Die Schriftstellerin Katja Huber dichtet im Zug durch Fremdland
Am 9. März fand im Café Lost Weekend eine große Lesung Münchner Autoren statt, bei der das Literaturportal Bayern als Kooperationspartner mitwirkte. Motto des Abends war: „But you’re welcome – eine Initiative gegen Fremdenhass“. Wo sind wir selbst fremd? Wie hängen Fremdsein und Schreiben zusammen? Fragen wie diesen ging vor fast 100 Besuchern eine Reihe namhafter Autoren nach: Steven Uhly, Lena Gorelik, Daniel Jaakov Kühn, Andreas Unger, Sandra Hoffmann, Margarete Moulin, Jürgen Bulla, Katja Huber (der wir auch für Mitschnitt und Nachbearbeitung danken!), Daniel Grohn, Emel Ugurcan, Andrea Heuser und Dagmar Leupold. Es moderierten Maximilian Dorner und Fridolin Schley, für den musikalischen Rahmen sorgte Daniel Grohn.
Wer den Abend verpasst hat – oder ihn auffrischen möchte – kann die Texte im Literaturportal Bayern noch einmal nachlesen und nachhören. Die gesammelten Texte werden im Sommer als Buch im P. Kirchheim Verlag erscheinen. Heute vorab:
Fremdschämen
von Katja Huber
Da wippt ein Kopf
Locken läuten
klanglos
Da nickt eine Frau
im Takt
Da blickt eine Frau
auf
und ich lächle,
glaube ich, als
sie lächelt und
nickt,
als ich frage,
ob da noch Platz ist
neben ihr.
Sie nickt, als ich mich setze,
und wir
atmen ein
und aus
und ein
und aus
und ganz
zufällig
ganz
zugleich
ganz zusammen.
Reissleine,
denke ich,
als sie
Stöpsel zieht –
aus ihrem Ohr,
und
Jay Z
dringt
an mein Ohr,
und sie gleich hinterher:
„Do you understand me?“
fragt
und, als ich nicke,
den Daumen
– LIKE! –
zeigt,
und,
als ich nicke und
„Ja“ sage anstatt „Yes“
„Completely?“
fragt.
„Alles“, antworte ich.
Sie lächelt.
„Okay.“
Errötet.
Jay Z verstummt.
Sie wippt
trotzdem oder
erst recht.
Sagt
„Tut mir leid.
You don't know“,
korrigiert: „Man weiß ja nicht“,
fährt fort: „jetzt, wo man nicht mehr weiß,
wer hierher“
– zögert –
„gehört und“
– zögert –
„wer nicht.“
Noch bevor sie einatmet,
bleibt mein Atem stehen.
Als sie einatmet,
steht mein Atem still.
„Sorry“, sagt sie,
kichert,
„Entschuldigung ...“,
sagt sie.
Mein Atem steht
„... jetzt aber wirklich
auf Deutsch
und von vorne“,
sagt sie,
und ich
puste
huste
pruste.
Denn Luft anhalten,
bis alles
zurück gesetzt
zurecht gerückt
ins lichte Recht gestellt
ist,
geht nicht.
„Woher?“
fragt sie.
„Egal“, sage ich
„Dir vielleicht!“ sagt sie,
„Nein, mir nicht,
sage ich
„ausgerechnet mir nicht“
sage und
Reissleine!,
denke ich.
„Dann eben nicht“, sagt sie.
Steckt Stöpsel.
Schüttelt Kopf.
Drückt Knopf
Kopf wippt.
Locken läuten
Frau blickt
nur in sich.
Frau nickt
nur für sich
mir nicht
mehr
zu.
Känguru!
Nächstes Mal sage ich, dass ich aus dem Känguru komme.
Dem Känguru, Kongo oder Kathmandu.
Und auf jeden Fall in gebrochenem Englisch.
Die Schriftstellerin Katja Huber dichtet im Zug durch Fremdland>
Am 9. März fand im Café Lost Weekend eine große Lesung Münchner Autoren statt, bei der das Literaturportal Bayern als Kooperationspartner mitwirkte. Motto des Abends war: „But you’re welcome – eine Initiative gegen Fremdenhass“. Wo sind wir selbst fremd? Wie hängen Fremdsein und Schreiben zusammen? Fragen wie diesen ging vor fast 100 Besuchern eine Reihe namhafter Autoren nach: Steven Uhly, Lena Gorelik, Daniel Jaakov Kühn, Andreas Unger, Sandra Hoffmann, Margarete Moulin, Jürgen Bulla, Katja Huber (der wir auch für Mitschnitt und Nachbearbeitung danken!), Daniel Grohn, Emel Ugurcan, Andrea Heuser und Dagmar Leupold. Es moderierten Maximilian Dorner und Fridolin Schley, für den musikalischen Rahmen sorgte Daniel Grohn.
Wer den Abend verpasst hat – oder ihn auffrischen möchte – kann die Texte im Literaturportal Bayern noch einmal nachlesen und nachhören. Die gesammelten Texte werden im Sommer als Buch im P. Kirchheim Verlag erscheinen. Heute vorab:
Fremdschämen
von Katja Huber
Da wippt ein Kopf
Locken läuten
klanglos
Da nickt eine Frau
im Takt
Da blickt eine Frau
auf
und ich lächle,
glaube ich, als
sie lächelt und
nickt,
als ich frage,
ob da noch Platz ist
neben ihr.
Sie nickt, als ich mich setze,
und wir
atmen ein
und aus
und ein
und aus
und ganz
zufällig
ganz
zugleich
ganz zusammen.
Reissleine,
denke ich,
als sie
Stöpsel zieht –
aus ihrem Ohr,
und
Jay Z
dringt
an mein Ohr,
und sie gleich hinterher:
„Do you understand me?“
fragt
und, als ich nicke,
den Daumen
– LIKE! –
zeigt,
und,
als ich nicke und
„Ja“ sage anstatt „Yes“
„Completely?“
fragt.
„Alles“, antworte ich.
Sie lächelt.
„Okay.“
Errötet.
Jay Z verstummt.
Sie wippt
trotzdem oder
erst recht.
Sagt
„Tut mir leid.
You don't know“,
korrigiert: „Man weiß ja nicht“,
fährt fort: „jetzt, wo man nicht mehr weiß,
wer hierher“
– zögert –
„gehört und“
– zögert –
„wer nicht.“
Noch bevor sie einatmet,
bleibt mein Atem stehen.
Als sie einatmet,
steht mein Atem still.
„Sorry“, sagt sie,
kichert,
„Entschuldigung ...“,
sagt sie.
Mein Atem steht
„... jetzt aber wirklich
auf Deutsch
und von vorne“,
sagt sie,
und ich
puste
huste
pruste.
Denn Luft anhalten,
bis alles
zurück gesetzt
zurecht gerückt
ins lichte Recht gestellt
ist,
geht nicht.
„Woher?“
fragt sie.
„Egal“, sage ich
„Dir vielleicht!“ sagt sie,
„Nein, mir nicht,
sage ich
„ausgerechnet mir nicht“
sage und
Reissleine!,
denke ich.
„Dann eben nicht“, sagt sie.
Steckt Stöpsel.
Schüttelt Kopf.
Drückt Knopf
Kopf wippt.
Locken läuten
Frau blickt
nur in sich.
Frau nickt
nur für sich
mir nicht
mehr
zu.
Känguru!
Nächstes Mal sage ich, dass ich aus dem Känguru komme.
Dem Känguru, Kongo oder Kathmandu.
Und auf jeden Fall in gebrochenem Englisch.