Deutsch-jüdische Gespräche (4): Andrea Heuser und Antje Yael Deusel
Zur Reihe: Zeit wahrzunehmen, zuzuhören und zu erwidern. – Angesichts eines zunehmend aufgeheizten und toxischen Kommunikationsklimas möchten wir hier einen Raum der deutsch-jüdischen Gespräche eröffnen. Denn Literatur ist immer auch ein Verhandeln und Transformieren von Wirklichkeiten und Möglichkeiten; ein Im-Gespräch-stehen. Wir laden ein zum Lesen, Zuhören und zum Erwidern; zu einem Austausch zwischen deutschsprachigen jüdischen und nichtjüdischen Schreibenden und Kunstschaffenden über alles, worüber sie jeweils miteinander reden mögen.
Das vierte Gespräch führte Andrea Heuser mit der Ärztin und Rabbinerin Antje Yael Deusel.
*
ANDREA HEUSER: Liebe Frau Dr. Deusel, ich freue mich, dass Sie, nachdem Sie uns hier in Bamberg eben schon so viel Anregendes aus Ihrer Ausbildungszeit als Rabbinerin erzählt haben, sich nun auch noch einen Moment Zeit für dieses Gespräch nehmen. Das Buch, das Sie da jetzt gerade in den Händen halten, „Reginas Erbinnen“. – Bezieht sich das auf Regina Jonas, die weltweit erste Rabbinerin?
ANTJE YAEL DEUSEL: Ja genau. Und statt eines Vorwortes haben wir da fünf Briefe aufgenommen, nämlich von den fünf Frauen, die nach der Shoa als erste Rabbinerinnen in ihren jeweiligen Strömungen ordiniert worden sind. Regina Jonas ist 1935 ordiniert worden, als weltweit erste Rabbinerin in Deutschland, in Berlin. Sie ist nach Theresienstadt deportiert worden, zusammen mit ihrer Mutter, und ist dann in Auschwitz ermordet worden. Das genaue Datum ist uns leider nicht bekannt.
Ja und dann – dann hat man vergessen, dass es eine Rabbinerin gegeben hat. Als Anfang der 70er Jahre dann Sally Priesand in den Vereinigten Staaten als erste liberale, also als Reformrabbinerin ordiniert wurde, hat es geheißen: „Oh, die weltweit erste Rabbinerin!“ Und auch die Leute, die Regina Jonas gekannt hatten, haben nicht reagiert; es hat irgendwie keine Verbindung zu ihr gegeben. Und erst nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung hat man in den Archiven ihre Ordinationsurkunde gefunden. Und auf diese Weise festgestellt: ah, da war ja schon mal eine Frau.
Sally Priesand war also dann die erste Rabbinerin in der liberalen Strömung und dann kam Sandy Eisenberg Sasso für die Reconstructionist Denomination. Sie ist auch eine tolle Kinder- und Jugendbuchautorin. Nach ihr kam Amy Eilberg für das Konservative Judentum; alle drei in Amerika. In Europa wurde dann als erste Reformrabbinerin in London Jacqueline Tabick ordiniert, das war 1975. Und schließlich Sara Hurwitz, die in den USA lebt, erst lange nach der Jahrtausendwende als erste Frau aus der orthodoxen Strömung. Eine sehr taffe Frau …
HEUSER: … muss sie wahrscheinlich sein …
DEUSEL: Ja, und mit all diesen Frauen waren meine Kolleginnen aus Berlin und ich gemeinsam auf einer Reise, auf den Spuren von Regina Jonas. Und ich muss Ihnen sagen – ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll – das war etwas ganz, ganz besonderes mit diesen ersten fünf Rabbinerinnen zusammen unterwegs zu sein. Hier spürte man sehr stark, was für ein historischer Moment das ist. Wohl ging die eine amerikanische Kollegin mit einem Gehstock, eine andere hatte einen Rollator. Sie sind nicht mehr jung. Aber sie sind alle noch mit uns, diese „Ersten“, hier in der Gegenwart. Sie haben Geschichte geschrieben, in jüngster Vergangenheit, und wir jüngeren Rabbinerinnen sind Teil dieser Geschichte und wir schreiben sie weiter.
Sehr anrührend war dann auch die Zeremonie, mit der wir dort gemeinsam die Gedenkplakette für Regina Jonas eingeweiht haben.
