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19.02.2025, 12:00 Uhr
Andrea Heuser
Spektakula

Der Fränkische Literaturabend beim 10. Bamberger Literaturfestival

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Alle Bilder © Literaturportal Bayern

Das 10. Bamberger Literaturfestival wartet zum runden Geburtstag mit einem ganz besonders vielschichtigen, überregionalen Programm auf. Und nachdem im letzten Jahr die Premiere des Fränkischen Literaturabends beim BamLit für solch eine Begeisterung gesorgt hat, begrüßt es auch dieses Jahr wieder hochkarätige Sprachkünstlerinnen und -künstler aus FrankenAndrea Heuser war für das Literaturportal vor Ort.

Dialekt wärmt und ist per se mit jedem per Du 

Der Fränkische Abend holte sein Publikum mitten im Leben ab. Zumindest die ältere Generation. Junge Leute sah man nur vereinzelt im fast ausverkauften Saal des E.T.A. Hoffmann-Theaters. Dafür wurden Wanderstöcke, Windjacken und Einkaufstüten an der Garderobe abgegeben; sicht- und hörbar gut gelaunt wich die Publikumsstimmung spürbar von der allgemeinen Gedrücktheit ab, die man am Nachmittag, ob des miesen Wetters oder der weltpolitischen Lage, noch in den Cafés und Geschäften der Bamberger Altstadt wahrnehmen konnte. 
Dialekt wärmt und ist per se mit jedem per Du. Dies zumindest war die frohe Botschaft von Musiker und Initiator David Saam, der höchst unterhaltsam, locker und gut gestimmt den Bunten Abend nicht nur moderierte, sondern am Akkordeon und mit Gesang die Veranstaltung auch musikalisch rahmte; zusammen mit seinem Musik-Partner, dem Klarinettisten und Dudelsackspieler Res Richter von Boxgalopp. Saams Ansinnen, den Menschen an diesem Abend Frohsinn zu vermitteln, unterstrich auch sein Outfit, das in allen Farben und Mustern leuchtete. Seine Botschaft ans Publikum „in Zeiten des Wahlkampfs“ war aber dennoch ernst zu nehmen: „Redet miteinander, nicht übereinander!“ 

Von links: Res Richter und David Saam. (c) Literaturportal Bayern

Horch a Mol! (Hör mal!)

Bevor es jedoch zum fröhlichen Miteinanderreden auf der Bühne kam, spendierte Nevfel Cumart, der Kurator des Bamberger Literaturfestivals, neben seinem ausführlichen Dank an die Sponsoren, der Zuhörerschaft noch einige wissenswerte Details über das Festival an sich:
Mit 70 Veranstaltungen an über 35 Spielstätten hat das ambitionierte und umfangreiche, überregionale Programm des Bamberger Literaturfestival anlässlich seines 10. Geburtstags längst die Grenzen eines herkömmlichen Literaturfests überschritten, um nicht zu sagen: überboten. Bis zum einschließlich 4. Juni wird es also noch jede Menge Gelegenheiten geben, in den Genuss der unterschiedlichsten Lesungen und Begegnungen mit den Autorinnen und Autoren zu kommen. Dass davon allein 45 Lesungen an Kindergärten und Schulen im Kreis Bamberg stattfinden, ist ein höchst lobenswertes und überzeugendes Signal dafür, wie ernst die Lese- und Literaturförderung in der Heimat von Kinderbuch-Ikone Paul Maar genommen wird.

Die Gäste und die „Gästin“

Dieser Abend aber gehörte nun den Franken; feierte mit liebevollen Reminiszenzen, Liedern, musikalischen Schmankerln, Lesungen, kabarettistischen Einlagen und einem Fränkischen Quiz, die künstlerische Lebendigkeit der Region.
Um sich versammelt hatte David Saams die Kabarettistin Mia Pittroff, die Sprachkünstler Wastel Kauz und Matthias Egersdörfer sowie den renommierten Kinderbuchautoren Paul Maar
Dass „Gästin“, im Fränkischen gern verwendet, etymologisch ursprünglich mal „eine ungebetene Fremde“ meinte, trug im schäkernden Ton der Moderation gegenüber Mia Pittroff im Übrigen zur allgemeinen Erheiterung bei. 
Für nicht-fränkische Ohren war natürlich nicht jedes Wort, nicht jeder Witz verständlich – im Grunde war dies ein Insider-Abend, der durch die gemeinsame regionale Zugehörigkeit seine Wärme entfaltete und einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Selbstvergewisserung und der Bedeutung von mündlicher Literatur vermittelte.

Von Putin zum Pinguin 

Das „lässige Relativieren“ der Franken, von dem Saams augenzwinkernd sprach, wurde von Mia Pittroffs kluger Scharfzüngigkeit, die hinter ihrem dialektalen Plauderton zutage trag, gleich mal konterkariert. Sie nahm u.a. das deutsche Mutterbildideal sowie den Optimierungszwang der Gesellschaft, insbesondere den Jugendkult, der inzwischen auch Rentner miteinschließt, auf die Schippe. „Alt werden muss man wollen. Da bleib ich lieber jung."

Zusammen mit David Saams, mit dem die Wahlberlinerin zu ihrer Bamberger Zeit das Duo Sellarie gegründet und das Genre des „fränkischen Chansons“ erfunden hatte, trug sie dann, ihr altes Duo wiederbelebend, einfache (keinesfalls schlichte) Lieder im Chansonstil vor, die wie nebenbei auf die Einschränkungen der Presse- und Redefreiheit zu singen kamen: Ich wollte ein Lied singen über Trump und Putin – stattdessen sing ich jetzt ein Lied über Carl, den Pinguin.“

Leicht aquarelliert andeuten

Gar nicht so kalauernd-munter, eher spröde und stellenweise geradezu schroff kam die Lesung Matthias Egersdörfers aus dessen Regionalroman Das Lachen des Grünsprechs (starfruit publications 2023) daher. Ein Text, so Egersdörfer, „über das Lachen, die Freundschaft und den Wahnsinn in der Fränkischen Provinz“.

