KI an Schulen. Ein Gespräch mit Lehrern des Klenze-Gymnasiums München
Zur Reihe: Über kaum eine technologische Errungenschaft wird so viel geredet und gestritten wie über KI, die Künstliche Intelligenz in Form von ChatGPT und anderen, sich immer rasanter entwickelnden Tools. Ihre einschneidenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft werden sowohl als innovativ und arbeitsentlastend begrüßt als auch in ihren sozialen und arbeitsmarktgefährdenden Aspekten kritisch hinterfragt. Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für die Kunst- und Literaturschaffenden in Bayern? Inwiefern wirkt sich KI auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen aus? Welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen? In der Reihe „Die KI und wir“ widmet sich das Literaturportal diesem brisanten, aktuellen Thema in Form von Gesprächen, Berichten und Rezensionen.
Das zweite Gespräch führte Andrea Heuser für die Redaktion des Literaturportals Bayern mit Andreas Hirth und Christopher Wagner, zwei Lehrern des Klenze-Gymnasiums München über den Umgang mit KI an Schulen.
*
LITERATURPORTAL BAYERN: Lieber Herr Hirth, lieber Herr Wagner, wir sind hier zusammengekommen, um uns über das ebenso hochaktuelle wie brisante Thema KI an den Schulen zu unterhalten. Wie schätzen Sie als Lehrer, in der Abwägung von Schaden und Nutzen, den Umgang der Schülerinnen und Schüler mit KI ein? Zum Einstieg gern auch erst einmal eine generelle Einschätzung: KI – schädlich oder nützlich, Segen oder Fluch? Zunächst einmal geht die Frage an Sie, Herr Hirth, als Englisch- und Geschichtslehrer.
ANDREAS HIRTH: Generell gesprochen? Da bin ich eher pessimistisch. Tendenziell halte ich es für problematisch, dass man immer mehr Aufgaben an Maschinen delegiert. Dass man nicht mehr selber die Prozesse durchdringt, sondern nur noch auf dieser Bedienoberfläche Ergebnisse erzielt. Es liegt eine grundsätzliche Gefahr darin, dass man nicht mehr versteht, was da eigentlich passiert.
Wir werden Probleme haben mit Betrugsfällen – das kann man in vielen Bildungseinrichtungen bereits beobachten. Wir werden mit Sicherheit unsere Prüfungsformen umstellen müssen und einiges, was wir als Lehrende so gewohnt sind, überdenken müssen.
Aber es gibt mit Sicherheit auch Anwendungen, die uns das Leben leichter machen können, die das Lernen vielleicht sogar qualitativ verbessern. Es gibt ja bereits den Begriff von den „intelligenten Tutor-Systemen“, die es in Deutschland allerdings bislang so noch nicht gibt: Dass die Lehrkräfte einen KI-Assistenten haben, der den Schülerinnen und Schülern ein zusätzliches Feedback gibt in Hinblick auf Grammatik, Vokabular und Rechtschreibung zum Beispiel, wodurch gerade in Zeiten des Personalmangels die Lehrkräfte auch entlastet würden. Ebenso kann ich mir vorstellen, dass Teile der Korrekturarbeiten auf diese Weise automatisiert würden.
Was durchaus schon passiert, ist z.B. der Einsatz von KI bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben: dass man mit der KI bei der Texterstellung ganz gezielt Sprachniveaus ansteuern kann. Der Vorteil wäre außerdem, dass man eine größere Individualisierung erreichen und mehr auf die unterschiedlichen Niveaus der einzelnen Schülerinnen und Schüler eingehen könnte.
Und dann natürlich das ganz Entscheidende aus unserer Sicht: Wenn dadurch, durch die Entlastung im Bereich der Routineaufgaben, mehr Freiräume entstehen, die wir qualitativ anders nutzen können. Zum Beispiel fürs soziale Lernen.
LPB: Herr Wagner, jetzt wurden gerade von Herrn Hirth schon Möglichkeiten der qualitativen Verbesserungen angesprochen. Wie sehen Sie das als Informatiker? Sie unterrichten ja neben Informatik auch noch Mathematik und Natur und Technik …
CHRISTOPHER WAGNER: Also grundsätzlich deckt sich da im Informatikunterricht vieles mit dem Englischunterricht in puncto Prüfungsvorbereitung, in puncto Arbeitsentlastung und Zeitersparnis. Die Hilfe, die Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler durch KI ist in den naturwissenschaftlichen Fächern allerdings etwas anders.
Was ich selbst schon ausprobiert habe mit einer generativen KI: mir zum Beispiel einen Programmcode erklären zu lassen. Und das wäre für den Informatikunterricht, wo ja unter anderem Programmieren ein Thema ist, sicherlich für schwächere Schülerinnen und Schüler oder solche, die den Stoff wiederholen oder Lücken schließen möchten, eine gute hilfreiche Möglichkeit: das selbstgesteuert zu tun und da nicht immer einen Experten fragen zu müssen, weil man durch die KI ja schon eine Art Experten zur Hand hat.
Kritisch sehe ich, ähnlich wie Herr Hirth, dass es schon dazu einlädt, selbst weniger zu denken; der KI das Denken zu überlassen.
Ich habe in Informatik tatsächlich schon Gespräche mit Schülerinnen und Schülern gehabt, die dann fragen: Warum müssen wir das überhaupt lernen? Die KI kann das ja auch übernehmen. Das wird wahrscheinlich eine Herausforderung, dass man da als Lehrkraft auch in Zukunft vermittelt, warum das wichtig ist, trotzdem noch selbst Wissen zu haben. Die KI soll uns ja nicht das Denken, sondern nur bestimmte Routineaufgaben abnehmen.
