Franziska zu Reventlow und Theresa Gröhe. Ein Quellenfund
Avantgardistin, Bohemienne, Verfechterin der freien Liebe, Freidenkerin – das war Franziska zu Reventlow (1871-1918). Vor ein paar Tagen hätte sie ihren 153. Geburtstag gefeiert. Über Reventlows autobiografische Aufzeichnungen urteilte der Münchner Schriftsteller Karl Wolfskehl: „Das Tagebuch ist wirklich ein Echtheitsdokument von großer Reinheit, direkt und wahrhaftig, dabei ausgezeichnet im Wort.“ Im Folgenden veröffentlichen wir einen Quellenfund von Harald Beck zu einem Gedicht, das die Dichterin am 6. Juni 1897 in ihr Tagebuch niederschrieb.
*
Am 6. Juni 1897 schreibt Franziska zu Reventlow in ihr Tagebuch:
„Abends im Bahnhof gesessen und Café getrunken, eine alte liebe Gewohnheit [...] und find in einem Blatt ein Gedicht.
Nebel wogen über die Heide,
Dornen nur trägt der Wildrosenstrauch.
Herz mein Herz, in deinem Leide
Trage du deine Dornen auch.
Heimat und Liebe laß sie den andern,
Still geh vorüber an ihrem Haus.
Schmerzversunken wandere weiter
In die einsame Nacht hinaus.
Das kam mir so wie für mich vor –"
Dreieinhalb Jahre später, am 20. November 1900 zitiert sie das Gedicht erneut kurz an:
„Und meine ‚große Liebe‘? – Die Klaue, die sich wieder um mein Leben krallt. Und das Heimkommen? Wie war doch der alte Vers
Heimat und Liebe laß sie den andern
Still geh vorüber an ihrem Haus.“
Möchte wenigstens Adam sie finden. Ich mag keine Wolken über ihm sehn.“
Bangt sie zur Zeit der ersten Erwähnung des Gedichts in Einsamkeit um ihre und die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes, ist sie bei der zweiten am Ende eines Aufenthalts auf der Insel Samos, wohin sie den Geologen Alfred Hentschel (Adam) mit ihrem Sohn begleitete, stark resignativ gestimmt. Einer von mehreren Gründen war, dass er ihr bei einer Auseinandersetzung gestanden hatte, dass er bereits verlobt war.
Heimatlosigkeit und die Unmöglichkeit, eine dauerhafte Beziehung einzugehen, sollten Franziska zu Reventlow ihr Leben lang begleiten.
Das Blatt, in dem sie das bislang nicht identifizierte Gedicht gefunden hatte, war eine Nummer der Fliegenden Blätter vom Vorjahr (Nr. 105, 1896, S. 119):
Ihre Erinnerung an das gelesene Gedicht ist nicht ganz zuverlässig, aber doch in den von ihr zitierten ersten beiden Strophen erstaunlich dicht an der Vorlage.
Das Pseudonym T. Resa steht für die in Greiffenberg geborene Dichterin Theresa Gröhe (1853-1929), die sich nach dem frühen Tod ihres Mannes allein mit einem zweieinhalbjährigen Kind in schwieriger Lage auf ihre dichterischen Neigungen besann und bei den Fliegenden Blättern reüssierte.[1]
Nicht von ungefähr spürte Franziska zu Reventlow: „Das kam mir so wie für mich vor –“
[1] Biographische Informationen aus Über Land und Meer, 1901, S. 63.
Franziska zu Reventlow und Theresa Gröhe. Ein Quellenfund>
Avantgardistin, Bohemienne, Verfechterin der freien Liebe, Freidenkerin – das war Franziska zu Reventlow (1871-1918). Vor ein paar Tagen hätte sie ihren 153. Geburtstag gefeiert. Über Reventlows autobiografische Aufzeichnungen urteilte der Münchner Schriftsteller Karl Wolfskehl: „Das Tagebuch ist wirklich ein Echtheitsdokument von großer Reinheit, direkt und wahrhaftig, dabei ausgezeichnet im Wort.“ Im Folgenden veröffentlichen wir einen Quellenfund von Harald Beck zu einem Gedicht, das die Dichterin am 6. Juni 1897 in ihr Tagebuch niederschrieb.
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Am 6. Juni 1897 schreibt Franziska zu Reventlow in ihr Tagebuch:
„Abends im Bahnhof gesessen und Café getrunken, eine alte liebe Gewohnheit [...] und find in einem Blatt ein Gedicht.
Nebel wogen über die Heide,
Dornen nur trägt der Wildrosenstrauch.
Herz mein Herz, in deinem Leide
Trage du deine Dornen auch.
Heimat und Liebe laß sie den andern,
Still geh vorüber an ihrem Haus.
Schmerzversunken wandere weiter
In die einsame Nacht hinaus.
Das kam mir so wie für mich vor –"
Dreieinhalb Jahre später, am 20. November 1900 zitiert sie das Gedicht erneut kurz an:
„Und meine ‚große Liebe‘? – Die Klaue, die sich wieder um mein Leben krallt. Und das Heimkommen? Wie war doch der alte Vers
Heimat und Liebe laß sie den andern
Still geh vorüber an ihrem Haus.“
Möchte wenigstens Adam sie finden. Ich mag keine Wolken über ihm sehn.“
Bangt sie zur Zeit der ersten Erwähnung des Gedichts in Einsamkeit um ihre und die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes, ist sie bei der zweiten am Ende eines Aufenthalts auf der Insel Samos, wohin sie den Geologen Alfred Hentschel (Adam) mit ihrem Sohn begleitete, stark resignativ gestimmt. Einer von mehreren Gründen war, dass er ihr bei einer Auseinandersetzung gestanden hatte, dass er bereits verlobt war.
Heimatlosigkeit und die Unmöglichkeit, eine dauerhafte Beziehung einzugehen, sollten Franziska zu Reventlow ihr Leben lang begleiten.
Das Blatt, in dem sie das bislang nicht identifizierte Gedicht gefunden hatte, war eine Nummer der Fliegenden Blätter vom Vorjahr (Nr. 105, 1896, S. 119):
Ihre Erinnerung an das gelesene Gedicht ist nicht ganz zuverlässig, aber doch in den von ihr zitierten ersten beiden Strophen erstaunlich dicht an der Vorlage.
Das Pseudonym T. Resa steht für die in Greiffenberg geborene Dichterin Theresa Gröhe (1853-1929), die sich nach dem frühen Tod ihres Mannes allein mit einem zweieinhalbjährigen Kind in schwieriger Lage auf ihre dichterischen Neigungen besann und bei den Fliegenden Blättern reüssierte.[1]
Nicht von ungefähr spürte Franziska zu Reventlow: „Das kam mir so wie für mich vor –“
[1] Biographische Informationen aus Über Land und Meer, 1901, S. 63.