München: Ödön von Horváth & Oskar Maria Graf. Rund um die Schellingstraße
- Horváth/Graf: Geschwister-Scholl-Platz 1
- Horváth: Akademiestraße 5
- Horváth: Türkenstraße 98
- Horváth: Adalbertstraße 15
- Graf: Schraudolphstraße 36
- Horváth: Arcisstraße 50
- Graf: Schnorrstraße 3
- Graf: Schellingstraße 62-50
- Horváth: Schellingstraße 56-54
- Graf: Barer Straße 37
- Horváth: Schellingstraße 46-41
- Graf: Türkenstraße 57
- Horváth: Schellingstraße 27
- Horváth: Schellingstraße 23
- Horváth: Schellingstraße 15
Der Spaziergangs hat eine Länge von 2,6km und die reine Laufzeit beträgt eine halbe Stunde.
Die Schriftsteller Ödön von Horváth und Oskar Maria Graf haben in ihrer Literatur das Bild von Bayern am Vorabend des Nationalsozialismus entscheidend geprägt. Der eine ist Bayer vom Starnberger See und Geschichtenerzähler, der andere Ungar deutscher Sprache und Bühnenautor. Ihre Erzählungen, Romane und Theaterstücke erzählen viel über die Atmosphäre in Bayern, kurz bevor Adolf Hitler an die Macht kommt: von der Not, dem Elend und der Krisenstimmung auf den Straßen, aber auch von den Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen der Menschen damals. Geradezu visionär sehen beide voraus, wie aus engstirnigen Kleinbürgern fanatisierte Mitläufer werden können.
Als Chronisten ihrer Zeit haben beide eine große gemeinsame Leidenschaft: Sie suchen die Nähe zum einfachen Volk, zur großen Masse, die in einer Demokratie geschichtsbestimmend ist. Graf und Horváth treffen diese einfachen Leute in den Gastwirtschaften, Biergärten, Bierschwemmen oder Cafés. Oder gehen bei Faschingsfesten, in der Starkbierzeit und auf dem Oktoberfest auf Tuchfühlung mit ihnen. Doch ihr Blickwinkel könnte unterschiedlicher nicht sein: Ödön von Horváth diagnostiziert diese Menschen von außen und bleibt dabei stets der neugierige, kaum tangierte Beobachter, dem alles fremd ist. Aus kühler Distanz seziert er mit dem Skalpell, was er sieht. Er will herausbekommen, was die Menschen bewegt, worüber sie sich freuen, was ihnen Sorgen bereitet und wie sie miteinander umgehen. In seinen Stücken gibt er ihren anonymisierten Gesichtern eine große allgemeingültige Biografie, ohne ihnen ihre eigene Identität zu nehmen.
Anders dagegen Oskar Maria Graf. Er kennt die Menschen, über die er schreibt, von klein auf und hat großen Respekt vor diesen einfachen Leuten, die mit ihrer Hände Arbeit die Welt in Gang halten. Es drängt Graf geradezu, ihre Geschichten ganz ohne Scheu zu erzählen, indem er aufschreibt, was er mit ihnen erlebt hat. Seine Sprache ist urwüchsig, mit Dialektausdrücken durchsetzt und leicht verständlich. Das macht ihn „stammtischpopulär“: Ungehobelt im Auftreten und derb im Ton, gibt Graf in Lederhose und Trachtenjacke ganz den bäuerlichen Menschen vom Land. Und doch unterscheidet sich Graf von den traditionsverhafteten Landbewohnern: als Sozialist und Anarchist hegt er tiefes Misstrauen gegen alles streng Geregelte. Graf ist ein Mensch der Emotionen, dem der „Glaube an das Menschliche im Menschen herausgeprügelt“ worden ist und der dagegen rebelliert.
Nur wenigen ist bekannt, dass die beiden Schriftsteller sich gut kennen und zwischen 1925 und 1933 ein Stück des Weges miteinander gehen. Gemeinsam kämpfen sie in Aktionsbündnissen für mehr Demokratie und gegen die rechtsextreme Gefahr. Doch dann zerbricht ihre Freundschaft ausgerechnet an der unterschiedlichen politischen Haltung.