LPB: Wie bekommt man denn diese Aussage, dass die KI das doch eh besser kann, argumentativ ausgehebelt?
WAGNER: Aktuell gibt es ja noch genügend Fälle von KI-Systemen, die relativ schnell Fehler oder Widersprüche produzieren. Man sagt dazu auch: die KI „halluziniert“. Man kann das recht schnell zeigen. Insofern kann man sowieso selten ein KI-System unhinterfragt benutzen für seine Aufgabe, sondern man muss genau verstehen, ob und warum es die Anforderungen erfüllt.
HIRTH: Und ich brauche eine Zielvorstellung. Wenn ich nicht schon genau weiß, wie beispielsweise ein guter Text oder ein gutes Musikstück aussieht, dann kann ich das, was ich da erzeugt habe, auch nicht weiterentwickeln. Momentan ist die KI noch fehleranfällig, erzeugt Stereotypen. Gehen wir mal davon aus, dass sich das alles bessert im Idealfall – trotzdem braucht es dann immer noch einen Benutzer, der selber so ein hohes Qualitätsbewusstsein hat, dass er das eben auch so eingibt, dass da am Schluss was Gutes rauskommt. Und das würde ich versuchen, den Schülerinnen und Schülern dann zu erklären.
Womöglich steht aber auch zu befürchten, dass wir eine Tendenz zur Nivellierung beobachten werden. Das Mittelmaß regiert, da die KI eine gewisse Qualität nicht unterschreitet, aber ein bestimmtes Niveau, zumindest bis jetzt, nicht überschreitet. Das liegt vermutlich in der Natur der Sache, solange das Ergebnis auf einer Rekombination bereits vorhandener Versatzstücke basiert.
WAGNER: Und interessanterweise kann man die Formulierung, wie ein guter Text, wie ein gutes Musikstück aussieht, auch auf meinen Fachbereich ausweiten. Ich muss auch wissen, wie gute Software aussieht, um zu beurteilen, ob das, was die KI mir da ausgibt, brauchbar ist. Ich muss am Ende beurteilen können, ob das, was die KI mir da als Lösung anbietet, das erfüllt.
LPB: Das bedeutet aber, ich muss eigentlich immer noch einen Schritt weiter sein als die KI ...
WAGNER: Dann wiederum könnte man sich aber fragen, wozu es die KI dann eigentlich braucht, wenn wir sowieso mehr wissen. Ich muss aber zumindest imstande sein, durch meine Fähigkeiten und mein Wissen das zu beurteilen. Also, ob das die Lösung sein kann, auch wenn ich nicht selbst auf die Lösung gekommen bin.
HIRTH: Da sind wir dann schon ganz nah an der dystopischen Dimension – wird die KI uns irgendwann ersetzen? Wird es in absehbarer Zeit vielleicht keinen menschlichen Kontrolleur mehr brauchen? Wer entscheidet eigentlich mit welcher Legitimation darüber, mit welchen Texten eine KI trainiert wird? Und schaffen wir uns dann auch selber ab, als Schreibende, als Lehrende?
Die UNESCO sagt zwar, wenn es um KI und Bildung geht, dass der Mensch im Zentrum stehen muss, um eine humanistische Leitlinie vorzugeben – andere, pessimistische Sichtweisen würden wohl zu dem Ergebnis kommen, dass das außerhalb unserer Kontrolle liegt.
LPB: Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der auch auf die Frage nach dem Verhältnis von Werkzeug und seinem Benutzer zielt. Dass dieses Verhältnis in Bezug auf den Menschen richtig geordnet ist, dafür müssen wir sorgen. Durch Regelungen, Maßnahmen und Richtlinien, die es auch politisch durchzusetzen und überregional zu vereinbaren gilt. Diese Handlungsmaximen zu erwirken, gerade in Zusammenarbeit mit den Konzernen und Firmen, die KI herstellen, das ist natürlich ein zähes Ringen, ein komplexer Vorgang. Auch das Einfordern von Transparenz.
Wie sieht es denn mit verbindlichen Richtlinien auf Schulebene aus? Gibt es Vorgaben, wie man die KI im Unterricht einsetzt? Was ist erlaubt und was ist verboten?
HIRTH: Es ist sehr schwierig eine allgemeingültige Antwort darauf zu formulieren. Was im Unterricht passiert, ist individuell. Wenn die Lehrkraft sagt, ihr dürft das Gedicht mit KI-Unterstützung verfassen, zum Beispiel, dann wird das möglich sein und wenn die Lehrkraft dagegen ist, dann wird sie nicht zum Einsatz kommen. Es gibt da bislang keine höhere Leitlinie.
Was allerdings jetzt schon juristisch relevant ist, ist natürlich das Thema Plagiate und Seminararbeiten. Das ist natürlich offiziell verboten, dass der Schüler, die Schülerin sich einen Text schreiben lässt. Es ist wiederum nicht offiziell verboten, dass er mit der KI kommuniziert …
WAGNER: Es steht aber im neuen Lehrplan für Seminare, wo Seminararbeiten geschrieben werden, dass man das schulen soll: die KI zum Arbeiten unterstützend heranzuziehen.
LPB: Wie stelle ich mir das dann aber praktisch vor, so ganz ohne klare Regularien? Ich habe nun eine Seminararbeit zur Bewertung vorliegen, die von einer KI erstellt wurde. Es fehlt komplett die Eigenleistung. Und jetzt?
HIRTH: Ja, das kann vorkommen … Auch dass komplett von der KI erstellte Referate einfach so runtergelesen werden. Das wird als ungenügende Leistung bewertet. Falls es eindeutig feststellbar ist, allerdings nur. Das stellt natürlich eine erhebliche Schwierigkeit dar.
LPB: Aber wie kann ich das eindeutig feststellen?
