Laudatio für Katja Huber anlässlich der Verleihung des Ernst-Hoferichter-Preises 2024
Am 23. Januar 2024 wurde der diesjährige Ernst-Hoferichter-Preis an die Münchner Autorin Katja Huber und den Münchner Autor Pierre Jarawan verliehen. Die Preisrede auf Katja Huber hielt bei der Feier im Literaturhaus München Lisa-Katharina Förster.
Förster studierte Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Germanistische Linguistik in München. Nach Stationen an der Klassik Stiftung Weimar und dem University College Cork in Irland ist Lisa-Katharina Förster seit 2016 Mitarbeiterin der Monacensia im Hildebrandhaus.
*
Aus dem Text „Fremdschämen“ von Katja Huber, erschienen in der Anthologie Fremd, 2015 herausgegeben von Fridolin Schley:
Reissleine,
denke ich,
als sie,
Stöpsel zieht –
aus ihrem Ohr
und
Jay Z
dringt
an mein Ohr
und sie gleich hinterher:
„Do you understand me?“
fragt
Und als ich nicke
Den Daumen
– Like! – I
zeigt,
und
als ich nicke und
„Ja“ sage anstatt „Yes“
„Completeley?“
fragt.
„Alles“, antworte ich.
Sie lächelt.
„Okay“
Errötet.
Jay Z verstummt.
Sie wippt
trotzdem oder
erst recht.
Sagt
„Tut mir leid.
You don’t know“,
korrigiert: „man weiss ja nicht“,
fährt fort: „jetzt wo man nicht mehr weiss,
wer hier her“
– zögert –
„gehört und“
– zögert –
„wer nicht.“
Noch bevor sie einatmet,
bleibt mein Atem stehen.
Als sie einatmet,
steht mein Atem still
„Sorry“, sagt sie
kichert,
„Entschuldigung... “,
sagt sie.
Mein Atem steht
„... jetzt aber wirklich
auf Deutsch
und von vorne“
sagt sie,
und – ich
puste
huste
pruste.
Denn Luft anhalten
bis alles
zurück gesetzt
zurecht gerückt
ins lichte Recht gestellt
ist,
geht nicht.
„Woher?“
fragt sie.
„Egal“ sage ich.
„Dir vielleicht!“ sagt sie,
„Nein mir nicht“,
sage ich
„ausgerechnet mir nicht“
Sage und
Reissleine!
denke ich.
„Dann eben nicht“ sagt sie.
Steckt Stöpsel.
Schüttelt Kopf.
Drückt Knopf.
>Kopf wippt.
Locken läuten
Frau blickt
nur in sich.
Frau nickt
nur für sich
mir nicht mehr zu.
Känguru!
Nächstes Mal sage ich, dass ich aus dem Känguru komme.
Dem Känguru, Kongo oder Kathmandu.
Und auf jeden Fall in gebrochenem Englisch.
Ich habe Katja Huber im Sommer 2017 kennen gelernt, als sie mich gemeinsam mit der Übersetzerin und Autorin Silke Kleemann in der Monacensia besuchte. Ich wollte mich mit den beiden über das Projekt „Meet your Neighbours“ austauschen und darüber, wie die Monacensia das Projekt unterstützen könnte.
Wer sich noch erinnert: Unter dem Titel „Meet Your Neighbours“ luden ab April 2016 Münchner Autorinnen, Autoren und Kulturschaffende zu Begegnungen und Austausch mit Menschen unterschiedlicher Herkunft ein, die auf ihrer Flucht nach Deutschland gekommen waren. Es ging den Initiatorinnen und Initiatoren, zu denen auch Katja Huber gehörte, vor allem darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und Momente der Berührung und der Durchlässigkeit zu schaffen. Ein gegenseitiges Kennenlernen mit neuen Nachbarn quasi, aber auch: ein Statement für eine offene, humane Gesellschaft.
Unser erstes gemeinsames Treffen damals lief so gut, dass wir direkt und ohne lang zu fackeln in die Planung für ein internationales Kulturfestival zum Thema „Ankommen“ einstiegen, das dann auch tatsächlich Anfang 2018 stattfinden konnte. Was mir von dieser ersten Zusammenarbeit besonders in Erinnerung geblieben ist, sind Katja Hubers Begeisterungsfähigkeit und ihre Gabe, nicht nur Türen, sondern auch Horizonte zu öffnen.
