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15.01.2011, 23:50 Uhr
Peter Czoik
Text & Debatte

Die satirische Absolutismuskritik Franz Callenbachs

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Vanitasstillleben um 1700 (anonym, deutsch).

Neben Aegidius Albertinus, Jakob Balde, Johannes Khuen und anderen bayerisch-katholischen Dichtern des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zählt Franz Callenbach zu jenen Autoren, die in den nationalen deutschen Literaturgeschichten wenig, wenn überhaupt nicht Beachtung finden. Hintergrund ist die bis heute übliche Verallgemeinerung der Norm der protestantischen Sprachgesellschaften bzw. der ‚schlesischen Schulen‘ und damit die Herrschaft der Sprache Luthers für die Weiterentwicklung der deutschen Literatur im 17. Jahrhundert. Obwohl Franz Callenbach deshalb lange Zeit in Vergessenheit geriet und seine Dramenproduktion in die schnell abqualifizierte Periode zwischen Barock und Aufklärung fällt, ist er wegen seiner beißenden Absolutismuskritik für den territorial- und kulturgeschichtlich versierten Leser von großem Interesse.[1]

Kritische Komödien

In einer seiner acht Schulkomödien, Wurmatia Wurmland, will er z.B. die ‚Wurmstichigkeit‘ seiner Zeit dartun, indem er die Wurmschneider in Kirche und Staat, bei Hof und Militär, am Gericht und in der Schule ausschickt, die „Würmer“ aufzuspüren und zu schneiden.

In den Eclipses politico-morales lässt er durch das Fernrohr astronomische Beobachtungen anstellen und daraus die entsprechenden astrologischen Schlüsse ziehen – an den genannten Orten sieht er so die gefährlichsten und finstersten Konstellationen.

In Quasi, sive mundus-quasificatus und Quasi vero zeigt Callenbach, wie in den Berufen alles nur zum Schein und aus Heuchelei geschieht.

In Uti ante hac kehren die Verstorbenen auf die Erde zurück, sehen das entartete Treiben ihrer Nachfahren und verweisen es ihnen.

In der Genealogia Nisibitarum wird wiederum veranschaulicht, wie bei den Ständen jede Möglichkeit der Besserung an dem „nisi“, dem „Wenn nicht...“, scheitert.

In dem Stück Puer centum annorum kommen der lachende Philosoph Demokritus, der weinende Heraklit sowie der schimpfende Diogenes auf die Bühne und beobachten missliebig das Kinderspiel, welches in Kirche und Staat getrieben wird.

Und im Almanach werden die Martern der hohen, mittleren und niederen Stände vorgeführt und in einen Kalender eingetragen.[2]

Der Stoff aller acht Satiren ist jedes Mal ein ähnlicher. Beliebte Scherze wie der Zank zweier Bauern, die sich darum streiten, wem von beiden der Kuckuck Glück verheißen hat, und ob ihrer Prügelei bestraft werden, kehren in Callenbachs satirischen Komödien ebenso wieder wie Zitate, Sprüche, Vergleiche usw. Und doch unterscheidet sich jede Komödie nicht nur infolge ihrer Einkleidung, sondern auch durch Veränderungen im Stil.

Innovation im Dienste der Vanitas

Typisch ist für Callenbach aber noch etwas anderes. Seine Kritik an lächerlicher Lebensführung im Almanach etwa lässt sich zwar mit ähnliche Ziele verfolgenden Absichten der Satiren eines Moscherosch oder Grimmelshausen vergleichen. Neu jedoch ist der Zusammenhang, in welchen der Jesuit seine Beobachtungen stellt, und die Schlüsse, die er dem Leser nahelegt: Indem er die politische Notwendigkeit des Beamtenstandes, ‚à la mode‘ zu leben, sinnfällig macht, deckt seine Art der Kritik nicht allein die Symptome der desolaten gesellschaftlichen Zustände auf; vielmehr werden zugleich die Ursachen benannt, was weit über den Rahmen traditionellen Gespötts hinausgeht.

Ebenfalls innovativ ist Callenbachs Sicht der Situation der bäuerlichen Unterschicht. So singen die Schuljungen anlässlich eines Bauernbegräbnisses ein Lied darüber, dass aufgrund der Abgaben, die die Bauern dem Staat zu entrichten haben, ein menschenwürdiges Leben für diese Gesellschaftsschicht unmöglich geworden ist, obschon das Wohl des Staates von deren Arbeit abhängt.

Statt aber daraus den Schluss zu ziehen, der absolutistische Herrscher – das oberste Glied dieser Kette von Abhängigkeiten – müsse zu einer Veränderung beitragen, verfährt Callenbach distanzierter: Sein Verfahren, an bekannten Kompositionsstrukturen anzuknüpfen, um sie dann auf der Ebene der Allegorie bis zur Unkenntlichkeit zu modifizieren, führt (unter Verwendung von Ironie und Komik) zwangsläufig zu einer fortschreitenden Verunsicherung des Lesers, der immer wieder auf Bekanntes zu stoßen glaubt, das sich aber als etwas anderes entpuppt.

Solchermaßen verunsichert, kann die überraschende inhaltliche Wende zu dem eher erbaulichen Beschluss leicht mitvollzogen werden, der den bisherigen Argumenten die „Spitze“ nimmt. Indem Callenbach als eigentliche Opfer seiner Kritik die kleingläubigen Menschen entlarvt, die sich vom falschen Schein des Irdisch-Vergänglichen blenden lassen und darüber ihren Schöpfer vergessen (Vanitas-Gedanke!), liefert er den Schlüssel für die Lösung des Problems: Der Mensch soll auf Gott bauen und das Leiden dieser Welt geduldig ertragen. Eine derartige Vorgehensweise konnte dem Schuldramenautor Franz Callenbach nur recht sein und ihn vor dem Vorwurf allzu systemkritischer Tendenzen im Text schützen.

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[1] Vgl. Behrens, Dorit (1981): Franz Callenbachs ‚Dramen‘. Satirische Absolutismuskritik zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Kontext des Jesuitentheaters. Rheinfelden, S. 3f. (Diss.)

[2] Dammert, Rudolf (1903): Franz Callenbach und seine satirischen Komödien. Stuttgart, S. 58f. (Diss.)