HEUSER: Damit wäre im Grunde auch meine erste Frage, die ich im Kopf hatte, schon fast beantwortet; nämlich die nach Ihren Vorbildern. Sie mussten sich ja als Rabbinerin in einer gänzlich von Männern dominierten Welt durchsetzen … Welche Menschen haben Sie noch inspiriert?
DEUSEL (überlegt): Hm … Auf jeden Fall zuallererst meine Mutter. Sie war eine wundervolle Frau, sehr engagiert in ihrem Beruf, immer da für ihre Familie und Freunde und auch für die Menschen, die sie als Sozialarbeiterin betreut hat; voller Humor und Tatkraft, empathisch und unglaublich stark – eine charismatische Frau, für mich Freundin und Mutter. Und dann – Golda Meir. Sie hatte übrigens dieselbe Vorliebe für große Handtaschen...
HEUSER (lacht): Sie haben heute ja auch eine recht große dabei; in schönem Blau …
DEUSEL: Ja. Und als Golda Meir einmal gefragt wurde, warum sie denn eine so große Handtasche dabei hätte und was denn da eigentlich drin sei, sagte sie: „die guten Wünsche meines Volkes.“
HEUSER: Oh, ein toller Satz. Da kann die Tasche ja gar nicht groß genug sein …
DEUSEL (lacht): Ja. Ich mag Anekdoten und ich liebe den Kontakt mit Menschen. Auch in meiner Arbeit als Rabbinerin, da schaue und spreche ich die Leute gerne auch einmal direkt im Gottesdienst von der Bima her an. Ich stehe beim Beten auch mit dem Gesicht zur Gemeinde, entsprechend der liberalen Ausrichtung – oft wird das ja in der Synagoge anders gehandhabt, wenn der Vorbeter mit dem Rücken zur Gemeinde steht, dem Toraschrein zugewandt – und dabei wäre – vor allem auch draußen im Leben – so viel damit gewonnen: sich einfach nur mal umzudrehen.
HEUSER: Das ist ein schöner und auch symbolträchtiger Satz in diesem Zusammenhang, finde ich. Sich einfach mal umdrehen, dann sieht man mehr. Gewinnt eine neue Perspektive …
DEUSEL: Ich mag auch immer gern ein bisschen was Persönliches mit einbringen, die Leute zum Lächeln bringen. Und für mich ist ganz wichtig, dass das Judentum lebt. Zum Beispiel bei den Synagogen-Führungen, die ich mache. Da sind die Leute oft gar nicht drauf gefasst.
HEUSER: Wieso? Wird davon ausgegangen, dass es hier nichts zu lachen gibt?
DEUSEL: Ja, ich frage mich dann: Was habe ich denen denn bloß getan, dass die alle so ernst schauen? Neulich am Schluss kam einer und sagte ganz förmlich, mit belegter Stimme: „Ich danke Ihnen für diese humorvolle Führung.“
HEUSER: Vielleicht war’s Schüchternheit oder schlicht Unbeholfenheit?
DEUSEL: Mag sein. Aber es klang so, wie wenn einer sagt: herzliches Beileid, dass Ihr lieber Mann gestorben ist. Also ich war danach total fertig. Ich bin dann heimgefahren und musste das erst einmal mit einem Freund besprechen. Der sagte: Ist doch klar, ich weiß, was das war. Er hat es in einem Satz zusammengefasst: „Das sind Juden, da ist alles traurig. Da darf man nicht lachen.“
HEUSER: Ja, mit einem lebendig gelebten Judentum kommt die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft leider wenig in Berührung.
DEUSEL: Das ist auch bei den Führungen zu merken. Ich frage dann: Was seht ihr denn hier? Ihr seht ein Haus, ohne die Menschen darin. Also gut, manche bestellen Führungen „mit jüdischem Essen und Klezmer-Musik“. Und dabei kommt auch schon mal an mich die Frage: Vielleicht können Sie ja auch ein bisschen was singen? Nein, sag ich dann, weil es nicht angebracht ist in dieser Situation. Das ist kein Konzert.
HEUSER: Was suchen die Leute denn eigentlich da?
DEUSEL: Ja – genau das ist die Frage. Unsere Gemeinde ist übrigens genau dort drüben …
HEUSER: Ah … Und das ist extra so, dass man Ihren Gemeindesaal von außen nicht erkennt, oder? Das ist so schade … Dass das nötig ist.