Gemeinsam nicht nur zu denken, sondern auch zu handeln und mit Literatur und Kunst auf Fragen und Herausforderungen zu reagieren, die die Welt gerade beschäftigen, macht Katja Hubers gesellschaftspolitisches Engagement aus. Vor allem aber ist es ihre besondere Fähigkeit, Menschen offen und mit Neugier zu begegnen, die sie als Schriftstellerin, Hörspielredakteurin und Kulturaktivistin auszeichnen.
Der Theater- und Prosa-Autor Denijen Pauljević erinnert sich an eine von Katja Huber moderierte Veranstaltung: „Sie stellt Fragen ... Feinfühlig, fähig, sich mit Leichtigkeit in andere zu versetzen. Und ein gutes Gefühl für den Rhythmus der Worte, sowohl der eigenen, als auch denen des Gegenübers ... Dabei schmunzelt sie immer wieder, das gibt dem Ganzen eine gemütliche Note. Vor allem ihre entspannte und präzise Art macht jedes Zusammensein und den Austausch zu einem besonderen Ereignis.“
Durch ihren aufmerksamen Blick auf Literatur und die Menschen dahinter, gelingt es Katja Huber immer wieder, sich selbst, aber eben auch anderen neue Räume und Möglichkeiten zu eröffnen. Die aus dem Iran stammende Autorin, Lyrikerin und Übersetzerin Ayeda Alavie, schrieb mir dazu: „Katja hat mir in einer Zeit, in der meine literarische Stimme verstummt war, voller Vertrauen und Offenheit ermöglicht, wieder als Radio-Autorin wahrgenommen zu werden.“
Und der Verleger Martin Pflanzert ergänzt: „Es ist immer wieder schön, Katja über den Weg zu laufen. Dann kann man gleich ein Stück Weg zusammen gehen. Als unser Verlag z.B. noch in den Kinderschuhen steckte, durften wir damit auch schon auf Lesungen tapsen, die uns Katja zusammen mit dem Netzwerk „Meet your Neighbours“ gangbar machte.“
Als Katja Huber und ich 2017 anfingen, zusammen und miteinander zu arbeiten, war die vom Ammersee stammende Prosa- und Hörfunkautorin natürlich schon seit vielen Jahren im Literaturbetrieb etabliert und bekannt. Genauso klar wie für sie irgendwann festgestanden hatte, dass sie Schriftstellerin werden würde, genauso rasch war sie nach ihrem Studium der Slawischen Philologie und Politischen Wissenschaften ein Teil der Münchner Literatur- und Kulturszene geworden. Schnell las sie überall, wo man in den Neunzigern und Nullerjahren gelesen haben musste, veröffentlichte journalistische und literarische Beiträge, schrieb Hörspiele und Texte für Fanzines und produzierte gemeinsam mit der Künstlerin Marion Epp eigene Siebdruck-Ausgaben im selbsternannten Dualabär-„Verlag“.
Der Schriftsteller Fridolin Schley erinnert sich: „Unvergesslich, wie ich Katja zum ersten Mal begegnet bin! Über 20 Jahre ist das her. Da las sie eine unveröffentlichte Kurzgeschichte bei Speak & Spin, einer jungen Lesereihe damals im Café Gap. In Katjas Geschichte ging es um einen Schafkopfabend, der etwas eskaliert. Satz für Satz spielte sie da ihre kunstvoll aufgedrehte Sprache aus wie ein sicheres Blatt, bis am Ende der gesamte Raum so vor Lachen tobte, dass man die letzten Sätze gar nicht mehr verstand. Seitdem ist es ihr immer wieder geglückt, mit ihrer lebhaft spielerischen Art etwas aufzuschließen, das anders vielleicht gar nicht zugänglich wäre.“
Aber nicht nur in München, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum war man längst auf die Autorin Katja Huber aufmerksam geworden. 2006 reiste sie zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nach Klagenfurt und las dort aus ihrem Romandebüt Fernwärme, einer Familiengeschichte zwischen verschiedenen Generationen, zwischen Fremde und Vertrautheit, zwischen Deutschland und Russland.
