Logen-Blog [260]: Dreifaches Porträt
Es gibt nun wieder ein köstliches Beispiel innerer und äußerer Bezugsräume. Der Erzähler erzählt von etwas Erzähltem, d.h.: Gedrucktem:
Auf diese Weise wird mein Held, der sich aus dem Spiegel zu holen sucht, von drei Zeichenmeistern auf einmal besehen und gemalet: von dem Lebensbeschreiber oder mir – vom Romancier oder Herrn von Oefel, der in seinen Roman ein Kapitel setzt, worin er von Gustavs Liebe gegen die Bouse anonymisch handelt – und vom Maler und Helden selber. So muß er denn wohl wohl getroffen werden.
Von Oefels Roman Großsultan erscheinet in der Hofbuchhandlung künftige Messe nichts als das erste Bändchen; und es wird dem minorennen Publikum, das unsre meisten Romane lieset und macht, angenehm zu hören sein, daß ich in den Oefelschen Großsultan ein wenig geblickt und daß darin die meisten Charaktere nicht aus der elenden wirklichen Welt, die man ja ohnehin alle Wochen um sich hat und so gut kennt wie sich selber, sondern meistens aus der Luft gegriffen sind.
Aus der Luft gegriffen? Ja, so wie Münchhausen auf der Kanonenkugel durch dieselbe flog … Denn wer „Großsultan“ liest, darf gern an die berühmten Erzählungen des Barons Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen denken, die erst kurz zuvor, nämlich 1786, von Gottfried August Bürger veröffentlicht wurden. 1788 war eine zweite, erweiterte Auflage der Histörchen in den Hof- und Stadtbuchhandlungen ausgelegt worden. Wer wollte, konnte die Geschichte Münchhausens und des Sultans lesen, der mit ihm wettete, dass sein extrem rasanter Diener es schaffen würde, eine Flasche Tokajer innerhalb einer Stunde von Konstantinopel nach Wien zu transportieren. Unvergesslich die Szene im schönen Film mit Hans Albers – und dem ehemaligen, großartigen Opernsänger und Komiker Leo Slezak als Großsultan.
Wenn „Jean Paul“ 1791 einen Roman im Roman namens Der Großsultan zitiert, dann durfte der amüsierte Leser auch an den dicken Herrscher denken, der zum Opfer einer scherzhaften Wette wurde. Das relativiert nicht nur Oefels Verwandlung der Weltgestalten in literarische Luftfiguren und -nummern. Es macht den Titel erst wirklich witzig.
Rund 100 Jahre nach Jean Pauls Geburt, 1862, kam eine französische Ausgabe der Contes de Münchhausen auf den Markt: mit Illustrationen des berühmten Gustave Doré (eines anderen Meisters phantastischer Welten) und seines Stechers Charles Maurand.
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Es gibt nun wieder ein köstliches Beispiel innerer und äußerer Bezugsräume. Der Erzähler erzählt von etwas Erzähltem, d.h.: Gedrucktem:
Auf diese Weise wird mein Held, der sich aus dem Spiegel zu holen sucht, von drei Zeichenmeistern auf einmal besehen und gemalet: von dem Lebensbeschreiber oder mir – vom Romancier oder Herrn von Oefel, der in seinen Roman ein Kapitel setzt, worin er von Gustavs Liebe gegen die Bouse anonymisch handelt – und vom Maler und Helden selber. So muß er denn wohl wohl getroffen werden.
Von Oefels Roman Großsultan erscheinet in der Hofbuchhandlung künftige Messe nichts als das erste Bändchen; und es wird dem minorennen Publikum, das unsre meisten Romane lieset und macht, angenehm zu hören sein, daß ich in den Oefelschen Großsultan ein wenig geblickt und daß darin die meisten Charaktere nicht aus der elenden wirklichen Welt, die man ja ohnehin alle Wochen um sich hat und so gut kennt wie sich selber, sondern meistens aus der Luft gegriffen sind.
Aus der Luft gegriffen? Ja, so wie Münchhausen auf der Kanonenkugel durch dieselbe flog … Denn wer „Großsultan“ liest, darf gern an die berühmten Erzählungen des Barons Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen denken, die erst kurz zuvor, nämlich 1786, von Gottfried August Bürger veröffentlicht wurden. 1788 war eine zweite, erweiterte Auflage der Histörchen in den Hof- und Stadtbuchhandlungen ausgelegt worden. Wer wollte, konnte die Geschichte Münchhausens und des Sultans lesen, der mit ihm wettete, dass sein extrem rasanter Diener es schaffen würde, eine Flasche Tokajer innerhalb einer Stunde von Konstantinopel nach Wien zu transportieren. Unvergesslich die Szene im schönen Film mit Hans Albers – und dem ehemaligen, großartigen Opernsänger und Komiker Leo Slezak als Großsultan.
Wenn „Jean Paul“ 1791 einen Roman im Roman namens Der Großsultan zitiert, dann durfte der amüsierte Leser auch an den dicken Herrscher denken, der zum Opfer einer scherzhaften Wette wurde. Das relativiert nicht nur Oefels Verwandlung der Weltgestalten in literarische Luftfiguren und -nummern. Es macht den Titel erst wirklich witzig.
Rund 100 Jahre nach Jean Pauls Geburt, 1862, kam eine französische Ausgabe der Contes de Münchhausen auf den Markt: mit Illustrationen des berühmten Gustave Doré (eines anderen Meisters phantastischer Welten) und seines Stechers Charles Maurand.