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Franz Kafka (Fotografie aus dem Atelier Jacobi, 1906)

Ein Spaziergang zum Karlstor

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Abb. 7: Franz Kafka: Ansichtskarte II an Paul Kisch, München, 30. November1903. Akademie der Künste, Berlin, Sammlung Franz Kafka, Autographen-Literatur 52.01.

Auf einer der beiden Ansichtskarten, die Franz Kafka am 30. November 1903 seinem Freund Paul Kisch nach Prag schickt, ist das „Karlstor mit Neuhauserstr.“[1] zu sehen (Abb. 7). Wir können Kafka daher auf einem Spaziergang aus seiner Pension an der Sophienstraße zum Karlstor folgen und gehen mit ihm die alte Häuserreihe 5 bis 1 hinunter bis zum Eingangsportal zum Alten Botanischen Garten. Das von dem portugiesischen Baumeister Emanuel Herigoyen 1812 errichtete Tor trägt eine Inschrift, die sich einem Entwurf Goethes verdankt und von König Maximilian I. von Bayern endgültig festgelegt wurde: „FLORUM TELLVRIS GENTES DISSITAE / MAXIMILIANI IOS:[ephi] R.[egis] NVMINE CONSOCIATAE MDCCCXII [Der Blumen zerstreute Gattungen der Bildnerin Erde / auf Geheiß des Königs Maximilian Joseph vereinigt 1812).“[2]

Sollte Kafka vor dem Tor gestanden und diese Inschrift gelesen haben, konnte er südlich, also links davon, den mächtigen Justizpalast (1898) an der Elisenstraße wahrnehmen, das bauliche Gegenstück zum Glaspalast. Vom Eingang zum Justizpalast an der Elisenstraße blickte man hinüber zum Glaspalast, wo, vor dessen hervorspringenden Mittelteil, in einem Brunnen ein Neptun den Dreizack schwang. An den 1931 zerstörten Brunnen erinnert seit 1937 ein neuer Neptunbrunnen von Joseph Wackerle mit einer an Michelangelos ‚David‘ in Florenz erinnernden Figur.[3]

Um zum Karlstor zu kommen, musste Kafka sich nur umdrehen, über die Straße auf das Künstlerhaus (1900) und die Alte Hauptsynagoge (1887, zerstört 1938) zugehen und sich nach Süden zum Karlsplatz (Stachus) mit dem Karlstor wenden.

Die historische Ansichtskarte zeigt das Karlstor von innen. Der Blick geht durch das Tor nach Westen auf den Justizpalast, neben dem linken Torturm auf das Café „Karlsthor“ (1870), neben dem rechten Torturm auf das Hotel- und Café-Restaurant „Deutscher Hof“ und östlich davon auf das damalige Hotel samt Restauration „zum Oberpollinger“.[4] Es ist durchaus möglich, dass Kafka auch mit diesen Bauten das „Oberflächlichste von München“ meinte, was er in seinen ersten beiden Tagen in München „gerade betastet“[5] hatte.

 


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[1] Abb. in: Br I (wie Anm. 7), S. 403.

[2] Vgl. Alter Botanischer Garten (wie Anm. 44), S. 72. „Goethes Entwurf für eine Inschrift am Botanischen Garten“ findet sich in: Goethe und München. Die Bedeutung unserer Stadt nach Goethes Tagebüchern und Briefen und nach Mitteilungen seiner Freunde zusammengestellt von Franz Rapp. München 1932, S. 45. Im Nachdruck dieser Ausgabe, München 2014, fehlt dieser Entwurf.

[3] . Alter Botanischer Garten (wie Anm. 44), S. 72.

[4] Adreßbuch von München für das Jahr 1903 (wie Anm. 37), S. 478. Fotos der einstigen und der späteren Situation finden sich in: Richard Bauer, Eva Graf: Stadtvergleich. Münchner Ansichten. Photographien von einst mit Neuaufnahmen von Thomas Koller. München 1985, S. 48f. (Blick von der Neuhauser Straße auf das Karlstor) und S. 44f. (Neuhauser Straße 34).

[5] Franz Kafka: Brief an Paul Kisch, München 26.11.1903, in: Br I (wie Anm. 6), S. 31, Brief 25.

Verfasst von: Dr. Dirk Heißerer

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