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30.08.2012, 17:06 Uhr
Peter Czoik
Gespräche

Die Bayerische Akademie des Schreibens im Gespräch I

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© Erlanger Poetenfest – Foto: Georg Pöhlein, 2012

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Werkstätten der Kunst, so schon in der Renaissancemalerei. Auch für Schriftsteller war es immer wieder wichtig, per imitatio zu lernen, also sich am Beispiel anderer Autoren im Schreiben zu üben. Schriftstellergruppen, die sich über ihre Texte austauschen, hat es in neuerer Zeit gegeben, man denke etwa an die Gruppe 47. Während im angelsächsischen Raum das Creative Writing insbesondere an den Universitäten einen festen Platz hat, ist das Schreiben-Lernen hierzulande nicht unumstritten, was mit der Tradition der Genieästhetik zusammenhängen mag. Während es für die Bildende Künste, für Musik und Theater viele Ausbildungsmöglichkeiten gibt, sind in Deutschland vergleichsweise wenig Angebote für professionell verstandenes literarisches Schreiben zu finden. Eine Alternative zu den Studiengängen für literarisches Schreiben wie in Leipzig oder Hildesheim bietet die Bayerische Akademie des Schreibens, die aus den Textwerk-Kursen des Literaturhauses München und Manuskriptum an der LMU München hervorgegangen ist und vor ein paar Tagen beim 32. Erlanger Poetenfest vorgestellt wurde.

Die Potentiale eines eigenen Textes zu erkennen, sich des Handwerks zu versichern und die Erwartungen und Konditionen des Literaturbetriebs kennenzulernen – all das macht sich die Bayerische Akademie des Schreibens (zu den aktuellen Ausschreibungen hier) zur Aufgabe. Seit dem Studienjahr 2011/12 haben sich sechs bayerische Universitäten in Kooperation mit dem Literaturhaus München zusammengeschlossen und bieten Studierenden die Möglichkeit an, gemeinsam mit Autoren und Lektoren an ihren eigenen Texten zu arbeiten. Die Akademie wird getragen vom Literaturhaus München und den Universitäten Bamberg, Bayreuth, Erlangen, LMU und TU München sowie Regensburg. Sie wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst unterstützt.

Bei der Vorstellung in Erlangen, die unter dem Titel „Kann man Schreiben lernen? Die Bayerische Akademie des Schreibens“ lief, sprachen und lasen über ihre Erfahrungen im ersten Jahrgang der Akademie die JungautorInnen Carolin Hensler, Manuel Niedermeier und Markus Ostermair, die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Waldow, Mitglied des Lenkungsausschusses der Bayerischen Akademie des Schreibens, sowie der Schriftsteller, Zeichner und Poetik-Dozent Christoph Peters. Maike Albath moderierte.

 

MAIKE ALBATH: Wie kam es überhaupt zu dem Projekt?

STEPHANIE WALDOW:  Es gibt tatsächlich wenig Möglichkeiten für Studierende, die eigene Texte verfassen möchten, das auch auszuprobieren, einer kritischen Lektüre zu unterziehen und das mit anderen zusammen zu diskutieren. An der Uni ist das in dem Maße nicht etabliert, es gibt natürlich die sogenannten Schreibschulen, man denke an die Schreibuniversität Hildesheim und auch Leipzig. Unsere Idee war es, so etwas dezentral einzurichten, am jeweiligen Studienort selber im Zusammenschluss mit noch sechs anderen bayerischen Universitäten. So hat man die Möglichkeit, neben dem Regelstudium an literarischen Texten arbeiten zu können.

MA: Mit was für einer Aufgabe haben Sie sich denn beworben, Frau Hensler?

CAROLIN HENSLER: Ich musste einen Text einreichen zum Thema „extremer Ort“. Der sollte nicht länger als 5 Seiten sein, was mir nicht schwerfiel, zumal das Thema sehr weitläufig ist.

MA: Und wie ging es dann weiter, wurden Sie eingeladen und haben begonnen, an diesem Seminar teilzunehmen?

CH: Ja, das erste Wochenende war in Bayreuth, ich kam gerade von meiner letzten Magisterabschlussklausur ganz frisch dazu. Der Einstieg war auf der einen Seite sehr professionell, auf der anderen Seite auch sehr locker-entspannt. Natürlich haben wir uns alle über die drei Wochenenden hinweg kennengelernt und auch angefangen, zu diversen Themen Texte gezielt zu produzieren. Das hat schon Spaß gemacht.

MA: Was war für Sie, Herr Ostermair, der Auslöser, sich mit dem literarischen Schreiben auch institutionell irgendwie verankern zu wollen? Sie hätten das ja auch privat betreiben können.

MARKUS OSTERMAIR: Die Idee zu meinem Text treibt mich schon ziemlich lange um, man denkt so in seinem „stillen Kämmerlein“ darüber nach, kann aber mit niemandem darüber reden. Ich habe einen Rahmen gesucht, mit Leuten, die mit mir in einem Boot sitzen. Wenn man das nur irgendwelchen Freunden und Bekannten erzählt – was wollen die einem sagen, die können nur sagen „O toll!“ und mehr nicht! Ich wollte, dass der Text mir auch weggenommen wird, damit er dann irgendwie anders zurückkommt.