Das Leben der Dichterfreunde spielt sich damals in München rund um die Schellingstraße ab. Seit 1921 wohnt Oskar Maria Graf in der Barer Straße 37 in einem Hinterhof-Atelier und ist ein gern und häufig gesehener Gast in den zahlreichen Gastwirtschaften, Künstlerkneipen und Cafés entlang der Schellingstraße. Horváth wohnt in einer Studentenbude ganz in der Nähe und hört an der Universität Vorlesungen bei Professor Arthur Kutscher. Hier an der Bruchlinie zwischen Maxvorstadt und Schwabing stößt die Welt der Handwerker und kleinen Ladenbesitzern mit der Welt der Möchtegern-Künstler und verkrachten Existenzen zusammen. Im Schelling-Salon, halb Spielhölle, halb Wiener Café-Restaurant, treffen sie auf engstem Raum zusammen: Schieber, Kriegsgewinnler, verarmte Adelige, Arbeitslose, Kellner, Büroangestellte.
Während Ödön von Horváth zunehmend die entwurzelten Kleinbürger ins Visier nimmt, baut Oskar Maria Graf systematisch sein Image als tiefverwurzelter urwüchsiger weißblauer Kraftmensch aus.
Wo sich einzelne Spuren ihres biografischen und dichterischen Werdegangs verfolgen lassen, das zeigt dieser Spaziergang rund um die Münchner Schellingstraße…
Spaziergang starten: Station 1 von 15 Stationen
Sekundärliteratur:
Lunzer, Heinz; Lunzer-Talos, Victoria; Tworek, Elisabeth (2001): Horváth. Einem Schriftsteller auf der Spur. Residenz Verlag, Salzburg/Wien/Frankfurt am Main.
Tworek, Elisabeth (2011): Das Ende einer Dichterfreundschaft. Ödön von Horváth und Oskar Maria Graf. In: Jahrbuch der Oskar Maria Graf-Gesellschaft, S. 85-104.
Tworek, Elisabeth (2012): München. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg.
Wucher, Petra (2012): „Ich dichtete und lief in der Revolution herum“. Oskar Maria Grafs Münchner Jahre 1911 bis 1933 (Münchner STATTreisen, 5). Allitera Verlag, München.
- Horváth/Graf: Geschwister-Scholl-Platz 1
- Horváth: Akademiestraße 5
- Horváth: Türkenstraße 98
- Horváth: Adalbertstraße 15
- Graf: Schraudolphstraße 36
- Horváth: Arcisstraße 50
- Graf: Schnorrstraße 3
- Graf: Schellingstraße 62-50
- Horváth: Schellingstraße 56-54
- Graf: Barer Straße 37
- Horváth: Schellingstraße 46-41
- Graf: Türkenstraße 57
- Horváth: Schellingstraße 27
- Horváth: Schellingstraße 23
- Horváth: Schellingstraße 15
Der Spaziergangs hat eine Länge von 2,6km und die reine Laufzeit beträgt eine halbe Stunde.
Die Schriftsteller Ödön von Horváth und Oskar Maria Graf haben in ihrer Literatur das Bild von Bayern am Vorabend des Nationalsozialismus entscheidend geprägt. Der eine ist Bayer vom Starnberger See und Geschichtenerzähler, der andere Ungar deutscher Sprache und Bühnenautor. Ihre Erzählungen, Romane und Theaterstücke erzählen viel über die Atmosphäre in Bayern, kurz bevor Adolf Hitler an die Macht kommt: von der Not, dem Elend und der Krisenstimmung auf den Straßen, aber auch von den Sehnsüchten, Ängsten und Hoffnungen der Menschen damals. Geradezu visionär sehen beide voraus, wie aus engstirnigen Kleinbürgern fanatisierte Mitläufer werden können.
