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20.01.2017, 13:50 Uhr
Norbert Göttler
Ludwig Thoma-Reihe
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Dr. Norbert Göttler

150 Jahre Ludwig Thoma (1): Muse Dachau

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Anlässlich seines 150. Geburtstages präsentieren wir eine kleine Blogreihe zu Ludwig Thoma. Den Anfang macht Norbert Göttler, der über Thomas Verhältnis zur Dachau schreibt. Norbert Göttler ist Bezirksheimatpfleger von Oberbayern und arbeitet u.a. als Regisseur, Redakteur der Literatur in Bayern sowie als Autor. Er ist Mitglied der Münchner Turmschreiber. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. Neben Romanen, Erzählungen und Lyrik hat er auch Bücher zu kulturhistorischen Themen verfasst. Zuletzt veröffentlichte er die fünf Theaterstücke Bayerische Schicksale auf der Bühne, darunter eines über Ludwig Thoma. Die Premiere von Thoma – eine Selbstzerstörung findet am 31.3.2017 im Ludwig-Thoma-Haus Dachau statt. Und wie Thoma lebt auch Nobert Göttler in der Amperstadt.

*

„Am schönsten war es doch in Dachau!“

An einem Augustabend (1894) fuhr ich mit einem Freund nach Dachau. Wie wir den Berg hinaufkamen und der Marktplatz mit den Giebelhäusern recht feierabendlich vor mir lag, überkam mich eine starke Sehnsucht, in dieser Stille zu leben. Ich besann mich nicht lange, folgte dem plötzlichen Einfalle, und ich hatte es nicht zu bereuen.

Die spätere Thoma-Forschung hat darauf hingewiesen, dass dieser romantische Beginn, den Ludwig Thoma in seinen Erinnerungen schildert, kaum der Wirklichkeit entsprach. Von einem „plötzlichen Einfalle“ jedenfalls kann keine Rede sein. Thoma schwankte lange zwischen einer Kanzlei in Erding oder Dachau. Er entschied sich dann aber für die Amperstadt, weil er sich hier bessere Verdienstmöglichkeiten ausrechnete. Weil hier noch kein „Ferkelstecher“ ansässig war, wie sich Thoma auszudrücken pflegte. Trotzdem lässt man in Dachau keine Gelegenheit verstreichen, die Zeilen vom stillen Augustabend zu zitieren. Und in einem Brief an seine langjährige Geliebte Maidi von Liebermann legt Thoma 1920 noch eins drauf und schenkt der dankbaren Amperstadt weiteren Seelenbalsam: „Wenn ich zurückdenk´, am schönsten war es doch in Dachau!" – so sinnierte er auf der Tuften gedankenverloren vor sich hin.

Ludwig Thoma vor seinem Landhaus auf der „Tuften" in Rottach, o.D. (Archiv Monacensia)

Richtig ist, dass Thomas Schriftstellerkarriere mit der satirischen Erzählung Agricola in Dachau begann, dass er viele Motive und Themen aus dem bäuerlichen Leben des Dachauer Hinterlandes schöpfte, dass er zeitlebens Gelegenheit fand, dort sein 22.000 Tagwerk großes Jagdgebiet zu besuchen. Richtig ist aber auch, dass in Dachau heute noch zahlreiche Anekdoten kursieren, die über die charakterlichen Befindlichkeiten des so genannten Bayerndichters eher Zweifel aufkommen lassen – und das längst vor 1920/21. Dass man in Dachau schon zu Thomas Zeiten auch die Satire Agricola als Provokation aufgefasst hat, illustriert ein Artikel des Lokalblattes Amperbote vom 8.1.1902:

Der früher als Rechtsanwalt hier thätige Dr.Thoma ist bekanntlich unter die Schriftsteller gegangen, weil ihm die Jurisprudenz anscheinend wenig Freude und noch weniger Erfolg bot. Das Erstlingskind seiner Musen war die „Agrikula" (!), welche  im Dachauer Land spielt. (...) Wir haben damals schon unserer Verwunderung Ausdruck gegeben, daß der sonst unzweifelhaft begabte Verfasser dort so alte Witze „verzapft" und seine Schöpfung mit Zerrbildern belebt, welche in jeder Gegend, aber auch da nur in Einzel-Exemplaren zu finden sind. Trottel- und Kretinenphysiognomien wird er beispielsweise in viel reichlicherer Auswahl im Gebirg finden wie im Flachland. (...) Es würde uns freuen, wenn der Verfasser seine satyrische Muse etwas verallgemeinern oder sein Glück einmal in einer anderen Gegend versuchen wollte.

 

 

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