Das Reisen und die Auseinandersetzung mit der – mal vermeintlichen, mal tatsächlichen – Fremde spielen eine große Rolle im Leben und Werk von Katja Huber. Immer wieder zog es sie – und damit auch ihre Texte, Romane und Hörspiele – hinaus in die Ferne, dorthin wo, wie sie selbst in ihrem Text „Heim zählen“ schreibt „die Spielregeln ... nicht unbedingt die Vergangenheit brauchen und auch nicht unbedingt die vielen kleinen Gegebenheiten der Gegenwart, um jemanden etwas völlig Neues beginnen zu lassen.“
Wolgograd, Astrachan, Moskau, Coney Island und New York, fanden Eingang in ihr literarisches Schreiben. Nuanciert und vielschichtig spürt sie hierbei der russischen Seele und dem illusorischen American Dream ebenso nach wie der Frage nach familiären Gedächtnislücken und Geheimnissen, die auch Generationen später noch nachwirken.
V.l.n.r.: Katja Huber, Pierre Jarawan und Kulturreferent Anton Biebl (c) Volker Derlath
Wer Katja Huber liest oder hört, dem eröffnen sich faszinierende Figuren und Welten. Ob bei Reisen in die Fremde oder aber bei solchen in die eigene Vergangenheit: Häufig geht es um das, was nicht gesagt wird und darum, wie es nicht gesagt wird. Dabei gelingt es Katja Huber, Trauer und Humor zu zart funkelnden Wort-Kaleidoskopen zu verweben, besonders dann, wenn es um die Frage nach dem richtigen Umgang mit der eigenen Familienvergangenheit geht.
Die Protagonistin Anna in Fernwärme denkt sich dazu: „In manchen Situationen ist es einfach leichter, sich auf allgemein anerkanntere Größen als Großväter zu berufen. In manchen Situationen ist es einfach leichter, Geschichten zu erdichten als sie zu erfragen.“
Sowohl in ihrem gesellschaftspolitischen Engagement als auch in ihrem literarischen Werk beeindruckt mich Katja Hubers Glaube an das Potenzial von Literatur, mit der sich neue Welten erschließen lassen, und die eigene besser verstanden werden kann. Vielleicht mag ich auch deshalb die Figur der Sofija Alexejewna aus Katja Hubers Roman Reise nach Nijetowa so gerne. Die pilgert nämlich zu den Gräbern der großen russischen Literaten in Moskau, um ihnen, im Austausch gegen ihren verlorenen Sohn, neue Geschichten zu erzählen.
Aber nicht nur für mich, sondern – und das wurde vielleicht schon ein wenig deutlich – auch für ihre Kolleginnen und Kollegen ist Katja Huber, mit ihrer Sprache, ihrem Einsatz und ihrem Humor, eine ebenso wichtige wie geschätzte Vertreterin der deutschen Gegenwartsliteratur.
Die Übersetzerin und Lektorin Marion Hertle schreibt über sie: „„Arbeit und Struktur“, heißt es von berufener Stelle, gehören zum Schriftsteller-Dasein, und das ist sicher richtig. Aber spätestens seit ich Katja und ihre Bücher kenne, ist es ganz eindeutig, dass Humor, Aufgeschlossenheit und Toleranz mindestens genauso sehr dazugehören. Denn bei allem handwerklichen Können ist es doch erst die Wärme und Neugierde, die uns Bücher richtig nahebringen.“
Und Katja Hubers BR-Kollegin, die Autorin Kathrin Reikowski ergänzt: „In Katjas Büchern – und das ist höchster Lesegenuss – jagen sich manchmal unterschiedliche Gedanken und einander widersprechende Gefühle durch einen Satz. Was sie aber wirklich ausmacht, in ihren Texten und als Mensch: Trotz und inmitten all der Widersprüche unserer Zeit – hartnäckig nach Klarheit zu suchen und die auch zu schaffen.“
Liebe Katja, es war mir eine große Ehre, heute Abend die Laudatio für dich halten zu dürfen. Zum einen, weil ich deine leichtfüßige literarische Stimme und deinen klugen, humorvollen Blick auf die Welt überaus schätze, vor allem aber, weil es mir Gelegenheit gegeben hat, aus der Perspektive der Kultur herauszustellen, was für ein unglaubliches Geschenk es für diese Stadt ist, eine Katja Huber zu haben.
Danke für deine Bücher und Texte, für deine Hörspiele, für deinen festen Glauben an die Kraft der Vielen und an das Potenzial von Literatur. Du machst für uns das literarische München nicht nur aus, sondern auch stetig besser. Dafür sind wir, deine Schriftsteller-, Rundfunk- und Kultur-Kolleginnen und -Kollegen dir sehr dankbar. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Preis, der genau die Werte honoriert, die wir ohnehin schon lange in dir sehen und schätzen!