Mochte für Außenstehende diese Lesung ein wenig zu sehr Nabelschau im Kleinformat betreiben, so kam der spezielle Charme von Autor und Werk jedoch gut beim Publikum an. „Leicht aquarelliert andeuten.“ – Eine schöne Formulierung aus Egersdörfers Roman, die allerdings für das Vorgetragene selbst etwas allzu konsequent galt. Egersdörfer verabschiedete sich dann auch nach seiner Lesung und der anschließenden kurzen Diskussion bald, da er noch seine S-Bahn nach Fürth erwischen musste. Überhaupt trug der lässig-pseudo-private und teilweise saloppe Umgangston der miteinander befreundeten Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne spürbar zur Atmosphäre einer „Hauslesung“ bei und nahm dem Ganzen die Wucht, aber vielleicht auch etwas den Glanz einer klassischen Literaturveranstaltung.

Es kann auch mal ernst zugehen

An der Gitarre erfreute dann noch Wastel Kauz mit seinen auf Fränkisch gedichteten Songs das Publikum. Seine Lieder, deren Sinnlichkeit sich vor allem über das verbal-genüssliche Auslassen über die Vorzüge der regionalen Küche und die Wehwehchen des Körpers mitteilte (Blasenentzündung, Hinterteil, Mädchenhaar), sorgten teilweise für Lacher; das politische Lied Angst vor der AfD hingegen zeigte, dass es auch mal ernst zugehen kann auf Dialekt. 

Res Richter wiederum hatte ein Lied, eine Ode an das gute alte Heimatdörfchen, das Kaff, mitgebracht: Dreggads glaans Kaff, was so viel musikalischen Spürsinn und feine Finessen besaß, dass im Saal dann auch die Nicht-Franken freudig mit summten. Überhaupt war es eine Freude, Richter an der Klarinette zu erleben: ein musikalisches Highlight des Abends. 

Apropos Highlight: Die dialogische Lesung von Paul Maar und David Saams, der Das Sams ins Fränkische – man möchte geradezu sagen – rückübersetzt hat, war der literarische Höhepunkt des Abends. Der vorgetragene Auszug, in dem das Sams zur Schule geht, machte hörbar und sinnlich erfahrbar, wie sehr der bekannte Kinderbuchklassiker durch den dialektalen Ton nochmal an Farbe und Ausdruckskraft hinzugewinnt. 
Im anschließenden Gespräch erzählte Paul Maar zudem die aussagekräftige Anekdote über seinen ersten Vertragsabschluss im Oetinger Verlag. Der Verleger hatte damals Maars erstes Werk unter Vertrag genommen unter der Bedingung, dass er noch mindestens zwei weitere Kinderbücher schreibe. Denn nur wer die sogenannte „Kinderliteratur“ so ernst nehme wie die „Erwachsenenliteratur“ und diese nicht bloß als Trittbrett betrachte, käme für ihn als ernstzunehmender Autor infrage. Daran hat sich Paul Maar, wie sein Lebenswerk zeigt, gehalten.

Von links: Paul Maar, Matthias Egersdörfer, David Saam, Mia Pittroff, Wastel Kauz, Res Richter. (c) Literaturportal Bayern

Das Fränkische Quiz 

Bevor dann zum Abschluss gemeinsam mit dem Publikum noch ein auf fränkisch umgedichtetes Chanson gesungen wurde und alle so beschwingt auseinandergingen wie sie hergekommen waren, gab es noch ein Fränkisches Quiz, aus dem hier drei Fragen vorgestellt werden sollen. (Die Lösungen finden sich weiter unten.) Die Wörter wurden vom Moderatoren bewusst nur mündlich mitgeteilt – es wurde keine Schreibweise verraten. Auf diese Weisen lud das Quiz zum freien Hör-Assoziieren ein, an dem sich neben dem Publikum auch die Gäste und die Gästin auf der Bühne mit A, B, C – Votum-Karten beteiligten. In diesem Sinne: „horch a mol“, und testen Sie hier Ihr Wissen über das fränkische Sprachgut: 

1.    Was bedeutet „Schelli“?
A.    Ein Lebensmittel
B.    Zwei Leute, die sich quer/uneins sind 
C.    Fränkische Schafkopf-Variante

2.    Was ist eine „Docke“?
A.    Figürliche Nachbildung eines Menschen
B.    Liebevoller Kosename für die Schwiegermutter
C.    Dackel mit langen Beinen

3.    Was bezeichnet das Wort „Bumbado“?
A.    Ein tiefes Blechblasinstrument
B.    Umgangssprachl. f. liebestolle Person
C.    Das Geräusch, wenn jemand an die Tür klopft 
 
Wer bei diesem Mini-Quiz so rein gar nichts erahnen konnte – der nächste Fränkische Abend kommt bestimmt. Und ansonsten bietet das Bamberger Literaturfestival insgesamt sicherlich auch noch viele Möglichkeiten wertvoller, bildungsstiftender Erlebnisse in Oberfranken. 

Eines steht jedenfalls fest: „Lidderatur“ schreibt man auf Fränkisch fei mit drei d!

 
*Lösungen: Schelli (Antwort B: Zwei Leute die „sich überkreuz“/nicht sympathisch sind, sind einander „schelli“.) Docke (Antwort A: Figürliche Nachbildung eines Menschen. „Doggn“/Puppe) Bumbado (Antwort A: Ein tiefes Blechblasinstrument. „Bombardon“ = Tuba).