Logen-Blog [339]: Eine Geste, zu schön, um wahr zu sein
Vor einigen Wochen glaubte er zwar noch, im Frühlinge könnt' er den Scheerauer Gesundbrunnen in Lilienbad trinken, und dann würd' es schon anders mit ihm werden.
Jean Paul lässt seinen Amandus von einem Kurbad träumen, das er selbst erst einige Jahre später besuchen sollte. In Kaiser Franzensdorf, dem späteren Franzensbad, das just in der Zeit gegründet wurde, als der Dichter seinen kranken Knaben vom Gesundbrunnen träumen lässt, sollte er seine Verlobte besuchen – der Blogger denkt daran, selbst einmal im Frühling nach Františkovy Lázně zu fahren: auf den Spuren seiner Gesundheit, vor allem aber auf den Spuren des Dichters.
Wichtiger ist die Tatsache, dass Amandus noch – und gerade – auf dem Totenbett den herbeigeeilten Gustav an Beata erinnert: in dem Sinne, dass er ihn fragt, ob er, mit dem er sich einst wegen der jungen Dame schwer zerstritt, sie noch liebe. „Gib mir die Hand, dass du sie mehr liebest wie mich.“ Abgesehen vom falschen „wie“ macht die Emphase betroffen, mit der der Tod alles gleich zu machen scheint: auch die Gefühle, die der Sterbende nun auf den Gegner überträgt.
Die Frage ist nicht, ob diese edle Geste „realistisch“ ist. Jean Paul zeigt uns nur, wie sich jemand im Sterben überwindet und endlich (wieder) die Freundschaft über die eigenen Sehnsüchte und Frustrationen stellt. Im Tode scheint es, will der Dichter sagen, bei guten Menschen keinen Egoismus mehr zu geben. Vielleicht ist die Geste zu schön, um wahr zu sein – aber es gibt bei Jean Paul eine höhere Wahrheit, die sich stets in der Utopie manifestiert. Rein materialistisch betrachtet ist diese literarische Wendung natürlich bescheiden – doch wer Jean Paul in diesem Sinne liest, verkennt (vermutlich) seine Weltsicht noch im kleinsten Detail. Schließlich ist die Liebe zu einer auserwählten jungen Frau nichts, was sich materialistisch erzählen ließe …
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Vor einigen Wochen glaubte er zwar noch, im Frühlinge könnt' er den Scheerauer Gesundbrunnen in Lilienbad trinken, und dann würd' es schon anders mit ihm werden.
Jean Paul lässt seinen Amandus von einem Kurbad träumen, das er selbst erst einige Jahre später besuchen sollte. In Kaiser Franzensdorf, dem späteren Franzensbad, das just in der Zeit gegründet wurde, als der Dichter seinen kranken Knaben vom Gesundbrunnen träumen lässt, sollte er seine Verlobte besuchen – der Blogger denkt daran, selbst einmal im Frühling nach Františkovy Lázně zu fahren: auf den Spuren seiner Gesundheit, vor allem aber auf den Spuren des Dichters.
Wichtiger ist die Tatsache, dass Amandus noch – und gerade – auf dem Totenbett den herbeigeeilten Gustav an Beata erinnert: in dem Sinne, dass er ihn fragt, ob er, mit dem er sich einst wegen der jungen Dame schwer zerstritt, sie noch liebe. „Gib mir die Hand, dass du sie mehr liebest wie mich.“ Abgesehen vom falschen „wie“ macht die Emphase betroffen, mit der der Tod alles gleich zu machen scheint: auch die Gefühle, die der Sterbende nun auf den Gegner überträgt.
Die Frage ist nicht, ob diese edle Geste „realistisch“ ist. Jean Paul zeigt uns nur, wie sich jemand im Sterben überwindet und endlich (wieder) die Freundschaft über die eigenen Sehnsüchte und Frustrationen stellt. Im Tode scheint es, will der Dichter sagen, bei guten Menschen keinen Egoismus mehr zu geben. Vielleicht ist die Geste zu schön, um wahr zu sein – aber es gibt bei Jean Paul eine höhere Wahrheit, die sich stets in der Utopie manifestiert. Rein materialistisch betrachtet ist diese literarische Wendung natürlich bescheiden – doch wer Jean Paul in diesem Sinne liest, verkennt (vermutlich) seine Weltsicht noch im kleinsten Detail. Schließlich ist die Liebe zu einer auserwählten jungen Frau nichts, was sich materialistisch erzählen ließe …