Laudatio für Katja Huber anlässlich der Verleihung des Ernst-Hoferichter-Preises 2024>
Am 23. Januar 2024 wurde der diesjährige Ernst-Hoferichter-Preis an die Münchner Autorin Katja Huber und den Münchner Autor Pierre Jarawan verliehen. Die Preisrede auf Katja Huber hielt bei der Feier im Literaturhaus München Lisa-Katharina Förster.
Förster studierte Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Germanistische Linguistik in München. Nach Stationen an der Klassik Stiftung Weimar und dem University College Cork in Irland ist Lisa-Katharina Förster seit 2016 Mitarbeiterin der Monacensia im Hildebrandhaus.
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Aus dem Text „Fremdschämen“ von Katja Huber, erschienen in der Anthologie Fremd, 2015 herausgegeben von Fridolin Schley:
Reissleine,
denke ich,
als sie,
Stöpsel zieht –
aus ihrem Ohr
und
Jay Z
dringt
an mein Ohr
und sie gleich hinterher:
„Do you understand me?“
fragt
Und als ich nicke
Den Daumen
– Like! – I
zeigt,
und
als ich nicke und
„Ja“ sage anstatt „Yes“
„Completeley?“
fragt.
„Alles“, antworte ich.
Sie lächelt.
„Okay“
Errötet.
Jay Z verstummt.
Sie wippt
trotzdem oder
erst recht.
Sagt
„Tut mir leid.
You don’t know“,
korrigiert: „man weiss ja nicht“,
fährt fort: „jetzt wo man nicht mehr weiss,
wer hier her“
– zögert –
„gehört und“
– zögert –
„wer nicht.“
Noch bevor sie einatmet,
bleibt mein Atem stehen.
Als sie einatmet,
steht mein Atem still
„Sorry“, sagt sie
kichert,
„Entschuldigung... “,
sagt sie.
Mein Atem steht
„... jetzt aber wirklich
auf Deutsch
und von vorne“
sagt sie,
und – ich
puste
huste
pruste.
Denn Luft anhalten
bis alles
zurück gesetzt
zurecht gerückt
ins lichte Recht gestellt
ist,
geht nicht.
„Woher?“
fragt sie.
„Egal“ sage ich.
„Dir vielleicht!“ sagt sie,
„Nein mir nicht“,
sage ich
„ausgerechnet mir nicht“
Sage und
Reissleine!
denke ich.
„Dann eben nicht“ sagt sie.
Steckt Stöpsel.
Schüttelt Kopf.
Drückt Knopf.
>Kopf wippt.
Locken läuten
Frau blickt
nur in sich.
Frau nickt
nur für sich
mir nicht mehr zu.
Känguru!
Nächstes Mal sage ich, dass ich aus dem Känguru komme.
Dem Känguru, Kongo oder Kathmandu.
Und auf jeden Fall in gebrochenem Englisch.
Ich habe Katja Huber im Sommer 2017 kennen gelernt, als sie mich gemeinsam mit der Übersetzerin und Autorin Silke Kleemann in der Monacensia besuchte. Ich wollte mich mit den beiden über das Projekt „Meet your Neighbours“ austauschen und darüber, wie die Monacensia das Projekt unterstützen könnte.
Wer sich noch erinnert: Unter dem Titel „Meet Your Neighbours“ luden ab April 2016 Münchner Autorinnen, Autoren und Kulturschaffende zu Begegnungen und Austausch mit Menschen unterschiedlicher Herkunft ein, die auf ihrer Flucht nach Deutschland gekommen waren. Es ging den Initiatorinnen und Initiatoren, zu denen auch Katja Huber gehörte, vor allem darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und Momente der Berührung und der Durchlässigkeit zu schaffen. Ein gegenseitiges Kennenlernen mit neuen Nachbarn quasi, aber auch: ein Statement für eine offene, humane Gesellschaft.
Unser erstes gemeinsames Treffen damals lief so gut, dass wir direkt und ohne lang zu fackeln in die Planung für ein internationales Kulturfestival zum Thema „Ankommen“ einstiegen, das dann auch tatsächlich Anfang 2018 stattfinden konnte. Was mir von dieser ersten Zusammenarbeit besonders in Erinnerung geblieben ist, sind Katja Hubers Begeisterungsfähigkeit und ihre Gabe, nicht nur Türen, sondern auch Horizonte zu öffnen.