HIRTH: Genau deswegen müsste es zukünftig andere Prüfungsformen geben. Damit eine faire Bewertung der Eigenleistung möglich bleibt.
WAGNER: Ich glaube auch, dass das problematisch ist, denn trotz der recht sicheren Einschätzung durch die Lehrkraft ist am Ende bislang kein technisches Mittel bekannt, das wirklich nachzuweisen. Dann sind einem irgendwann die Hände gebunden, bei unseren derzeitigen Prüfungsformen.
HIRTH: Vor Gericht werden dann zwar so etwas wie Plausibilitätsnachweise herangezogen. Und Vergleiche zu anderen Arbeiten und dem Leistungsstand der betreffenden Person, die den Tatbestand des Plagiats untermauern – aber auf Basis der jetzigen ungeklärten juristischen Sachlage könnte man zukünftig mit einer Prozessflut rechnen.
LPB: Das heißt, der Schüler mit der Note „ungenügend“ könnte diese Bewertung derzeit erfolgreich anfechten.
HIRTH: Ja… und man kann sich vorstellen, dass das bei der großen Anzahl an Schülerinnen und Schülern an die Grenzen der Machbarkeit stößt.
LPB: Was würden Sie sich als Lehrkräfte denn wünschen, wie mit der KI als Tool umgegangen wird? Was vermitteln Sie Ihren Schülerinnen und Schülern im Unterricht diesbezüglich denn konkret? Ist das ein detaillierter Diskussionsgegenstand im Unterricht und inwiefern?
HIRTH: Natürlich. Vor allem im Oberstufenunterricht in Englisch wird man selbstverständlich immer die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen mit einbeziehen. Da liest man Texte, Fachartikel und diskutiert die. Die Schüler bilden sich Meinungen. Also das Thema selbst, dass man über KI sich informiert, dass man darüber reflektiert, sich auseinandersetzt – das findet mit Sicherheit statt.
WAGNER: Im Informatikunterricht ist es jetzt Bestandteil des neuen G9-Lehrplans, sowohl in der 11. Klasse als auch in der 13. Klasse, für die Schülerinnen und Schüler, die das weiter belegen. Aber die 11. Klasse ist jetzt mit dem neuen G9 Lernplan für alle Ausbildungsrichtungen Pflicht. Das heißt, alle Schülerinnen und Schüler des bayerischen Gymnasiums lernen etwas zur KI.
Das geht los mit den verschiedenen Formen von KI, dann schaut man sich mehr im Detail ein bestimmtes KI-System an. Es ist „Entscheidungsbaum“ als KI-Möglichkeit genannt: Regnet es draußen, ja oder nein? Und dann ist die Entscheidung, fahre ich mit dem Fahrrad, ja oder nein – in sehr einfachen Worten erklärt. Am Ende dieses Lehrplankapitels stehen dann auch noch Chancen und Risiken drin. Es ist also Bestandteil des Unterrichts darüber zu sprechen. Sowohl aus technischer Sicht als auch aus ethischer, gesellschaftlicher Sicht.
Ein gängiges Beispiel für eine gesellschaftsbezogene Diskussionsfrage wäre das „autonome Fahren“. Wer ist im Falle von einem durch KI gesteuerten Auto bei einem Unfall verantwortlich?
Was ich beispielsweise in anderen Jahrgangstufen und zu anderen Themen schon gemacht habe: Ich habe vereinzelt den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, Aufgaben mit Hilfe der KI zu lösen, KI also als Werkzeug zu benutzen. Noch zu vereinzelt, um daraus jetzt schon ein Gesamtbild zusammenzusetzen; aber ich hatte bislang schon das Gefühl, dass wir da zu wenig geschult haben. Die Schülerinnen und Schüler stellen die Anweisungen, die „Prompts“, zu schlecht, um mit den Ausgaben dann wirklich viel anfangen zu können.
LPB: Der Prozess dazwischen, zwischen unserer Anfrage und der von der KI gelieferten Ausgabe, vollzieht sich ja in einer Art Black Box. Sprich, wir wissen zu wenig über KI.
Und dieses Entwickeln der richtigen Fragen und Anweisungen – da kommen wir wieder zu dem Thema: Wer ist überhaupt wie kompetent? Wer ist denn geschult im Umgang? Es ist ja eine so rasante Entwicklung, mit der es hier Schritt zu halten gilt.
Sind Sie als Lehrer geschult dafür? Gut, in Fächer wie Informatik liegt das näher, aber die gesamte Lehrerschaft? Gibt es Schulungen, gibt es dies bezügliche, verpflichtende Lehrerfortbildungen?
HIRTH: Was KI betrifft, sind wir ja weltweit noch im Säuglingsstadium. Da kommt noch ganz viel und das betrifft natürlich auch die Entwicklung in der Schule. Es entstehen gerade erst diese ganzen Fortbildungsprogramme, die Arbeitskreise und die Experimentierphase – sicherlich wird es da bald jede Menge Angebote geben, sich da fortzubilden. Den Schülerinnen und Schülern selbst fehlt noch der Horizont, sich damit bewusster auseinanderzusetzen. Sie benutzen es halt.
Was mir da aber noch fehlt, wäre eine tiefergehende grundlegende Auseinandersetzung damit: Was ist mein Platz in der Welt, was spielt Technologie dabei für eine Rolle, was mache ich als Mensch damit? Diese historisch-philosophische Dimension, die wäre für die Jugendlichen wahnsinnig wichtig.
Zum Beispiel um solche Frage wirklich sinnvoll stellen zu können: Soll ich selber schreiben können, brauche ich das heutzutage noch? Und dazu gehört halt mehr, als die Frage beantworten zu können, ob ich damit noch Geld verdienen kann. Wer bin ich, was will ich sein in der Welt? Und da haben wir leider weder die Ressourcen noch die Fächer dazu.
