Erste Liebe
Der Schriftsteller, Zeichner und Erzähler Alexander Kostinskij lebt seit Anfang der 1990er-Jahre in München. Diese Geschichte erzählt von der Liebe seines Lebens.
*
Es war Liebe auf den ersten Blick. Und diese Liebe war gegenseitig. Unser ganzes Leben lang haben wir uns geliebt und lieben uns.
Sie hat immer auf mich gewartet, und ich bin immer zu ihr geeilt. Ich habe sie leidenschaftlich geliebt. In meiner Jugend und auch jetzt, wenn meine Hände zittern und meine Augen abends müde werden, bin ich immer noch zärtlich zu ihr. Meine Finger liebkosen sie, ich entdecke, sehe immer etwas Neues und Wunderbares in ihr.
Und ich bewundere sie. „Wie kommt es, dass ich das nicht schon früher bemerkt habe?!“
Es mag banal klingen, aber unsere Liebe kennt kein Alter.
Nun, wenn wir uns aus irgendeinem Grund nicht getroffen haben, war sie nie beleidigt. Denn sie wusste, dass ich ihr treu war. Sie kannte keine Eifersucht, auch dafür bin ich ihr dankbar.
Ich weiß nicht, was ich ohne ihre Hilfe, ohne ihren Rat hätte tun können. Sie teilte großzügig, gab mir ihr Wissen. Und wenn ich in meinem Leben etwas erreicht habe, dann nur durch sie.
Wir sind viel herumgekommen. Mit ihr habe ich die halbe Welt bereist. Allein hätte ich niemals die Wälder Sibiriens und des Amazonas durchwandern können, oder stundenlang die Säle des Louvre, des Prado und der Eremitage.
An Winterabenden, wenn Schnee fiel und unser Haus und unseren Garten mit einem stillen weißen Januar-Fell bedeckte, eröffnete sie mir die Welt der Poesie. Wir lasen Goethe, Puschkin, Apollinaire, Achmatowa und alles von Shakespeare.
Und wie haben wir gelacht!!! Sie hat einen wunderbaren Sinn für Humor.
Molière! Bernard Shaw! Gerald Durrell! Evelyn Waugh! Scholom Alejchem! Tschechow! Ilf und Petrow! Die Weisen von Helom, Daniil Charms! Einsteins Witze! Hašek!! Unmöglich, alles aufzulisten.
Nur sie konnte unermüdlich jüdische Anekdoten erzählen, in denen sich Weinen und Lachen mit dem Schicksal vermischten. Und auch das hat sie mir beigebracht: Erzählen. Ja, ja – nicht nur sprechen, sondern erzählen.
Ich kann endlos über sie reden, über ihren Charakter.
Ich habe ihr nichts vorzuwerfen.
Sie hat nie wegen irgendetwas Druck gemacht. Sie gab nur Ratschläge, lehrte zu zweifeln. Lehrte, Fragen zu stellen und nicht an unveränderliche Wahrheiten zu glauben.
Dank sei ihr.
Es wird bald Mitternacht, aber ich weiß, dass sie auf mich wartet, meine ewige, leidenschaftliche, immer junge Liebe.
Sie ist an meiner Seite.
Mein Buch.
Aus dem Russischen von Stephan Gerken
Erste Liebe>
Der Schriftsteller, Zeichner und Erzähler Alexander Kostinskij lebt seit Anfang der 1990er-Jahre in München. Diese Geschichte erzählt von der Liebe seines Lebens.
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Es war Liebe auf den ersten Blick. Und diese Liebe war gegenseitig. Unser ganzes Leben lang haben wir uns geliebt und lieben uns.
Sie hat immer auf mich gewartet, und ich bin immer zu ihr geeilt. Ich habe sie leidenschaftlich geliebt. In meiner Jugend und auch jetzt, wenn meine Hände zittern und meine Augen abends müde werden, bin ich immer noch zärtlich zu ihr. Meine Finger liebkosen sie, ich entdecke, sehe immer etwas Neues und Wunderbares in ihr.
Und ich bewundere sie. „Wie kommt es, dass ich das nicht schon früher bemerkt habe?!“
Es mag banal klingen, aber unsere Liebe kennt kein Alter.
Nun, wenn wir uns aus irgendeinem Grund nicht getroffen haben, war sie nie beleidigt. Denn sie wusste, dass ich ihr treu war. Sie kannte keine Eifersucht, auch dafür bin ich ihr dankbar.
Ich weiß nicht, was ich ohne ihre Hilfe, ohne ihren Rat hätte tun können. Sie teilte großzügig, gab mir ihr Wissen. Und wenn ich in meinem Leben etwas erreicht habe, dann nur durch sie.
Wir sind viel herumgekommen. Mit ihr habe ich die halbe Welt bereist. Allein hätte ich niemals die Wälder Sibiriens und des Amazonas durchwandern können, oder stundenlang die Säle des Louvre, des Prado und der Eremitage.
An Winterabenden, wenn Schnee fiel und unser Haus und unseren Garten mit einem stillen weißen Januar-Fell bedeckte, eröffnete sie mir die Welt der Poesie. Wir lasen Goethe, Puschkin, Apollinaire, Achmatowa und alles von Shakespeare.
Und wie haben wir gelacht!!! Sie hat einen wunderbaren Sinn für Humor.
Molière! Bernard Shaw! Gerald Durrell! Evelyn Waugh! Scholom Alejchem! Tschechow! Ilf und Petrow! Die Weisen von Helom, Daniil Charms! Einsteins Witze! Hašek!! Unmöglich, alles aufzulisten.
Nur sie konnte unermüdlich jüdische Anekdoten erzählen, in denen sich Weinen und Lachen mit dem Schicksal vermischten. Und auch das hat sie mir beigebracht: Erzählen. Ja, ja – nicht nur sprechen, sondern erzählen.
Ich kann endlos über sie reden, über ihren Charakter.
Ich habe ihr nichts vorzuwerfen.
Sie hat nie wegen irgendetwas Druck gemacht. Sie gab nur Ratschläge, lehrte zu zweifeln. Lehrte, Fragen zu stellen und nicht an unveränderliche Wahrheiten zu glauben.
Dank sei ihr.
Es wird bald Mitternacht, aber ich weiß, dass sie auf mich wartet, meine ewige, leidenschaftliche, immer junge Liebe.
Sie ist an meiner Seite.
Mein Buch.
Aus dem Russischen von Stephan Gerken