Logen-Blog [331]: Zu Weibern in die Schule
Es hilft nichts: der ganze Absatz muss zitiert werden; er ist zu köstlich, also: zu genau gebaut, zu geistreich, zu gut, um gekürzt zu werden, vielleicht auch zu süffisant, um kupiert zu werden (auch der Dichter mochte es ja nicht, wenn man einzelne kurze Sätze aus seinen Werken herausbrach, um sie in Florilegienkollektionen zu bestatten):
Ich selber musste mich viele Vormittage üben und mit der Seele voltigieren, eh' ich einigermaßen unzusammenhängend und hüpfend denken konnte nur wie ein halber Narr. Ich hätt' es am Ende doch zu nichts gebracht, wenn ich mich nicht zu Weibern in die Schule und auf die Schulbank gesetzet hätte. Diese denken weit weniger logisch, und wer bei ihnen den guten Ton nicht erlernt, aus dem ist nichts zu machen – als ein deutscher Metaphysiker. Antworten sie wohl jemals Ja oder Nein, statt dessen, was nicht zur Sache gehöret? Drücken sie sich über das Wichtigste bedachtsam und mit prozessualischen Weitläuftigkeiten aus oder über das Frivolste frivol? Hören und üben sie Persiflieren ungern, oder legen sie – Ballköniginnen und Gouvernanten der bureaux d'esprit freilich ausgenommen – wohl je den geringsten Akzent, Accent und Wert auf ihre Tisch-, Nachttisch-, Spiegel- und andre Reden? Oder legen sie einen auf Wahrheiten? Zum Glück nimmt diese Feinheit des Tons, die das Fakultätsiegel und der Handwerkgruß der Weiber ist, mit der Feinheit der Stoffe zu, die eine umhat. Ein paar kleine deutsche Städte, etwa Unterscheerau u. a., müssen sich mir nicht entgegenwerfen, wo freilich die dasigen Weiber, die sich lieber Damen nennen hören, mit nichts Laute von sich geben als mit dem artikulierten Fächer und Schlepprock, den Insekten gleich, deren Stimme nicht aus dem Munde, sondern aus dem schwirrenden Flugwerk und Bauchtrommelfell hervorsauset.
Wie kommt der Erzähler darauf? Indem er Gustav jene Logik zuweist, die den Weibern fehlt, muss er beweisen, dass Logik eine Eigenschaft des männlichen Körpers ist, die im Gespräch mit ihnen das Letzte ist, was hilft.
Ich möchte hier nicht diskutieren, ob des Erzählers Meinung richtig oder falsch ist – diese Auseinandersetzung überlasse ich Logikern von Rang, die zu viel Zeit übrig haben, um über derartige Probleme – sind es Probleme? – nachzudenken. Ich erlaube mir nur den Witz, darauf hinzuweisen, dass Jean Pauls Witze zu gut sind, um fragmentarisch erzählt zu werden, oder anders: Es ist nicht entscheidend, ob das, was er behauptet, richtig oder falsch ist. Es ist auch nicht wichtig zu wissen, ob das, was der Erzähler zumal gegen die Frauen sagt, die Meinung des Dichters ist. In diesem Fall kann man sich tatsächlich auf die zünftige Trennung zwischen Erzähler und Autor berufen – es ist völlig irrelevant, was Jean Paul über die Weiber gesagt hat. Sie mögen den Erzähler verurteilen, gut – aber wem nützt es? Was bringt es, moralische Urteile zu entwerfen – wenn man (pardon!) an den literarischen Witzen seinen Spaß haben kann, die in einem einzigartigen bureaux d'esprit erfunden wurden? Jean Paul war zweifellos ein Mann, der die Frauen liebte. L'Homme qui aimait les femmes[1] aber ist keiner, der auf seine Meinung verzichten will, nur weil er sie liebt.
Ist diese Haltung nicht ehrlicher als ein mühsam verhüllter Hass, der nur überdeckt, dass der Frauenrechtler die Frauen, die er auf Teufel komm raus verteidigt, eigentlich – verachtet?
