Logen-Blog [494]: Spanische Umwege mit sprechenden Hunden
Wir bleiben noch ein bisschen bei Cervantes – denn man hat ihm, was der Blogger als besonders schöne Würdigung empfindet, zumal in Sevilla, wo er an seinen Hauptwerken arbeitete, nicht wenige Gedenktafeln an die Mauern gehängt.
Typisch aber ist diese Art von Erinnerungsmal: typisch spanisch, weil hier wieder das Fliesenhandwerk zu seinem Recht kommt. In Sevilla wird der Stadtwanderer allenthalben auf diese Memoriale stoßen, die ihm mitteilen, an welcher Stelle der Dichter diese Stelle – die Gasse, den Platz also – erwähnt hat.
Wir nähern uns damit, aber nur über einen kleinen Umweg, unserem Dichter – denn die Tafel erwähnt eine bekannte Erzählung, genauer: einen Text aus dem Zyklus der Novelas Ejemplares, was den deutschen Literaturfreund sofort stutzen lässt. CIPIÓN Y BERGANZA o EL COLOQUIO DE LOS PERROS, so lautet der Titel, der einen schönen Untertitel besitzt: Novela, y coloquio, que pasó entre Cipión y Berganza, perros del Hospital de la Resurrección, que está en la ciudad de Valladolid, fuera de la puerta del Campo, a quien comúnmente llaman „Los perros de Mahudes“.
Das Gespräch der beiden Hunde aber beginnt folgendermaßen (damit der Leser einmal etwas vom knochenlosen Spanisch mitbekommt):
CIPIÓN.—Berganza amigo, dejemos esta noche el Hospital en guarda de la confianza y retirémonos a esta soledad y entre estas esteras, donde podremos gozar sin ser sentidos desta no vista merced que el cielo en un mismo punto a los dos nos ha hecho.
BERGANZA.—Cipión hermano, óyote hablar y sé que te hablo, y no puedo creerlo, por parecerme que el hablar nosotros pasa de los términos de naturaleza.
Berganza? Man kennt den sprechenden Hund hierzulande vor allem aus der deutschen Literatur. Der Verfasser dieses köstlichen Textes, E. T. A. Hoffmann, ist dem Blogger nun auch in Spanien begegnet: gleichfalls in Sevilla, womit wir wieder bei Jean Paul angelangt sind, denn Jean Paul schrieb eine Vorrede zu den Fantasiestücken in Callots Manier: eine Kritik, die er als Einführung in das Werk tarnte. Sein Lobspruch über die Hundegeschichte beginnt nun folgendermaßen:
Bei Nro. V. Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza merkt der Herr Verf. bloß an, dass er eine Fortsetzung der beiden Hunde Szipio und Berganza in Cervantes Erzählungen gebe. Er giebt etwas Gutes, und seinen Hund benützt er zum Gespräche mit einem Menschen, oft humoristischer als selber Cervantes.
Mit dem Gespräch zwischen dem Erzähler, der nachts vom Wirtshaus am Ende des Parks in die Stadt zurückläuft, sind wir zugleich in Bamberg angekommen – denn Hoffmann erinnerte sich daran, dass er oft durch den Hain lief, wenn er den Abend im Gasthaus Striegel, an der Buger Spitze, verbracht hatte. Die Erzählung imaginiert eine Begegnung mit dem literarischen Hund, ganz in der Nähe des Denkmals des Heiligen Nepomuk, an dem man noch heute vorbeikommt, wenn man durch den langen Weg des Hain läuft.
So verketteten sich, fast wie bei seinem Bayreuther Kollegen, beständig Literatur und Leben, poetische Erinnerungen und autobiographische Details, Kunstkritik und Satire. So verschieden, wie Jean Paul annahm, waren sie vielleicht nicht, mochten sie auch in einigen Fragen anderer Meinung sein. Im Grunde ihres Herzens waren sie Skeptiker, auch scharfe Beobachter der Gesellschaft, die ihnen widerwärtig war. Der Dialog mit dem sprechenden Hund zeugt ebenso davon wie die Unsichtbare Loge, die auf etwas weniger offensichtliche Weise dem Cervantes und seiner höchst fantasievollen, modernen Erzählkunst doch Einiges verdankt.
Der Reisende, der in Sevilla und Madrid auf die Spuren eines der Ahnherren der modernen Literatur stößt, die noch die Leute in Bamberg und Bayreuth inspirierte, mag sich daran erinnern.