LPB: Das ist genau der Punkt. Wäre das nicht ein neues Schulfach? Oder würde diese Entwicklung nicht neue Schulformen erzwingen? KI hat ein neues Zeitalter gebracht – was ist mit der schulischen Erneuerung, der neuen Schule?
HIRTH: Ja, wenn es darum geht und man den schulkritischen Artikeln folgt – was nicht alles schon vorgeschlagen wurde an neuen Schulfächern. Ich glaube auch, dass der traditionelle Bildungskanon des 19. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß ist. Aber wichtiger als die Diskussion um neue Schulfächer wäre es, einen Platz für philosophische Themen innerhalb des Kanons zu finden.
WAGNER: Ich würde mir auch wünschen, dass es mehr Angebote gibt, gerade für das Thema: Wie setze ich KI sinnvoll im Unterricht ein? Im Informatikunterricht sprechen wir wie gesagt technisch über KI. Was ist KI? Da geht es nicht um den Unterrichtseinsatz. Da sind sicherlich Dinge im Aufbau. Aber aktuell würde ich mir eine bessere Schulung der Lehrkräfte wünschen, um das auch den Schülerinnen und Schülern besser zu vermitteln: Wie stelle ich sinnvolle Anfragen, wie setze ich KI mündig ein.
Für den neuen Lehrplan in meinem Fach hat der Freistaat Bayern viele Hebel in Bewegung gesetzt. Es gibt ein massives Fortbildungsangebot für Informatiklehrkräfte, weil KI, der Umgang mit KI bei den allermeisten im Studium ja noch ja kein Schwerpunkt war.
Zum Thema neue Schule: Es gibt inzwischen Schulen, siehe etwa die KI@School-Projekte der Stiftung Bildungspakt Bayern, die KI in einer Art Pilotprojekt auch schon einsetzen. Und zwar großflächiger.
Bei den Schülerinnen und Schülern hatte ich bislang überwiegend den Eindruck, dass sie es hauptsächlich einsetzen, um sich Arbeit zu sparen. Bequemlichkeit und Denkfaulheit spielen sicher auch eine Rolle. Wobei ich sagen muss, dass die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler es wiederum eher zum Ansporn nehmen, selbst auf Lösungen zu kommen, selbst zu denken.
HIRTH: Nicht umsonst gab es ja bereits in Bezug auf das Fernsehen den Ausspruch von Peter Lustig: Es macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.
LPB: Das ist natürlich immer eine Frage, wenn neue Medien auftauchen – es kurbelt noch einmal das Nachdenken darüber an, was uns menschlich macht und wie wir als Menschen sein oder eben nicht sein wollen. Was, abschließend gefragt, wollen Sie, erwarten Sie sich von der KI, als Lehrer?
HIRTH: Also, es wird ja mit Superlativen nicht gespart. Der Einschnitt der KI wird mit der Industriellen Revolution verglichen oder auch mit der Erfindung des Feuers. Und im November 1984 titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel bereits: Revolution im Unterricht. Computer wird Pflicht. Und da, im Vakuum der Revolution, tut sich eine riesige Kluft auf zwischen Hype, Utopien und hochfahrenden Zukunftsvisionen – die KI als die lang ersehnte Zeitsparmaschine – und den enormen Ängsten: Wir verblöden, wir verlieren die Kontrolle, wir schaffen uns selbst ab, wir setzen uns KI-gesteuerten Kriegen aus.
Und irgendwo dazwischen, zwischen diesen beiden Polen, müssen wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Und das sollten wir eigentlich zuerst tun. Wie immer bei derlei Einschnitten: man wird von technischen Entwicklungen überrollt, alles ist unreguliert, es ist ein Massenexperiment. Und erst dann fängt man an, intensiv darüber nachzudenken, was man eigentlich will.
Die Profite, der Nutzen, den das hat, der wiederum könnte in ganz weiten Teilen nicht der Mehrheit zu Gute kommen, sondern wenigen. Das ist eine große Gefahr. Unser Lehrerberuf wiederum ist nicht in Gefahr. Für uns wird es ein nützliches Tool sein. Aber wir werden mit mehr Jugendlichen zu tun haben, die immer weniger einsehen, warum sie lernen sollen.
Also meine größte Hoffnung für die nahe Zukunft wäre ein Korrekturautomat für die Pflicht. Und ich kümmere mich dann um die Kür, die anspruchsvolleren Anmerkungen zum Inhalt, Stil und Ausdruck und man hätte insgesamt mehr Zeit für andere wesentliche Aufgaben.
WAGNER: Meine Gedanken sind da ähnlich. Ich glaube, es ist entscheidend, wie wir damit umgehen. Ich glaube nicht so sehr, dass eine Gefahr von der KI ausgeht. Es stellt sich eher die Frage, welche Bedeutung wir ihr beimessen.
Lassen wir die KI in Zukunft entscheiden, wer welchen Bildungsabschluss, wer welchen Kredit und wer welche gesundheitliche Vorsorge bekommt? Oder bleiben wir dabei, dass wir die KI lästige, wiederkehrende Aufgaben übernehmen lassen und beschränken uns darauf? Das gilt sowohl für die Schule als auch für alle anderen Bereiche des Lebens.
LPB: Jetzt haben wir zwei schöne Schlussworte – ganz ohne KI formuliert. Vielen herzlichen Dank, lieber Herr Hirth und lieber Herr Wagner, für das Gespräch. Hoffen wir, dass die Klassenzimmer der Zukunft weiterhin von Menschen besucht werden.
