Logen-Blog [309]: Jean Paul, Demoiselle Stahlbaum und der junge Droßelmeier
Ich habe in dieser fröhlichen Zeit keinen recht fröhlichen Sinn: vielleicht weil mein auseinander wollender Körper so wenig wie eine Längen- und Seeuhr richtig geht – vielleicht liegt mir auch der Inhalt dieses Sektors im Kopfe – vielleicht schleicht auch, beim Anblick der allgemeinen Kinderfreude, das Blut so traurig fort zwischen dem Wintergrün und Herbstflor jener Erinnerung, wie es sonst war, wie die Freuden des Menschen dahinrollen, wie sie ihre Entfernung von uns durch einen aus fernen Ufern herüberblinkenden Widerschein bezeichnen und wie unsre längsten Tage uns selten so viel geben, als dem Kind der kürzeste oder die Christnacht im Genießen oder Hoffen gibt. – –
Siebenunddreißigster oder heil. Weihnacht-Sektor
Kaum war aber der junge Droßelmeier mit Marien allein, als er sich auf ein Knie niederließ, und also sprach: „O meine allervortrefflichste Demoiselle Stahlbaum sehn Sie hier zu Ihren Füßen den beglückten Droßelmeier, dem Sie an dieser Stelle das Leben retteten! Sie sprachen es gütigst aus, daß Sie mich nicht wie die garstige Prinzessin Pirlipat verschmähen wollten, wenn ich Ihretwillen häßlich geworden! – sogleich hörte ich auf ein schnöder Nußknacker zu sein, und erhielt meine vorige nicht unangenehme Gestalt wieder. O vortreffliche Demoiselle, beglücken Sie mich mit Ihrer werten Hand, teilen Sie mit mir Reich und Krone, herrschen Sie mit mir auf Marzipanschloß, denn dort bin ich jetzt König!" – Marie hob den Jüngling auf, und sprach leise: "Lieber Herr Droßelmeier! Sie sind ein sanftmütiger guter Mensch, und da Sie dazu noch ein anmutiges Land mit sehr hübschen lustigen Leuten regieren, so nehme ich Sie zum Bräutigam an!" – Hierauf wurde Marie sogleich Droßelmeiers Braut. Nach Jahresfrist hat er sie, wie man sagt, auf einem goldnen von silbernen Pferden gezogenen Wagen abgeholt. Auf der Hochzeit tanzten zweiundzwanzigtausend der glänzendsten mit Perlen und Diamanten geschmückten Figuren, und Marie soll noch zur Stunde Königin eines Landes sein, in dem man überall funkelnde Weihnachtswälder, durchsichtige Marzipanschlösser, kurz, die allerherrlichsten wunderbarsten Dinge erblicken kann, wenn man nur darnach Augen hat.
E. T. A. Hoffmann: Nußknacker und Mäusekönig
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Ich habe in dieser fröhlichen Zeit keinen recht fröhlichen Sinn: vielleicht weil mein auseinander wollender Körper so wenig wie eine Längen- und Seeuhr richtig geht – vielleicht liegt mir auch der Inhalt dieses Sektors im Kopfe – vielleicht schleicht auch, beim Anblick der allgemeinen Kinderfreude, das Blut so traurig fort zwischen dem Wintergrün und Herbstflor jener Erinnerung, wie es sonst war, wie die Freuden des Menschen dahinrollen, wie sie ihre Entfernung von uns durch einen aus fernen Ufern herüberblinkenden Widerschein bezeichnen und wie unsre längsten Tage uns selten so viel geben, als dem Kind der kürzeste oder die Christnacht im Genießen oder Hoffen gibt. – –
Siebenunddreißigster oder heil. Weihnacht-Sektor
Kaum war aber der junge Droßelmeier mit Marien allein, als er sich auf ein Knie niederließ, und also sprach: „O meine allervortrefflichste Demoiselle Stahlbaum sehn Sie hier zu Ihren Füßen den beglückten Droßelmeier, dem Sie an dieser Stelle das Leben retteten! Sie sprachen es gütigst aus, daß Sie mich nicht wie die garstige Prinzessin Pirlipat verschmähen wollten, wenn ich Ihretwillen häßlich geworden! – sogleich hörte ich auf ein schnöder Nußknacker zu sein, und erhielt meine vorige nicht unangenehme Gestalt wieder. O vortreffliche Demoiselle, beglücken Sie mich mit Ihrer werten Hand, teilen Sie mit mir Reich und Krone, herrschen Sie mit mir auf Marzipanschloß, denn dort bin ich jetzt König!" – Marie hob den Jüngling auf, und sprach leise: "Lieber Herr Droßelmeier! Sie sind ein sanftmütiger guter Mensch, und da Sie dazu noch ein anmutiges Land mit sehr hübschen lustigen Leuten regieren, so nehme ich Sie zum Bräutigam an!" – Hierauf wurde Marie sogleich Droßelmeiers Braut. Nach Jahresfrist hat er sie, wie man sagt, auf einem goldnen von silbernen Pferden gezogenen Wagen abgeholt. Auf der Hochzeit tanzten zweiundzwanzigtausend der glänzendsten mit Perlen und Diamanten geschmückten Figuren, und Marie soll noch zur Stunde Königin eines Landes sein, in dem man überall funkelnde Weihnachtswälder, durchsichtige Marzipanschlösser, kurz, die allerherrlichsten wunderbarsten Dinge erblicken kann, wenn man nur darnach Augen hat.
E. T. A. Hoffmann: Nußknacker und Mäusekönig