MA: Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht, Herr Niedermeier, dass das „Enteignen des Textes“ etwas Produktives sein kann?

MANUEL NIEDERMEIER: Ich denke, auf alle Fälle. Man entdeckt Problemfelder, die einem sonst nicht aufgefallen wären. Bei mir konkret war das so, dass ich wusste, hier und da sind Sachen, die ich wahrscheinlich bearbeiten muss, aber die haben im Prinzip keine Rolle gespielt, sondern es waren wirklich die entgegen gesetzten Themenfelder, von denen ich ausging, dass sie passen würden.

MA: Hätten Sie sich, Christoph Peters, als junger, ambitionierter Schreiber vor 15, 20 Jahren beworben bei so einer Akademie?

CHRISTOPH PETERS: Da es solche Schreibakademien nicht gab, habe ich mich tatsächlich an einer Kunstakademie beworben, die in den 80er-Jahren für solche Dinge extrem frei war, und habe in der Akademieklasse meine Texte vorgelesen. Der Professor, bei dem ich war, kannte sich so ziemlich in allen künstlerischen Sparten aus. Ich hätte mich auf so etwas beworben, weil man sonst die Distanz zu seinem eigenen Text verliert, man will sich ja auch streiten über ästhetische Positionen, man will darum ringen, wie es gehen könnte, man will eine Rückmeldung haben, die über das private „Gefällt mir (oder auch nicht)“ hinausgeht. Da ich aus der Kunstakademie komme und vieles, was ich dort gemacht habe, vom Methodischen her auf die Schreibwerkstatt übertragen habe, hatte ich das Gefühl, dass das etwas ganz Selbstverständliches ist, was wir hier machen.

MA: Frau Waldow, haben Sie den Eindruck, dass sich dieses literarische Arbeiten auch auswirken kann auf die wissenschaftliche Arbeit?

SW: Ja, auf jeden Fall. Schließlich geht es ja auch darum, Schreiben überhaupt zu praktizieren. Also nicht nur das literarische Schreiben, sondern Schreiben als kreativen Ausdruck, der identitätsfördernd ist, der natürlich auch auf andere Bereiche Rückwirkungen hat: auf das wissenschaftliche Schreiben, auf den Selbstausdruck, aber auch auf potentielle Lehrer und Lehrerinnen, die in die Schule gehen und die mit ihren Schülern dann schreiben. Das ist ganz wichtig, zumal dieser Selbstausdruck heute sehr ins Hintertreffen geraten ist.

MA: Mit welchen Erwartungen sind Sie auf die Schriftsteller zugegangen? Jemand wie Christoph Peters verfügt ja selber schon über eine ganze Werkgeschichte. Ist das anders als ein Austausch mit einem Professor über eine wissenschaftliche Frage?

MN: Wenn man eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, hat man ein sehr beschränktes Themenfeld und der Dozent eine Ahnung davon. Bei literarischen Texten ist das Themenspektrum viel weiter, es geht um eine gewisse Art des Handwerks. Das ist schon ein deutlicher Unterschied.

MA: Christoph Peters, können Schriftsteller wie Maler einen Pinselstrich auch das Schreiben üben und lernen?

CP: Ich glaube, wenn jemand völlig talentlos ist, kein Gefühl für Musikalität und das konstruktive Element von Sprache hat, den wird man, auch wenn man ihn noch so lange trainiert, nicht zu einem Schriftsteller machen. Das Talent ist die Grundvoraussetzung, dann kommt hinzu, dass derjenige, der schreiben will, ein Ausdrucksbedürfnis mitbringt, eine innere Notwendigkeit zu erzählen. Es geht dabei nicht um Stammtischgespräche, weil dort die Menschen nicht das Gefühl haben, etwas in einen objektivierten Text überführen zu müssen. Dann gibt es noch die Ebene der Übung. Nicht verstanden als Doktrin, die wir unseren Schreibenden einimpfen, sondern indem man einen Raum bereitstellt und darauf achtet, dass sie das tun, wie sie es tun und kritisch hinterfragt, damit sie sich nicht festlaufen. So kann einer ständigen Fehlerwiederholung besser vorgebeugt werden. Der fremde, geübte Blick hingegen sieht gleich die Fallstricke, die überall lauern und kann auch darauf eingehen, wie man der Vision näherkommt, das auszudrücken, was man eigentlich sagen will. Das ganz Zentrale ist, dass an den Texten, die man selber macht, fremde Fragen gestellt werden, denn es sind nicht Deine besten Freunde, die wissen, welche Probleme Du hier und da hast, sondern es geht darum, dass die Leser nur auf Grundlage des geschriebenen Textes eine sehr präzise Information bekommen müssen.

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Den zweiten Teil des Gesprächs finden Sie hier.