(c) Andreas Hirth
KI an Schulen. Ein Gespräch mit Lehrern des Klenze-Gymnasiums München >
Zur Reihe: Über kaum eine technologische Errungenschaft wird so viel geredet und gestritten wie über KI, die Künstliche Intelligenz in Form von ChatGPT und anderen, sich immer rasanter entwickelnden Tools. Ihre einschneidenden Auswirkungen auf unsere Gesellschaft werden sowohl als innovativ und arbeitsentlastend begrüßt als auch in ihren sozialen und arbeitsmarktgefährdenden Aspekten kritisch hinterfragt. Welche Konsequenzen haben diese Entwicklungen für die Kunst- und Literaturschaffenden in Bayern? Inwiefern wirkt sich KI auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen aus? Welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen? In der Reihe „Die KI und wir“ widmet sich das Literaturportal diesem brisanten, aktuellen Thema in Form von Gesprächen, Berichten und Rezensionen.
Das zweite Gespräch führte Andrea Heuser für die Redaktion des Literaturportals Bayern mit Andreas Hirth und Christopher Wagner, zwei Lehrern des Klenze-Gymnasiums München über den Umgang mit KI an Schulen.
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LITERATURPORTAL BAYERN: Lieber Herr Hirth, lieber Herr Wagner, wir sind hier zusammengekommen, um uns über das ebenso hochaktuelle wie brisante Thema KI an den Schulen zu unterhalten. Wie schätzen Sie als Lehrer, in der Abwägung von Schaden und Nutzen, den Umgang der Schülerinnen und Schüler mit KI ein? Zum Einstieg gern auch erst einmal eine generelle Einschätzung: KI – schädlich oder nützlich, Segen oder Fluch? Zunächst einmal geht die Frage an Sie, Herr Hirth, als Englisch- und Geschichtslehrer.
ANDREAS HIRTH: Generell gesprochen? Da bin ich eher pessimistisch. Tendenziell halte ich es für problematisch, dass man immer mehr Aufgaben an Maschinen delegiert. Dass man nicht mehr selber die Prozesse durchdringt, sondern nur noch auf dieser Bedienoberfläche Ergebnisse erzielt. Es liegt eine grundsätzliche Gefahr darin, dass man nicht mehr versteht, was da eigentlich passiert.
Wir werden Probleme haben mit Betrugsfällen – das kann man in vielen Bildungseinrichtungen bereits beobachten. Wir werden mit Sicherheit unsere Prüfungsformen umstellen müssen und einiges, was wir als Lehrende so gewohnt sind, überdenken müssen.
Aber es gibt mit Sicherheit auch Anwendungen, die uns das Leben leichter machen können, die das Lernen vielleicht sogar qualitativ verbessern. Es gibt ja bereits den Begriff von den „intelligenten Tutor-Systemen“, die es in Deutschland allerdings bislang so noch nicht gibt: Dass die Lehrkräfte einen KI-Assistenten haben, der den Schülerinnen und Schülern ein zusätzliches Feedback gibt in Hinblick auf Grammatik, Vokabular und Rechtschreibung zum Beispiel, wodurch gerade in Zeiten des Personalmangels die Lehrkräfte auch entlastet würden. Ebenso kann ich mir vorstellen, dass Teile der Korrekturarbeiten auf diese Weise automatisiert würden.
Was durchaus schon passiert, ist z.B. der Einsatz von KI bei der Erstellung von Prüfungsaufgaben: dass man mit der KI bei der Texterstellung ganz gezielt Sprachniveaus ansteuern kann. Der Vorteil wäre außerdem, dass man eine größere Individualisierung erreichen und mehr auf die unterschiedlichen Niveaus der einzelnen Schülerinnen und Schüler eingehen könnte.
Und dann natürlich das ganz Entscheidende aus unserer Sicht: Wenn dadurch, durch die Entlastung im Bereich der Routineaufgaben, mehr Freiräume entstehen, die wir qualitativ anders nutzen können. Zum Beispiel fürs soziale Lernen.
LPB: Herr Wagner, jetzt wurden gerade von Herrn Hirth schon Möglichkeiten der qualitativen Verbesserungen angesprochen. Wie sehen Sie das als Informatiker? Sie unterrichten ja neben Informatik auch noch Mathematik und Natur und Technik …
CHRISTOPHER WAGNER: Also grundsätzlich deckt sich da im Informatikunterricht vieles mit dem Englischunterricht in puncto Prüfungsvorbereitung, in puncto Arbeitsentlastung und Zeitersparnis. Die Hilfe, die Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler durch KI ist in den naturwissenschaftlichen Fächern allerdings etwas anders.
Was ich selbst schon ausprobiert habe mit einer generativen KI: mir zum Beispiel einen Programmcode erklären zu lassen. Und das wäre für den Informatikunterricht, wo ja unter anderem Programmieren ein Thema ist, sicherlich für schwächere Schülerinnen und Schüler oder solche, die den Stoff wiederholen oder Lücken schließen möchten, eine gute hilfreiche Möglichkeit: das selbstgesteuert zu tun und da nicht immer einen Experten fragen zu müssen, weil man durch die KI ja schon eine Art Experten zur Hand hat.
Kritisch sehe ich, ähnlich wie Herr Hirth, dass es schon dazu einlädt, selbst weniger zu denken; der KI das Denken zu überlassen.
Ich habe in Informatik tatsächlich schon Gespräche mit Schülerinnen und Schülern gehabt, die dann fragen: Warum müssen wir das überhaupt lernen? Die KI kann das ja auch übernehmen. Das wird wahrscheinlich eine Herausforderung, dass man da als Lehrkraft auch in Zukunft vermittelt, warum das wichtig ist, trotzdem noch selbst Wissen zu haben. Die KI soll uns ja nicht das Denken, sondern nur bestimmte Routineaufgaben abnehmen.
