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22.01.2025, 11:07 Uhr
Sara Gómez
Text & Debatte
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FREISCHWIMMEN – DER ORT AN DEM ICH BIN. Ein mäandernder Text über Schreiben und Schwimmen (8)

Literatur und Bewegung gehen ein spannendes Gespann ein. Der Bewegung im Kopf setzen viele Autorinnen und Autoren eine körperliche Bewegung entgegen oder ergänzen die eine mit der anderen. Von den offensichtlichen gesundheitlichen Gründen abgesehen, ist das eine oftmals die Verlängerung des anderen. 

Die Autorin Sara Goméz ist leidenschaftliche Schwimmerin ohne jede Ambition an sportliches Achievement. In dieser 9-teiligen Blogreihe lässt sie sich treiben wie in einem See und kommt dennoch immer wieder zurück in ihre Bahnen. Sie schreibt darüber, wie Schreiben und Schwimmen, wie Bewegung und Denken für sie zusammenhängen. Wir präsentieren hier die achte Folge.

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DU SETZT DIE SEGEL UND FÄHRST DAVON. OHNE DICH ZU VERABSCHIEDEN

Während ich diesen Text schreibe, höre ich besonders gern „under the influence“ von Snoh Aalegra. Auf den ersten Blick ein nicht-zufriedenes Liebeslied, aber je öfter ich den Song beim Schreiben höre, desto mehr beziehe ich ihn aufs Wasser, aufs Schwimmen – auf jenes namenlose Dritte, mit dem viele, auch Kristine Bilkau in Wasserzeiten, den Schriftsteller D. H. Lawrence zitieren: „Wasser ist H²O, zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Aber da ist noch etwas Drittes, das erst macht es zu Wasser, und niemand weiß, was dieses Etwas ist“.1

Ich weiß nie, was passiert, wenn ich in das namenlose Dritte steige – nur dass es gut sein wird, dass es mir nach den wie viel Bahnen auch immer gutgehen wird. So unlustig ich auch immer sein mag in dem Moment, in dem ich hineingestiegen bin. Das Mäandernde dieses Texts spiegelt insofern wider, was tatsächlich passiert, wenn das Schwimmen anfängt und das Loslassen beginnt. So hätte ich auch nicht gedacht, dass D. H. Lawrence zeitweise in München lebte – das erfahre ich erst dank der Recherche für diesen Text. „Lawrence left for a small hamlet to the south of Munich where he was joined by Frieda for their "honeymoon", later memorialised in the series of love poems titled Look! We Have Come Through2 beschreibt der englischsprachige Wikipedia-Eintrag diese kurze Episode 1912. Die mich an die andere Bewegung erinnert, die ich immer mehr zu lieben gelernt habe: Das Wandern. D.H. Lawrence und seine Frau Frieda, geborene Richthofen, überquerten noch 1912 die Alpen – eine Tour, die ich seit Jahren gehen will und mich bislang noch nicht getraut habe.

Was es mit dem Trauen auf sich hat, finde ich unvermutet auf den Seiten von Maike Wetzels Schwebende Brücken, in dem der Tod ihres Mannes durch Ertrinken den Rahmen bildet für einen Text, den ich nicht Roman nennen kann, auch wenn das auf dem Umschlag steht. Er ist meines Erachtens viel mehr! Ein Versuch über das Unbeschreibliche und das Weitermachen.

Wie viel Mut das Schreiben kostet, zumal nach solch einem Verlust, und wie oft sie es sich letztlich versagt, habe ich selten so eindrucksvoll gefunden wie auf ihren Seiten – die nie Fremdscham erzeugen, bedrückend nah dran sind und dennoch als Leserin immer genug Luft zum Atmen lassen. „Du besteigst die Jolle, du setzt die Segel und fährst davon. Ohne dich zu verabschieden“. Ihr Mann wird von diesem an sich harmlosen Segelausflug nicht mehr zurückkommen. Die Protagonistin – und ich mit ihr – lernt im Verlauf der Schilderung, dass schon ein Glas Wasser reicht, damit jemand ertrinkt. Ein Glas Wasser in der falschen Röhre, mit der falschen Panik, ein offener See, keine Hilfe in Sicht.

Oder wie Bonnie Tsui schreibt: „Ertrinken ist leise und schnell“.3

 

[1] Wasserzeiten, Kristine Bilkau, Arche Literatur Verlag, 2023. 

[2] https://en.wikipedia.org/wiki/D._H._Lawrence#Life_and_career zuletzt abgerufen am 9.10.24; zu Deutsch etwa: Lawrence zog in einen kleinen Weiler südlich von München, wo er mit Frieda „Flitterwochen“ verbrachte, die später in einer Reihe von Liebesgedichten mit dem Titel „Schau! Wir sind durchgekommen“ mündeten.

[3] Warum wir schwimmen, Bonnie Tsui, HarperCollins, 2022.

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