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03.12.2024, 09:00 Uhr
Sara Gómez
Text & Debatte
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(c) privat

FREISCHWIMMEN – DER ORT AN DEM ICH BIN. Ein mäandernder Text über Schreiben und Schwimmen (2)

Literatur und Bewegung gehen ein spannendes Gespann ein. Der Bewegung im Kopf setzen viele Autorinnen und Autoren eine körperliche Bewegung entgegen oder ergänzen die eine mit der anderen. Von den offensichtlichen gesundheitlichen Gründen abgesehen, ist das eine oftmals die Verlängerung des anderen. 

Die Autorin Sara Goméz ist leidenschaftliche Schwimmerin ohne jede Ambition an sportliches Achievement. In dieser 9-teiligen Blogreihe lässt sie sich treiben wie in einem See und kommt dennoch immer wieder zurück in ihre Bahnen. Sie schreibt darüber, wie Schreiben und Schwimmen, wie Bewegung und Denken für sie zusammenhängen. Wir präsentieren hier die erste Folge.

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ES WAR NICHT VORGESEHEN, DASS ICH HIER BIN

Mein Ex-Mann war es auch, der mir „richtig“ zu schwimmen beibrachte – bis dato war ich leidenschaftliche Brustschwimmerin ohne Technik, die immer mit dem Kopf über Wasser schwamm. Er schenkte mir meine erste Schwimmbrille und zeigte mir einfache Übungen, um meinen Kopf beim Schwimmen unter Wasser zu halten. Er gab allerdings auch zu, dass er mir keine Schwimmbrille geschenkt hätte, hätte er gewusst, dass ich noch nicht mal diese Basistechnik beherrschte. Ich aber lernte: Meinen Kopf ohne Furcht unterzutauchen, auszuatmen, einen Rhythmus zu finden, es zu genießen, unter Wasser zu sein, den Nacken zu entspannen, die Abwechslung des Geräuschs von oberhalb zu unterhalb des Wassers. Eines jener großäugigen Insekten zu werden, die sich grußlos im Becken begegnen. Ich fing an, in den Sportschwimmerbereich zu gehen – immer darauf vorbereitet, dass mich jemand zurechtweisen würde, ich sei zu langsam, wer nicht kraule, hätte hier nichts verloren, usw. Bis heute warte ich auf solche Vorwürfe, das Gefühl des Hochstapelns schwimmt mit, schaut mich mitleidig an und deutet mit einen Kopfnicken in Richtung der Kraulenden, derjenigen, die sich mit einer Rollwende gegen Ende der Bahn in die nächste bringen, anstatt wie ich plump umzudrehen.

Ich schrieb dann auch eine Erzählung mit Rahmenhandlung im Schwimmbad, an der ich heute am liebsten den Titel mag: Becken. Ein mehrfaches Teekesselchen aka Homonym – bezogen auf das Schwimmbecken, den Körperteil und den Teil des Schlagzeugs. Ein Text, in dem ich versuchte, alles innerhalb des Schwimmbads bzw. im Kopf der Protagonistin, die schwimmt, spielen zu lassen. Ein Gedanke, der mich nach wie vor reizt – doch der Text selbst kommt mir jetzt sperrig und überambitioniert vor. Ich weiß nicht, ob ich mich noch mal daransetzen, ob ich ihm noch mal eine Chance geben soll. Und das obwohl die meisten meiner Prosatexte mit langen, teilweise jahrelangen, Pausen entstanden sind und vermutlich weiterhin entstehen werden. Manchmal aber ist so vieles verkorkst an einem Text, dass es wenn dann ein komplett neuer werden muss. 

Ich denke daran, was der bayerisch-mundfaule und dennoch charmante Fahrradmechaniker meines Vertrauens meinte, als ich ihm das letzte Mal mein Rad vorbeibrachte: Dass ich anfangen solle, mich von dem Fahrrad zu verabschieden, es wäre nicht mehr wert, es im großen Stil zu reparieren. Das Rad war ebenfalls ein Geschenk des Ex-Mannes, zusammen mit meinen Eltern, und hat deutlich länger als die Beziehung gehalten. Ein unhandlicher – ebenfalls sperriger – Drahtesel, der mich zugleich immer zu beschützen schien wie ein Zauberrahmen, innerhalb dessen mir nichts Böses widerfahren würde. Und immerhin hatte ich in all den Jahren auch tatsächlich nur einen nennenswerten Unfall damit.

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