LPB: Wie bekommt man denn diese Aussage, dass die KI das doch eh besser kann, argumentativ ausgehebelt?
WAGNER: Aktuell gibt es ja noch genügend Fälle von KI-Systemen, die relativ schnell Fehler oder Widersprüche produzieren. Man sagt dazu auch: die KI „halluziniert“. Man kann das recht schnell zeigen. Insofern kann man sowieso selten ein KI-System unhinterfragt benutzen für seine Aufgabe, sondern man muss genau verstehen, ob und warum es die Anforderungen erfüllt.
HIRTH: Und ich brauche eine Zielvorstellung. Wenn ich nicht schon genau weiß, wie beispielsweise ein guter Text oder ein gutes Musikstück aussieht, dann kann ich das, was ich da erzeugt habe, auch nicht weiterentwickeln. Momentan ist die KI noch fehleranfällig, erzeugt Stereotypen. Gehen wir mal davon aus, dass sich das alles bessert im Idealfall – trotzdem braucht es dann immer noch einen Benutzer, der selber so ein hohes Qualitätsbewusstsein hat, dass er das eben auch so eingibt, dass da am Schluss was Gutes rauskommt. Und das würde ich versuchen, den Schülerinnen und Schülern dann zu erklären.
Womöglich steht aber auch zu befürchten, dass wir eine Tendenz zur Nivellierung beobachten werden. Das Mittelmaß regiert, da die KI eine gewisse Qualität nicht unterschreitet, aber ein bestimmtes Niveau, zumindest bis jetzt, nicht überschreitet. Das liegt vermutlich in der Natur der Sache, solange das Ergebnis auf einer Rekombination bereits vorhandener Versatzstücke basiert.
WAGNER: Und interessanterweise kann man die Formulierung, wie ein guter Text, wie ein gutes Musikstück aussieht, auch auf meinen Fachbereich ausweiten. Ich muss auch wissen, wie gute Software aussieht, um zu beurteilen, ob das, was die KI mir da ausgibt, brauchbar ist. Ich muss am Ende beurteilen können, ob das, was die KI mir da als Lösung anbietet, das erfüllt.
LPB: Das bedeutet aber, ich muss eigentlich immer noch einen Schritt weiter sein als die KI ...
WAGNER: Dann wiederum könnte man sich aber fragen, wozu es die KI dann eigentlich braucht, wenn wir sowieso mehr wissen. Ich muss aber zumindest imstande sein, durch meine Fähigkeiten und mein Wissen das zu beurteilen. Also, ob das die Lösung sein kann, auch wenn ich nicht selbst auf die Lösung gekommen bin.
HIRTH: Da sind wir dann schon ganz nah an der dystopischen Dimension – wird die KI uns irgendwann ersetzen? Wird es in absehbarer Zeit vielleicht keinen menschlichen Kontrolleur mehr brauchen? Wer entscheidet eigentlich mit welcher Legitimation darüber, mit welchen Texten eine KI trainiert wird? Und schaffen wir uns dann auch selber ab, als Schreibende, als Lehrende?
Die UNESCO sagt zwar, wenn es um KI und Bildung geht, dass der Mensch im Zentrum stehen muss, um eine humanistische Leitlinie vorzugeben – andere, pessimistische Sichtweisen würden wohl zu dem Ergebnis kommen, dass das außerhalb unserer Kontrolle liegt.
LPB: Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der auch auf die Frage nach dem Verhältnis von Werkzeug und seinem Benutzer zielt. Dass dieses Verhältnis in Bezug auf den Menschen richtig geordnet ist, dafür müssen wir sorgen. Durch Regelungen, Maßnahmen und Richtlinien, die es auch politisch durchzusetzen und überregional zu vereinbaren gilt. Diese Handlungsmaximen zu erwirken, gerade in Zusammenarbeit mit den Konzernen und Firmen, die KI herstellen, das ist natürlich ein zähes Ringen, ein komplexer Vorgang. Auch das Einfordern von Transparenz.
Wie sieht es denn mit verbindlichen Richtlinien auf Schulebene aus? Gibt es Vorgaben, wie man die KI im Unterricht einsetzt? Was ist erlaubt und was ist verboten?
HIRTH: Es ist sehr schwierig eine allgemeingültige Antwort darauf zu formulieren. Was im Unterricht passiert, ist individuell. Wenn die Lehrkraft sagt, ihr dürft das Gedicht mit KI-Unterstützung verfassen, zum Beispiel, dann wird das möglich sein und wenn die Lehrkraft dagegen ist, dann wird sie nicht zum Einsatz kommen. Es gibt da bislang keine höhere Leitlinie.
Was allerdings jetzt schon juristisch relevant ist, ist natürlich das Thema Plagiate und Seminararbeiten. Das ist natürlich offiziell verboten, dass der Schüler, die Schülerin sich einen Text schreiben lässt. Es ist wiederum nicht offiziell verboten, dass er mit der KI kommuniziert …
WAGNER: Es steht aber im neuen Lehrplan für Seminare, wo Seminararbeiten geschrieben werden, dass man das schulen soll: die KI zum Arbeiten unterstützend heranzuziehen.
LPB: Wie stelle ich mir das dann aber praktisch vor, so ganz ohne klare Regularien? Ich habe nun eine Seminararbeit zur Bewertung vorliegen, die von einer KI erstellt wurde. Es fehlt komplett die Eigenleistung. Und jetzt?
HIRTH: Ja, das kann vorkommen … Auch dass komplett von der KI erstellte Referate einfach so runtergelesen werden. Das wird als ungenügende Leistung bewertet. Falls es eindeutig feststellbar ist, allerdings nur. Das stellt natürlich eine erhebliche Schwierigkeit dar.
LPB: Aber wie kann ich das eindeutig feststellen?
