doktor Faustus (1943-47). Die dortige Kuhmulde wird im Roman „Klammerweiher“ genannt. Thomas Mann spielt mit dem Prinzip der vertauschten Orte, denn der Roman spielt in Pfe(i)ffering, worunter sich bekanntlich Polling bei Weilheim verbirgt. In der Kindernovelle – geschrieben als Antwort auf Thomas Manns Novelle Unordnung und frühes Leid (1925) – entwickelt Klaus Mann eine Geschichte, die am Klammerweiher spielt und ihren Ausgangspunkt darin nimmt, dass eine Witwe vier Kinder hat. Den Witwenaspekt bezieht er von Tilly Wedekind, die seit 1918 Witwe war:
Am liebenswertesten war Mama im Sommer. Sie ging mit den Kindern zum Baden; vom Wiesenweg bog man nach links ab, wenn man ein Stück die Richtung zum Ort gegangen war, man erreichte den Klammer-Weiher, der schwarz und moorig zwischen ernsten Tannen lag. So dunkel und ehrfurchtgebietend waren selbst die Tannen im Walde nicht als diese, die hier gravitätisch das Wasser beschatteten. – Aber der Weiher wurde lieblicher dadurch, daß auf seiner verfinsterten Fläche tellerrunde Seerosen schwammen.
Über alles liebten die Kinder den Geruch in den hölzernen Ankleidehäuschen, er war sonderbar altgewohnt und morastig, mit den Ausdünstungen trocknender Bademäntel und Trikots angenehm untermischt. Die Kinder atmeten ihn schnuppernd ein, obwohl er ihnen ziemlich unappetitlich, ja unanständig und verworfen schien.
Im schwarzen Trikot saß Mama auf dem Sprungbrett, alle Herren sahen neugierig aus dem Herrenbassin herüber, aber sie hielt die Augen gesenkt. Ihre herrlichen Beine schimmerten weiß in der Sonne; es war berauschend zu sehen, wie sie die Arme hob, wie sie, ein benommenes, abwartendes, sonderbar totes und neugieriges Lächeln um den halbgeöffneten Mund, mit erhobenen Armen langsam von der Kabine aus die glitschigen Holzstufen hinunterstieg, Stufe für Stufe, bis das Wasser, schwarz und eiskalt, ihre Füße umschmeichelte, und sie sich, beglückt und fröstelnd, neigte, um ihren ganzen Leib diesen Liebkosungen hinzugeben.
(Klaus Mann: Kindernovelle. München 1964, S. 14)
(c) Literaturportal Bayern / Dr. Peter Czoik