Gemeinsam nicht nur zu denken, sondern auch zu handeln und mit Literatur und Kunst auf Fragen und Herausforderungen zu reagieren, die die Welt gerade beschäftigen, macht Katja Hubers gesellschaftspolitisches Engagement aus. Vor allem aber ist es ihre besondere Fähigkeit, Menschen offen und mit Neugier zu begegnen, die sie als Schriftstellerin, Hörspielredakteurin und Kulturaktivistin auszeichnen.
Der Theater- und Prosa-Autor Denijen Pauljević erinnert sich an eine von Katja Huber moderierte Veranstaltung: „Sie stellt Fragen ... Feinfühlig, fähig, sich mit Leichtigkeit in andere zu versetzen. Und ein gutes Gefühl für den Rhythmus der Worte, sowohl der eigenen, als auch denen des Gegenübers ... Dabei schmunzelt sie immer wieder, das gibt dem Ganzen eine gemütliche Note. Vor allem ihre entspannte und präzise Art macht jedes Zusammensein und den Austausch zu einem besonderen Ereignis.“
Durch ihren aufmerksamen Blick auf Literatur und die Menschen dahinter, gelingt es Katja Huber immer wieder, sich selbst, aber eben auch anderen neue Räume und Möglichkeiten zu eröffnen. Die aus dem Iran stammende Autorin, Lyrikerin und Übersetzerin Ayeda Alavie, schrieb mir dazu: „Katja hat mir in einer Zeit, in der meine literarische Stimme verstummt war, voller Vertrauen und Offenheit ermöglicht, wieder als Radio-Autorin wahrgenommen zu werden.“
Und der Verleger Martin Pflanzert ergänzt: „Es ist immer wieder schön, Katja über den Weg zu laufen. Dann kann man gleich ein Stück Weg zusammen gehen. Als unser Verlag z.B. noch in den Kinderschuhen steckte, durften wir damit auch schon auf Lesungen tapsen, die uns Katja zusammen mit dem Netzwerk „Meet your Neighbours“ gangbar machte.“
Als Katja Huber und ich 2017 anfingen, zusammen und miteinander zu arbeiten, war die vom Ammersee stammende Prosa- und Hörfunkautorin natürlich schon seit vielen Jahren im Literaturbetrieb etabliert und bekannt. Genauso klar wie für sie irgendwann festgestanden hatte, dass sie Schriftstellerin werden würde, genauso rasch war sie nach ihrem Studium der Slawischen Philologie und Politischen Wissenschaften ein Teil der Münchner Literatur- und Kulturszene geworden. Schnell las sie überall, wo man in den Neunzigern und Nullerjahren gelesen haben musste, veröffentlichte journalistische und literarische Beiträge, schrieb Hörspiele und Texte für Fanzines und produzierte gemeinsam mit der Künstlerin Marion Epp eigene Siebdruck-Ausgaben im selbsternannten Dualabär-„Verlag“.
Der Schriftsteller Fridolin Schley erinnert sich: „Unvergesslich, wie ich Katja zum ersten Mal begegnet bin! Über 20 Jahre ist das her. Da las sie eine unveröffentlichte Kurzgeschichte bei Speak & Spin, einer jungen Lesereihe damals im Café Gap. In Katjas Geschichte ging es um einen Schafkopfabend, der etwas eskaliert. Satz für Satz spielte sie da ihre kunstvoll aufgedrehte Sprache aus wie ein sicheres Blatt, bis am Ende der gesamte Raum so vor Lachen tobte, dass man die letzten Sätze gar nicht mehr verstand. Seitdem ist es ihr immer wieder geglückt, mit ihrer lebhaft spielerischen Art etwas aufzuschließen, das anders vielleicht gar nicht zugänglich wäre.“
Aber nicht nur in München, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum war man längst auf die Autorin Katja Huber aufmerksam geworden. 2006 reiste sie zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb nach Klagenfurt und las dort aus ihrem Romandebüt Fernwärme, einer Familiengeschichte zwischen verschiedenen Generationen, zwischen Fremde und Vertrautheit, zwischen Deutschland und Russland.