HIRTH: Genau deswegen müsste es zukünftig andere Prüfungsformen geben. Damit eine faire Bewertung der Eigenleistung möglich bleibt.
WAGNER: Ich glaube auch, dass das problematisch ist, denn trotz der recht sicheren Einschätzung durch die Lehrkraft ist am Ende bislang kein technisches Mittel bekannt, das wirklich nachzuweisen. Dann sind einem irgendwann die Hände gebunden, bei unseren derzeitigen Prüfungsformen.
HIRTH: Vor Gericht werden dann zwar so etwas wie Plausibilitätsnachweise herangezogen. Und Vergleiche zu anderen Arbeiten und dem Leistungsstand der betreffenden Person, die den Tatbestand des Plagiats untermauern – aber auf Basis der jetzigen ungeklärten juristischen Sachlage könnte man zukünftig mit einer Prozessflut rechnen.
LPB: Das heißt, der Schüler mit der Note „ungenügend“ könnte diese Bewertung derzeit erfolgreich anfechten.
HIRTH: Ja… und man kann sich vorstellen, dass das bei der großen Anzahl an Schülerinnen und Schülern an die Grenzen der Machbarkeit stößt.
LPB: Was würden Sie sich als Lehrkräfte denn wünschen, wie mit der KI als Tool umgegangen wird? Was vermitteln Sie Ihren Schülerinnen und Schülern im Unterricht diesbezüglich denn konkret? Ist das ein detaillierter Diskussionsgegenstand im Unterricht und inwiefern?
HIRTH: Natürlich. Vor allem im Oberstufenunterricht in Englisch wird man selbstverständlich immer die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen mit einbeziehen. Da liest man Texte, Fachartikel und diskutiert die. Die Schüler bilden sich Meinungen. Also das Thema selbst, dass man über KI sich informiert, dass man darüber reflektiert, sich auseinandersetzt – das findet mit Sicherheit statt.
WAGNER: Im Informatikunterricht ist es jetzt Bestandteil des neuen G9-Lehrplans, sowohl in der 11. Klasse als auch in der 13. Klasse, für die Schülerinnen und Schüler, die das weiter belegen. Aber die 11. Klasse ist jetzt mit dem neuen G9 Lernplan für alle Ausbildungsrichtungen Pflicht. Das heißt, alle Schülerinnen und Schüler des bayerischen Gymnasiums lernen etwas zur KI.
Das geht los mit den verschiedenen Formen von KI, dann schaut man sich mehr im Detail ein bestimmtes KI-System an. Es ist „Entscheidungsbaum“ als KI-Möglichkeit genannt: Regnet es draußen, ja oder nein? Und dann ist die Entscheidung, fahre ich mit dem Fahrrad, ja oder nein – in sehr einfachen Worten erklärt. Am Ende dieses Lehrplankapitels stehen dann auch noch Chancen und Risiken drin. Es ist also Bestandteil des Unterrichts darüber zu sprechen. Sowohl aus technischer Sicht als auch aus ethischer, gesellschaftlicher Sicht.
Ein gängiges Beispiel für eine gesellschaftsbezogene Diskussionsfrage wäre das „autonome Fahren“. Wer ist im Falle von einem durch KI gesteuerten Auto bei einem Unfall verantwortlich?
Was ich beispielsweise in anderen Jahrgangstufen und zu anderen Themen schon gemacht habe: Ich habe vereinzelt den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, Aufgaben mit Hilfe der KI zu lösen, KI also als Werkzeug zu benutzen. Noch zu vereinzelt, um daraus jetzt schon ein Gesamtbild zusammenzusetzen; aber ich hatte bislang schon das Gefühl, dass wir da zu wenig geschult haben. Die Schülerinnen und Schüler stellen die Anweisungen, die „Prompts“, zu schlecht, um mit den Ausgaben dann wirklich viel anfangen zu können.
LPB: Der Prozess dazwischen, zwischen unserer Anfrage und der von der KI gelieferten Ausgabe, vollzieht sich ja in einer Art Black Box. Sprich, wir wissen zu wenig über KI.
Und dieses Entwickeln der richtigen Fragen und Anweisungen – da kommen wir wieder zu dem Thema: Wer ist überhaupt wie kompetent? Wer ist denn geschult im Umgang? Es ist ja eine so rasante Entwicklung, mit der es hier Schritt zu halten gilt.
Sind Sie als Lehrer geschult dafür? Gut, in Fächer wie Informatik liegt das näher, aber die gesamte Lehrerschaft? Gibt es Schulungen, gibt es dies bezügliche, verpflichtende Lehrerfortbildungen?
HIRTH: Was KI betrifft, sind wir ja weltweit noch im Säuglingsstadium. Da kommt noch ganz viel und das betrifft natürlich auch die Entwicklung in der Schule. Es entstehen gerade erst diese ganzen Fortbildungsprogramme, die Arbeitskreise und die Experimentierphase – sicherlich wird es da bald jede Menge Angebote geben, sich da fortzubilden. Den Schülerinnen und Schülern selbst fehlt noch der Horizont, sich damit bewusster auseinanderzusetzen. Sie benutzen es halt.
Was mir da aber noch fehlt, wäre eine tiefergehende grundlegende Auseinandersetzung damit: Was ist mein Platz in der Welt, was spielt Technologie dabei für eine Rolle, was mache ich als Mensch damit? Diese historisch-philosophische Dimension, die wäre für die Jugendlichen wahnsinnig wichtig.
Zum Beispiel um solche Frage wirklich sinnvoll stellen zu können: Soll ich selber schreiben können, brauche ich das heutzutage noch? Und dazu gehört halt mehr, als die Frage beantworten zu können, ob ich damit noch Geld verdienen kann. Wer bin ich, was will ich sein in der Welt? Und da haben wir leider weder die Ressourcen noch die Fächer dazu.