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[1] Francois Truffaut, 1977.
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Es hilft nichts: der ganze Absatz muss zitiert werden; er ist zu köstlich, also: zu genau gebaut, zu geistreich, zu gut, um gekürzt zu werden, vielleicht auch zu süffisant, um kupiert zu werden (auch der Dichter mochte es ja nicht, wenn man einzelne kurze Sätze aus seinen Werken herausbrach, um sie in Florilegienkollektionen zu bestatten):
Ich selber musste mich viele Vormittage üben und mit der Seele voltigieren, eh' ich einigermaßen unzusammenhängend und hüpfend denken konnte nur wie ein halber Narr. Ich hätt' es am Ende doch zu nichts gebracht, wenn ich mich nicht zu Weibern in die Schule und auf die Schulbank gesetzet hätte. Diese denken weit weniger logisch, und wer bei ihnen den guten Ton nicht erlernt, aus dem ist nichts zu machen – als ein deutscher Metaphysiker. Antworten sie wohl jemals Ja oder Nein, statt dessen, was nicht zur Sache gehöret? Drücken sie sich über das Wichtigste bedachtsam und mit prozessualischen Weitläuftigkeiten aus oder über das Frivolste frivol? Hören und üben sie Persiflieren ungern, oder legen sie – Ballköniginnen und Gouvernanten der bureaux d'esprit freilich ausgenommen – wohl je den geringsten Akzent, Accent und Wert auf ihre Tisch-, Nachttisch-, Spiegel- und andre Reden? Oder legen sie einen auf Wahrheiten? Zum Glück nimmt diese Feinheit des Tons, die das Fakultätsiegel und der Handwerkgruß der Weiber ist, mit der Feinheit der Stoffe zu, die eine umhat. Ein paar kleine deutsche Städte, etwa Unterscheerau u. a., müssen sich mir nicht entgegenwerfen, wo freilich die dasigen Weiber, die sich lieber Damen nennen hören, mit nichts Laute von sich geben als mit dem artikulierten Fächer und Schlepprock, den Insekten gleich, deren Stimme nicht aus dem Munde, sondern aus dem schwirrenden Flugwerk und Bauchtrommelfell hervorsauset.
Wie kommt der Erzähler darauf? Indem er Gustav jene Logik zuweist, die den Weibern fehlt, muss er beweisen, dass Logik eine Eigenschaft des männlichen Körpers ist, die im Gespräch mit ihnen das Letzte ist, was hilft.
Ich möchte hier nicht diskutieren, ob des Erzählers Meinung richtig oder falsch ist – diese Auseinandersetzung überlasse ich Logikern von Rang, die zu viel Zeit übrig haben, um über derartige Probleme – sind es Probleme? – nachzudenken. Ich erlaube mir nur den Witz, darauf hinzuweisen, dass Jean Pauls Witze zu gut sind, um fragmentarisch erzählt zu werden, oder anders: Es ist nicht entscheidend, ob das, was er behauptet, richtig oder falsch ist. Es ist auch nicht wichtig zu wissen, ob das, was der Erzähler zumal gegen die Frauen sagt, die Meinung des Dichters ist. In diesem Fall kann man sich tatsächlich auf die zünftige Trennung zwischen Erzähler und Autor berufen – es ist völlig irrelevant, was Jean Paul über die Weiber gesagt hat. Sie mögen den Erzähler verurteilen, gut – aber wem nützt es? Was bringt es, moralische Urteile zu entwerfen – wenn man (pardon!) an den literarischen Witzen seinen Spaß haben kann, die in einem einzigartigen bureaux d'esprit erfunden wurden? Jean Paul war zweifellos ein Mann, der die Frauen liebte. L'Homme qui aimait les femmes[1] aber ist keiner, der auf seine Meinung verzichten will, nur weil er sie liebt.
Ist diese Haltung nicht ehrlicher als ein mühsam verhüllter Hass, der nur überdeckt, dass der Frauenrechtler die Frauen, die er auf Teufel komm raus verteidigt, eigentlich – verachtet?
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[1] Francois Truffaut, 1977.