Da schau her: Denkweisen, Horizonte, Utopien
„Da schau her“ ist in doppeltem Sinne gemeint. Wer es bairisch ausspricht, wird diesen Ausruf mit einer kleinen Melodie zum Ausdruck bringen, voller Verwunderung: „Do schaug hea!“ In dieser Verwunderung kann Erstaunen, auch eine gewisse Abschätzigkeit, ebenso freilich eine Bewunderung ausgedrückt werden. Wer „Da schau her!“ eher hochdeutsch ausspricht, möchte auf gut Neudeutsch ausdrücken: Die sind aber gut aufgestellt! Hätte man sich gar nicht gedacht, was da alles zusammenkommt, im bosco an Möglichkeiten: denkerische, spielerische, immer poetische, die zugleich voller Ernst sind – wenn es einem behagt, mit Lachen die Wahrheit zu sagen (in vollem Bewusstsein, dass es eine Wahrheit nicht gibt, gar nicht geben kann).
Teil 2: Vom genauen Hinschauen.
Auf seiner Italienischen Reise entdeckt Goethe nicht nur das antike Erbe, vor allem Griechenlands. Er lernt auch, selbst genau hinzuschauen. In Venedig ist es ein Taschenkrebs, der ihm so zum Lehrmeister der Natur wird. Er beobachtet seinen kleinen Lebenskreis zwischen der Trockenheit des Sandes und den Wellen des Meeres. Wagt er sich zu weit hinaus aufs Wasser, wird er hinweggespült. Krabbelt er zu sehr ins Land hinein, vertrocknet er im Sand. Behält er aber das rechte Maß, bleibt er am Leben. Zugleich wahrt er damit auch seine Schönheit. „Wie angemessen zu seinem Zustande“, so nimmt ihn Goethe wahr – und entwirft damit gleichzeitig ein Programm klassischer Ästhetik aus der Anschauung der Natur.
Wir begleiten an diesem Abend auf einer virtuellen Reise auch andere deutsche Reisende in das Land, in dem die Zitronen blühen. Für Johann Gottfried Seume erschließt sich das Land nicht aus der komfortablen Kutsche, sondern er geht zu Fuß, in seinem berühmten Spaziergang nach Syracus: „Es ginge alles besser, wenn man mehr ginge.“ So entsteht in der Beschreibung von Land und Leuten ein „Soziogramm“ konkreter Wirklichkeit, das zum Gegenstück goethischer Sichtweise wird. Heinrich Heine belustigt sich über den Dichterfürsten in der Weise, dass die Natur es gut hat, einen Goethe zu haben, der sie beschreibt. „Die Natur wollte wissen, wie sie aussieht, und sie erschuf Goethe.“ Otto Julius Bierbaum ist der erste Automobilist, der als Schriftsteller über die Alpen setzt und auf seine Weise und auf seine Weise das Land entdeckt: Eine empfindsame Reise im Automobil. Über den sich aufplusternden Kreis um Stefan George, die in der Nachahmung Goethes wetteifern, lästert er: „Feierlich sein ist alles! Sei dumm wie ein Thunfisch, temperamentlos wie eine Qualle, stier besessen wie ein narkotisierter Frosch, aber sei feierlich, und du wirst plötzlich Leute um dich sehen, die vor Bewunderung nicht mehr mäh sagen können.“
Termine
23.11.2022 Teil 1: Vom Schatten der Erkenntnis
08.02.2023 Teil 2: Vom genauen Hinschauen
08.03.2023 Teil 3: Mit dem Herzen sehen
Da schau her: Denkweisen, Horizonte, Utopien
„Da schau her“ ist in doppeltem Sinne gemeint. Wer es bairisch ausspricht, wird diesen Ausruf mit einer kleinen Melodie zum Ausdruck bringen, voller Verwunderung: „Do schaug hea!“ In dieser Verwunderung kann Erstaunen, auch eine gewisse Abschätzigkeit, ebenso freilich eine Bewunderung ausgedrückt werden. Wer „Da schau her!“ eher hochdeutsch ausspricht, möchte auf gut Neudeutsch ausdrücken: Die sind aber gut aufgestellt! Hätte man sich gar nicht gedacht, was da alles zusammenkommt, im bosco an Möglichkeiten: denkerische, spielerische, immer poetische, die zugleich voller Ernst sind – wenn es einem behagt, mit Lachen die Wahrheit zu sagen (in vollem Bewusstsein, dass es eine Wahrheit nicht gibt, gar nicht geben kann).
Teil 2: Vom genauen Hinschauen.
Auf seiner Italienischen Reise entdeckt Goethe nicht nur das antike Erbe, vor allem Griechenlands. Er lernt auch, selbst genau hinzuschauen. In Venedig ist es ein Taschenkrebs, der ihm so zum Lehrmeister der Natur wird. Er beobachtet seinen kleinen Lebenskreis zwischen der Trockenheit des Sandes und den Wellen des Meeres. Wagt er sich zu weit hinaus aufs Wasser, wird er hinweggespült. Krabbelt er zu sehr ins Land hinein, vertrocknet er im Sand. Behält er aber das rechte Maß, bleibt er am Leben. Zugleich wahrt er damit auch seine Schönheit. „Wie angemessen zu seinem Zustande“, so nimmt ihn Goethe wahr – und entwirft damit gleichzeitig ein Programm klassischer Ästhetik aus der Anschauung der Natur.
Wir begleiten an diesem Abend auf einer virtuellen Reise auch andere deutsche Reisende in das Land, in dem die Zitronen blühen. Für Johann Gottfried Seume erschließt sich das Land nicht aus der komfortablen Kutsche, sondern er geht zu Fuß, in seinem berühmten Spaziergang nach Syracus: „Es ginge alles besser, wenn man mehr ginge.“ So entsteht in der Beschreibung von Land und Leuten ein „Soziogramm“ konkreter Wirklichkeit, das zum Gegenstück goethischer Sichtweise wird. Heinrich Heine belustigt sich über den Dichterfürsten in der Weise, dass die Natur es gut hat, einen Goethe zu haben, der sie beschreibt. „Die Natur wollte wissen, wie sie aussieht, und sie erschuf Goethe.“ Otto Julius Bierbaum ist der erste Automobilist, der als Schriftsteller über die Alpen setzt und auf seine Weise und auf seine Weise das Land entdeckt: Eine empfindsame Reise im Automobil. Über den sich aufplusternden Kreis um Stefan George, die in der Nachahmung Goethes wetteifern, lästert er: „Feierlich sein ist alles! Sei dumm wie ein Thunfisch, temperamentlos wie eine Qualle, stier besessen wie ein narkotisierter Frosch, aber sei feierlich, und du wirst plötzlich Leute um dich sehen, die vor Bewunderung nicht mehr mäh sagen können.“
Termine
23.11.2022 Teil 1: Vom Schatten der Erkenntnis
08.02.2023 Teil 2: Vom genauen Hinschauen
08.03.2023 Teil 3: Mit dem Herzen sehen