Ausgehend vom Kirchenportal umrundet man den ehemaligen Klosterkomplex gegen den Uhrzeigersinn. Das Gymnasium (1) steht dabei für die mittelalterliche Klosterschule, wo die Knaben lateinische Hymnen lernten und ins Deutsche übersetzten, die sie anschließend in der ehemaligen Klosterkirche sangen. Neben dem Gymnasium folgt die heutige Herzogliche Brauerei und auf der anderen Straßenseite das Museum Tegernseer Tal (2). Der Rundgang endet wieder vor der heutigen Pfarrkirche St. Quirinus (3).

Im Mittelalter war Tegernsee der „thinktank“ Bayerns! Denn vor 1472 gab es in Altbayern keine Universität. Das damalige Kloster Tegernsee fungierte aber mit seinen gelehrten Mönchen als Berater für die Herzöge. Für das Volk entwickelte man hier beispielsweise eine bairische Übersetzung des lateinischen Vaterunser.

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Vor der Gründung der Universität Ingolstadt (1472) bildete Tegernsee das intellektuelle Zentrum Bayerns. Dies war möglich, weil viele Tegernseer Mönche an Universitäten studiert hatten. Besonders beliebt war dabei die Universität Wien.

Das Kloster Melk in der Nähe von Wien schickte ebenfalls viele Mönche an die alma mater rudolphina – so hieß diese habsburgische Universität seit ihrer Gründung durch Erzherzog Rudolph IV. auch. Zugleich wurde Melk zum Zentrum einer Reform des Benediktinerordens.

Dieser altehrwürdige Mönchsorden war im späten Mittelalter in eine Krise geraten. Die sogenannte Melker Reform wollte die Bildung der Mönche fördern und die Klosterpforten auch für bürgerliche Interessierte öffnen, während zuvor vor allem nachgeborene Adelige ein bequemes Leben hinter Klostermauern suchten. Vom neuen, strengen Geist profitierten insbesondere die Studien, neben Melk vor allem im Kloster Tegernsee. Es wurden vermehrt Bücher abgeschrieben und das Niveau in den Klostergymnasien stieg an.

Tegernsee selbst wurde in Altbayern – aber auch für Schwaben – zu einem Reformzentrum zum Nutzen der anderen Benediktinerklöster. Denn Tegernseer Mönche visitierten (besuchten) und reformierten beispielsweise in Augsburg das Kloster Sankt Ulrich und Afra.

In all den reformierten Klöstern entfaltete sich im 15. Jahrhundert ein reges geistiges wie geistliches Leben. Die Wittelsbacher und der Hochadel in Bayern schätzten dabei den Rat der gelehrten Mönche.

 

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Literatur: 

Wolf, Klaus (2006): Hof – Universität – Laien. Literatur- und sprachgeschichtliche Untersuchungen zum deutschen Schrifttum der Wiener Schule des Spätmittelalters (Wissensliteratur im Mittelalter, Bd. 45). Dr. Ludwig Reichert Verlag, Wiesbaden.

Ders. (2018): Bayerische Literaturgeschichte. Von Tassilo bis Gerhard Polt. C.H. Beck, München.

Ders. (2018): Tegernsee und Augsburg als zentrale Rezeptionsorte der Wiener Schule. In: Reformen vor der Reformation. Sankt Ulrich und Afra und der monastische-urbane Umkreis im 15. Jahrhundert. Hg. von Gisela Drossbach und Klaus Wolf (Studia Augustana. Augsburger Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte, Bd. 18). Walter de Gruyter, Berlin/Boston, S. 231-238.

Ders. (2020): Zwischen Melker Reform und Aufklärung. Der literaturgeschichtliche Beitrag oberdeutscher Klöster. In: Klöster, Kultur und Kunst – Süddeutsche Sakrallandschaft in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Hg. von Wolfgang Wüst. Unter Mitarbeit von Lisa Bauereisen und Christoph Gunkel. Peter Lang, Berlin, S. 215-224.

Verfasst von: TELITO / Prof. Dr. Klaus Wolf

Die „12 Tegernseer LiteraTouren“ sind ein Projektergebnis von TELITO, den „Tegernseer LiteraTouren“, in Kooperation mit der Tegernseer Tal Tourismus GmbH (TTT). TELITO ist ein Modell- und Demonstrationsvorhaben im Rahmen des „Bundesprogramm Ländliche Entwicklung (BULE)“ und der Bekanntmachung „LandKULTUR – kulturelle Aktivitäten und Teilhabe in ländlichen Räumen“. Es wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) finanziert.

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