Das Reisen und die Auseinandersetzung mit der – mal vermeintlichen, mal tatsächlichen – Fremde spielen eine große Rolle im Leben und Werk von Katja Huber. Immer wieder zog es sie – und damit auch ihre Texte, Romane und Hörspiele – hinaus in die Ferne, dorthin wo, wie sie selbst in ihrem Text „Heim zählen“ schreibt „die Spielregeln ... nicht unbedingt die Vergangenheit brauchen und auch nicht unbedingt die vielen kleinen Gegebenheiten der Gegenwart, um jemanden etwas völlig Neues beginnen zu lassen.“
Wolgograd, Astrachan, Moskau, Coney Island und New York, fanden Eingang in ihr literarisches Schreiben. Nuanciert und vielschichtig spürt sie hierbei der russischen Seele und dem illusorischen American Dream ebenso nach wie der Frage nach familiären Gedächtnislücken und Geheimnissen, die auch Generationen später noch nachwirken.
V.l.n.r.: Katja Huber, Pierre Jarawan und Kulturreferent Anton Biebl (c) Volker Derlath
Wer Katja Huber liest oder hört, dem eröffnen sich faszinierende Figuren und Welten. Ob bei Reisen in die Fremde oder aber bei solchen in die eigene Vergangenheit: Häufig geht es um das, was nicht gesagt wird und darum, wie es nicht gesagt wird. Dabei gelingt es Katja Huber, Trauer und Humor zu zart funkelnden Wort-Kaleidoskopen zu verweben, besonders dann, wenn es um die Frage nach dem richtigen Umgang mit der eigenen Familienvergangenheit geht.
Die Protagonistin Anna in Fernwärme denkt sich dazu: „In manchen Situationen ist es einfach leichter, sich auf allgemein anerkanntere Größen als Großväter zu berufen. In manchen Situationen ist es einfach leichter, Geschichten zu erdichten als sie zu erfragen.“
Sowohl in ihrem gesellschaftspolitischen Engagement als auch in ihrem literarischen Werk beeindruckt mich Katja Hubers Glaube an das Potenzial von Literatur, mit der sich neue Welten erschließen lassen, und die eigene besser verstanden werden kann. Vielleicht mag ich auch deshalb die Figur der Sofija Alexejewna aus Katja Hubers Roman Reise nach Nijetowa so gerne. Die pilgert nämlich zu den Gräbern der großen russischen Literaten in Moskau, um ihnen, im Austausch gegen ihren verlorenen Sohn, neue Geschichten zu erzählen.
Aber nicht nur für mich, sondern – und das wurde vielleicht schon ein wenig deutlich – auch für ihre Kolleginnen und Kollegen ist Katja Huber, mit ihrer Sprache, ihrem Einsatz und ihrem Humor, eine ebenso wichtige wie geschätzte Vertreterin der deutschen Gegenwartsliteratur.
Die Übersetzerin und Lektorin Marion Hertle schreibt über sie: „„Arbeit und Struktur“, heißt es von berufener Stelle, gehören zum Schriftsteller-Dasein, und das ist sicher richtig. Aber spätestens seit ich Katja und ihre Bücher kenne, ist es ganz eindeutig, dass Humor, Aufgeschlossenheit und Toleranz mindestens genauso sehr dazugehören. Denn bei allem handwerklichen Können ist es doch erst die Wärme und Neugierde, die uns Bücher richtig nahebringen.“
Und Katja Hubers BR-Kollegin, die Autorin Kathrin Reikowski ergänzt: „In Katjas Büchern – und das ist höchster Lesegenuss – jagen sich manchmal unterschiedliche Gedanken und einander widersprechende Gefühle durch einen Satz. Was sie aber wirklich ausmacht, in ihren Texten und als Mensch: Trotz und inmitten all der Widersprüche unserer Zeit – hartnäckig nach Klarheit zu suchen und die auch zu schaffen.“
Liebe Katja, es war mir eine große Ehre, heute Abend die Laudatio für dich halten zu dürfen. Zum einen, weil ich deine leichtfüßige literarische Stimme und deinen klugen, humorvollen Blick auf die Welt überaus schätze, vor allem aber, weil es mir Gelegenheit gegeben hat, aus der Perspektive der Kultur herauszustellen, was für ein unglaubliches Geschenk es für diese Stadt ist, eine Katja Huber zu haben.
Danke für deine Bücher und Texte, für deine Hörspiele, für deinen festen Glauben an die Kraft der Vielen und an das Potenzial von Literatur. Du machst für uns das literarische München nicht nur aus, sondern auch stetig besser. Dafür sind wir, deine Schriftsteller-, Rundfunk- und Kultur-Kolleginnen und -Kollegen dir sehr dankbar. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Preis, der genau die Werte honoriert, die wir ohnehin schon lange in dir sehen und schätzen!