DEUSEL: Es gibt eben auch tatsächlich Leute, die sagen: Wir kommen nicht mehr zum Gottesdienst. Wir haben Angst.
HEUSER: Mich macht das sehr traurig, wenn ich das höre. Wir haben ja gerade über die Lebendigkeit gesprochen. Und das wäre mein Wunsch: eine jüdische Gemeinde mitten im Leben. Die man nicht schützen müsste. Aber so ist es leider nicht, das ist wohl eine Wunschvorstellung …
DEUSEL: Ich selbst habe jetzt nicht so viel Angst. Aber was mir da in letzter Zeit geboten wird, also zum Beispiel ein Hakenkreuz, was sie mir neulich drüben in mein Praxis-Schild eingeritzt haben …
HEUSER: Schlimm...
DEUSEL: … das ist schon so eine Sache … Spaß macht das nicht.
HEUSER: Nein. Und Sie haben das vorhin auf dem Podium ja auch schon so klar gesagt: Auf der einen Seite sprechen Menschen plötzlich ganz massiv Dinge aus, die sie sich vorher nicht getraut haben einem so direkt ins Gesicht zu sagen. Und man sagt sich dann: Oha, so haben die immer schon gedacht, das ist anscheinend die harte Realität, weiterhin Antisemitismus. Auf der anderen Seite wiederum erleben Sie auch sehr viel Solidarität …
DEUSEL: Ja, richtig.
HEUSER: Das klingt sehr ambivalent; nach einer zugespitzten Lage. Den Umgang damit stelle ich mir schwierig vor.
DEUSEL: Also neutral ist eigentlich kaum einer. Wobei ich sagen muss, wenn einer neutral ist, ist die Frage: Ist derjenige einfach nur gleichgültig? Dann rechne ich ihn nicht zu den Solidarischen. Denn die Gleichgültigkeit, die ist das größte Problem. Dieses: och, das interessiert mich nicht. Oder natürlich die Leute, die einem lachend ins Gesicht sagen: Wann hauen Sie denn jetzt endlich ab?
HEUSER: Unfassbar, dass die Leute Ihnen das so ins Gesicht sagen. Das hätte ich nie gedacht.
DEUSEL: Ja, das hätte ich auch nie gedacht.
HEUSER: Das ist erschreckend. Und gleichzeitig auch wichtig, darüber zu sprechen und davon zu erfahren. Auch so schlimm: Sie müssen sich fürchten. Und die, die so etwas sagen, nicht.
DEUSEL: Ja. Das hat eigentlich nichts mehr mit Redefreiheit zu tun. Und man kann Demokratie auch aushöhlen; mit ihren eigenen Werkzeugen letztlich.
HEUSER: Leider. Das hat man ja in der Weimarer Republik gesehen …
DEUSEL: Haben wir da eigentlich nichts draus gelernt?
HEUSER: Tja, wenigstens passiert ja jetzt endlich ein bisschen was mit den „Demos gegen rechts“. Weil wir uns ja schon befragen müssen: Warum sind eigentlich die Antisemiten und die Antidemokraten so laut und wir anderen vergleichsweise so still?
DEUSEL: Ja …
HEUSER: Meine Generation, die in den frühen 70ern Geborenen, wir hatten lange Zeit das Gefühl zwar politisch sein zu können, aber nicht zu müssen. Heute wird das Bewusstsein immer stärker: Eine solche Einstellung können wir uns nicht mehr leisten. Man kriegt halt nichts geschenkt. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Demokratie immer für uns da ist, wenn wir nicht auch für sie da sind. Das müssen wir wohl wirklich immer wieder erringen und da müssen wir eben auch mal lauter werden. Aber das Gesprächsklima ist leider ziemlich vergiftet und differenzierte Gespräche zu führen, das wird immer schwieriger. Sich überhaupt zuzuhören gegenseitig.
DEUSEL: Also wenn ich mir das so anschaue – Ich habe jetzt erst wieder in der „Jüdischen Allgemeinen“ einen Artikel gelesen über eine junge Frau, eine Journalistin aus dem arabischen Raum, die gesagt hat, sie hat diese Videos gesehen von diesem Hamas-Überfall und war entsetzt und hat das auch laut gesagt: „Was ist denn das? Das ist ja entsetzlich!“ Und dann hat man sie dafür beschimpft als Zionistin. Und sie sagt, ihr müsst verstehen, dass das für uns eines der allerschlimmsten Schimpfwörter ist. Und sie musste auch ihr Land verlassen.