Fotos: Frank Piontek (September 2014)
Logen-Blog [494]: Spanische Umwege mit sprechenden Hunden>
Wir bleiben noch ein bisschen bei Cervantes – denn man hat ihm, was der Blogger als besonders schöne Würdigung empfindet, zumal in Sevilla, wo er an seinen Hauptwerken arbeitete, nicht wenige Gedenktafeln an die Mauern gehängt.
Typisch aber ist diese Art von Erinnerungsmal: typisch spanisch, weil hier wieder das Fliesenhandwerk zu seinem Recht kommt. In Sevilla wird der Stadtwanderer allenthalben auf diese Memoriale stoßen, die ihm mitteilen, an welcher Stelle der Dichter diese Stelle – die Gasse, den Platz also – erwähnt hat.
Wir nähern uns damit, aber nur über einen kleinen Umweg, unserem Dichter – denn die Tafel erwähnt eine bekannte Erzählung, genauer: einen Text aus dem Zyklus der Novelas Ejemplares, was den deutschen Literaturfreund sofort stutzen lässt. CIPIÓN Y BERGANZA o EL COLOQUIO DE LOS PERROS, so lautet der Titel, der einen schönen Untertitel besitzt: Novela, y coloquio, que pasó entre Cipión y Berganza, perros del Hospital de la Resurrección, que está en la ciudad de Valladolid, fuera de la puerta del Campo, a quien comúnmente llaman „Los perros de Mahudes“.
Das Gespräch der beiden Hunde aber beginnt folgendermaßen (damit der Leser einmal etwas vom knochenlosen Spanisch mitbekommt):
CIPIÓN.—Berganza amigo, dejemos esta noche el Hospital en guarda de la confianza y retirémonos a esta soledad y entre estas esteras, donde podremos gozar sin ser sentidos desta no vista merced que el cielo en un mismo punto a los dos nos ha hecho.
BERGANZA.—Cipión hermano, óyote hablar y sé que te hablo, y no puedo creerlo, por parecerme que el hablar nosotros pasa de los términos de naturaleza.
Berganza? Man kennt den sprechenden Hund hierzulande vor allem aus der deutschen Literatur. Der Verfasser dieses köstlichen Textes, E. T. A. Hoffmann, ist dem Blogger nun auch in Spanien begegnet: gleichfalls in Sevilla, womit wir wieder bei Jean Paul angelangt sind, denn Jean Paul schrieb eine Vorrede zu den Fantasiestücken in Callots Manier: eine Kritik, die er als Einführung in das Werk tarnte. Sein Lobspruch über die Hundegeschichte beginnt nun folgendermaßen:
Bei Nro. V. Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza merkt der Herr Verf. bloß an, dass er eine Fortsetzung der beiden Hunde Szipio und Berganza in Cervantes Erzählungen gebe. Er giebt etwas Gutes, und seinen Hund benützt er zum Gespräche mit einem Menschen, oft humoristischer als selber Cervantes.
Mit dem Gespräch zwischen dem Erzähler, der nachts vom Wirtshaus am Ende des Parks in die Stadt zurückläuft, sind wir zugleich in Bamberg angekommen – denn Hoffmann erinnerte sich daran, dass er oft durch den Hain lief, wenn er den Abend im Gasthaus Striegel, an der Buger Spitze, verbracht hatte. Die Erzählung imaginiert eine Begegnung mit dem literarischen Hund, ganz in der Nähe des Denkmals des Heiligen Nepomuk, an dem man noch heute vorbeikommt, wenn man durch den langen Weg des Hain läuft.
So verketteten sich, fast wie bei seinem Bayreuther Kollegen, beständig Literatur und Leben, poetische Erinnerungen und autobiographische Details, Kunstkritik und Satire. So verschieden, wie Jean Paul annahm, waren sie vielleicht nicht, mochten sie auch in einigen Fragen anderer Meinung sein. Im Grunde ihres Herzens waren sie Skeptiker, auch scharfe Beobachter der Gesellschaft, die ihnen widerwärtig war. Der Dialog mit dem sprechenden Hund zeugt ebenso davon wie die Unsichtbare Loge, die auf etwas weniger offensichtliche Weise dem Cervantes und seiner höchst fantasievollen, modernen Erzählkunst doch Einiges verdankt.
Der Reisende, der in Sevilla und Madrid auf die Spuren eines der Ahnherren der modernen Literatur stößt, die noch die Leute in Bamberg und Bayreuth inspirierte, mag sich daran erinnern.
Fotos: Frank Piontek (September 2014)