Als Chronisten ihrer Zeit haben beide eine große gemeinsame Leidenschaft: Sie suchen die Nähe zum einfachen Volk, zur großen Masse, die in einer Demokratie geschichtsbestimmend ist. Graf und Horváth treffen diese einfachen Leute in den Gastwirtschaften, Biergärten, Bierschwemmen oder Cafés. Oder gehen bei Faschingsfesten, in der Starkbierzeit und auf dem Oktoberfest auf Tuchfühlung mit ihnen. Doch ihr Blickwinkel könnte unterschiedlicher nicht sein: Ödön von Horváth diagnostiziert diese Menschen von außen und bleibt dabei stets der neugierige, kaum tangierte Beobachter, dem alles fremd ist. Aus kühler Distanz seziert er mit dem Skalpell, was er sieht. Er will herausbekommen, was die Menschen bewegt, worüber sie sich freuen, was ihnen Sorgen bereitet und wie sie miteinander umgehen. In seinen Stücken gibt er ihren anonymisierten Gesichtern eine große allgemeingültige Biografie, ohne ihnen ihre eigene Identität zu nehmen.
Anders dagegen Oskar Maria Graf. Er kennt die Menschen, über die er schreibt, von klein auf und hat großen Respekt vor diesen einfachen Leuten, die mit ihrer Hände Arbeit die Welt in Gang halten. Es drängt Graf geradezu, ihre Geschichten ganz ohne Scheu zu erzählen, indem er aufschreibt, was er mit ihnen erlebt hat. Seine Sprache ist urwüchsig, mit Dialektausdrücken durchsetzt und leicht verständlich. Das macht ihn „stammtischpopulär“: Ungehobelt im Auftreten und derb im Ton, gibt Graf in Lederhose und Trachtenjacke ganz den bäuerlichen Menschen vom Land. Und doch unterscheidet sich Graf von den traditionsverhafteten Landbewohnern: als Sozialist und Anarchist hegt er tiefes Misstrauen gegen alles streng Geregelte. Graf ist ein Mensch der Emotionen, dem der „Glaube an das Menschliche im Menschen herausgeprügelt“ worden ist und der dagegen rebelliert.
Nur wenigen ist bekannt, dass die beiden Schriftsteller sich gut kennen und zwischen 1925 und 1933 ein Stück des Weges miteinander gehen. Gemeinsam kämpfen sie in Aktionsbündnissen für mehr Demokratie und gegen die rechtsextreme Gefahr. Doch dann zerbricht ihre Freundschaft ausgerechnet an der unterschiedlichen politischen Haltung.
Das Leben der Dichterfreunde spielt sich damals in München rund um die Schellingstraße ab. Seit 1921 wohnt Oskar Maria Graf in der Barer Straße 37 in einem Hinterhof-Atelier und ist ein gern und häufig gesehener Gast in den zahlreichen Gastwirtschaften, Künstlerkneipen und Cafés entlang der Schellingstraße. Horváth wohnt in einer Studentenbude ganz in der Nähe und hört an der Universität Vorlesungen bei Professor Arthur Kutscher. Hier an der Bruchlinie zwischen Maxvorstadt und Schwabing stößt die Welt der Handwerker und kleinen Ladenbesitzern mit der Welt der Möchtegern-Künstler und verkrachten Existenzen zusammen. Im Schelling-Salon, halb Spielhölle, halb Wiener Café-Restaurant, treffen sie auf engstem Raum zusammen: Schieber, Kriegsgewinnler, verarmte Adelige, Arbeitslose, Kellner, Büroangestellte.
Während Ödön von Horváth zunehmend die entwurzelten Kleinbürger ins Visier nimmt, baut Oskar Maria Graf systematisch sein Image als tiefverwurzelter urwüchsiger weißblauer Kraftmensch aus.
Wo sich einzelne Spuren ihres biografischen und dichterischen Werdegangs verfolgen lassen, das zeigt dieser Spaziergang rund um die Münchner Schellingstraße…
Spaziergang starten: Station 1 von 15 Stationen
Verfasst von: Monacensia Literaturarchiv und Bibliothek / Dr. Peter Czoik