LPB: Das ist genau der Punkt. Wäre das nicht ein neues Schulfach? Oder würde diese Entwicklung nicht neue Schulformen erzwingen? KI hat ein neues Zeitalter gebracht – was ist mit der schulischen Erneuerung, der neuen Schule?
HIRTH: Ja, wenn es darum geht und man den schulkritischen Artikeln folgt – was nicht alles schon vorgeschlagen wurde an neuen Schulfächern. Ich glaube auch, dass der traditionelle Bildungskanon des 19. Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß ist. Aber wichtiger als die Diskussion um neue Schulfächer wäre es, einen Platz für philosophische Themen innerhalb des Kanons zu finden.
WAGNER: Ich würde mir auch wünschen, dass es mehr Angebote gibt, gerade für das Thema: Wie setze ich KI sinnvoll im Unterricht ein? Im Informatikunterricht sprechen wir wie gesagt technisch über KI. Was ist KI? Da geht es nicht um den Unterrichtseinsatz. Da sind sicherlich Dinge im Aufbau. Aber aktuell würde ich mir eine bessere Schulung der Lehrkräfte wünschen, um das auch den Schülerinnen und Schülern besser zu vermitteln: Wie stelle ich sinnvolle Anfragen, wie setze ich KI mündig ein.
Für den neuen Lehrplan in meinem Fach hat der Freistaat Bayern viele Hebel in Bewegung gesetzt. Es gibt ein massives Fortbildungsangebot für Informatiklehrkräfte, weil KI, der Umgang mit KI bei den allermeisten im Studium ja noch ja kein Schwerpunkt war.
Zum Thema neue Schule: Es gibt inzwischen Schulen, siehe etwa die KI@School-Projekte der Stiftung Bildungspakt Bayern, die KI in einer Art Pilotprojekt auch schon einsetzen. Und zwar großflächiger.
Bei den Schülerinnen und Schülern hatte ich bislang überwiegend den Eindruck, dass sie es hauptsächlich einsetzen, um sich Arbeit zu sparen. Bequemlichkeit und Denkfaulheit spielen sicher auch eine Rolle. Wobei ich sagen muss, dass die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler es wiederum eher zum Ansporn nehmen, selbst auf Lösungen zu kommen, selbst zu denken.
HIRTH: Nicht umsonst gab es ja bereits in Bezug auf das Fernsehen den Ausspruch von Peter Lustig: Es macht die Klugen klüger und die Dummen dümmer.
LPB: Das ist natürlich immer eine Frage, wenn neue Medien auftauchen – es kurbelt noch einmal das Nachdenken darüber an, was uns menschlich macht und wie wir als Menschen sein oder eben nicht sein wollen. Was, abschließend gefragt, wollen Sie, erwarten Sie sich von der KI, als Lehrer?
HIRTH: Also, es wird ja mit Superlativen nicht gespart. Der Einschnitt der KI wird mit der Industriellen Revolution verglichen oder auch mit der Erfindung des Feuers. Und im November 1984 titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel bereits: Revolution im Unterricht. Computer wird Pflicht. Und da, im Vakuum der Revolution, tut sich eine riesige Kluft auf zwischen Hype, Utopien und hochfahrenden Zukunftsvisionen – die KI als die lang ersehnte Zeitsparmaschine – und den enormen Ängsten: Wir verblöden, wir verlieren die Kontrolle, wir schaffen uns selbst ab, wir setzen uns KI-gesteuerten Kriegen aus.
Und irgendwo dazwischen, zwischen diesen beiden Polen, müssen wir entscheiden, wie wir damit umgehen. Und das sollten wir eigentlich zuerst tun. Wie immer bei derlei Einschnitten: man wird von technischen Entwicklungen überrollt, alles ist unreguliert, es ist ein Massenexperiment. Und erst dann fängt man an, intensiv darüber nachzudenken, was man eigentlich will.
Die Profite, der Nutzen, den das hat, der wiederum könnte in ganz weiten Teilen nicht der Mehrheit zu Gute kommen, sondern wenigen. Das ist eine große Gefahr. Unser Lehrerberuf wiederum ist nicht in Gefahr. Für uns wird es ein nützliches Tool sein. Aber wir werden mit mehr Jugendlichen zu tun haben, die immer weniger einsehen, warum sie lernen sollen.
Also meine größte Hoffnung für die nahe Zukunft wäre ein Korrekturautomat für die Pflicht. Und ich kümmere mich dann um die Kür, die anspruchsvolleren Anmerkungen zum Inhalt, Stil und Ausdruck und man hätte insgesamt mehr Zeit für andere wesentliche Aufgaben.
WAGNER: Meine Gedanken sind da ähnlich. Ich glaube, es ist entscheidend, wie wir damit umgehen. Ich glaube nicht so sehr, dass eine Gefahr von der KI ausgeht. Es stellt sich eher die Frage, welche Bedeutung wir ihr beimessen.
Lassen wir die KI in Zukunft entscheiden, wer welchen Bildungsabschluss, wer welchen Kredit und wer welche gesundheitliche Vorsorge bekommt? Oder bleiben wir dabei, dass wir die KI lästige, wiederkehrende Aufgaben übernehmen lassen und beschränken uns darauf? Das gilt sowohl für die Schule als auch für alle anderen Bereiche des Lebens.
LPB: Jetzt haben wir zwei schöne Schlussworte – ganz ohne KI formuliert. Vielen herzlichen Dank, lieber Herr Hirth und lieber Herr Wagner, für das Gespräch. Hoffen wir, dass die Klassenzimmer der Zukunft weiterhin von Menschen besucht werden.
(c) Andreas Hirth