Es gibt ja auch diese bittere Aussage: „Mee too, unless you’re a Jew“.
HEUSER: Wie bitte?!
DEUSEL: Ja. Wo man sich doch sagt: Mensch, begreift ihr denn nicht, was da passiert ist? Das hat jetzt überhaupt nichts mit „postkolonialer Rechtfertigung“ zu tun! Für dieses Massaker gibt es keine Rechtfertigung!
HEUSER: Was da alles so unreflektiert miteinander vermengt wird …
DEUSEL: Ich bin keine Politikerin und ich will auch keine politischen Äußerungen tun; aber das ist etwas, das absolut inakzeptabel ist.
HEUSER: Für das Humane, das allerorts so schwer zu schützen ist, kann man ja auch ganz unpolitisch einen Blick haben. Es gibt schließlich ein Gefühl der Empathie mit allen Opfern und Leidtragenden in diesem Konflikt. Und man muss eigentlich keine großartige intellektuelle Ausbildung haben, um zu empfinden, jetzt bezogen auf die Angriffe der Hamas, die Sie erwähnten, dass ein derartiger brutaler Terror niemals zu rechtfertigen ist ebenso wenig wie Juden in Deutschland für die Konflikte im Nahen Osten zur Verantwortung zu ziehen. Natürlich gibt es immer die, die sagen: Was geht uns das alles überhaupt an? Sollen die sich doch die Köpfe einschlagen …
DEUSEL: Ja, man sollte dabei auch mal bedenken, was Pfarrer Stößlein kürzlich im interreligiösen Dialog sagte: Was wäre denn passiert, wenn die Alliierten damals an Rhein und Elbe stehengeblieben wären? So nach dem Motto: Was geht uns das eigentlich hier noch an, jetzt wo unsere eigenen Länder wieder befreit sind? Interessiert uns jetzt nicht mehr. Damit wäre der Krieg aber nicht beendet worden und die Gräueltaten der Nazis auch nicht. Und auch das war ja zu Beginn eine vom Volk gewählte Regierung, die Nazis.
Aber viele junge Leute wissen ja auch schon gar nicht mehr, was die Shoa ist. Auch in meinem Umfeld habe ich das erlebt bei sonst kulturell interessierten, versierten Leuten. Das ist schon erschreckend. Man spricht davon, was in der Shoa passiert ist und dann wird gefragt: Ja, was ist denn das, die Shoa?
HEUSER: Wie? Das Wort wurde noch nie gehört?
DEUSEL: Sie kennen den Begriff nicht, das hebräische Wort für den Holocaust, für den Genozid an den Juden.
HEUSER: Man denkt immer, das wird aber doch erklärt an den Schulen …
DEUSEL: Offenbar nicht so genau. Wir zeigen demnächst hier an der Uni einen Film: „Durch den Vorhang“ heißt er. Danach werden wir gemeinsam darüber diskutieren. In dem Film geht es um einen Jugendlichen im Israel-Austausch, der will eigentlich gar keine kulturelle Gedächtnisarbeit leisten, sondern schlicht seinen Spaß. Das geht aber schief; er wird verletzt und lernt im Krankenhaus dann eine alte Frau kennen, mit der er sich durch den Vorhang unterhält, die mit dem Kindertransport raus ist aus Vorkriegsdeutschland. Und das fasst ihn viel mehr an, als alles Reden vorher, diese konkrete Begegnung. Und er versteht das jetzt auch ganz anders.
HEUSER: Und der deutsch-israelische Schüleraustausch, der ist sowas von wichtig und wertvoll. Ich weiß, dass die Jugendlichen, die da zusammen mit meinem Sohn in Familien in Jerusalem waren, besonders begeistert waren – neben dem besagten Feiern und Spaß haben mit Wanderungen und tollem Essen und Baden im Roten Meer – tatsächlich vom gemeinsamen Schabbes in den Familien feiern dürfen. Das hatten sie so nie erlebt und gekannt, wie auch, und das hat sie, neben Yad Vashem und der Klagemauer und der für sie ungewohnten militärischen Präsenz im Alltag, auch von Frauen, sehr nachhaltig beeindruckt. Das haben eigentlich alle auf dem Auswertungsabend besonders betont; dieses warme, atmosphärische Zusammensein in den Familien und eben dieses doch stärker mit der Religion leben als die meisten hier …
DEUSEL: Ja und gerade das gemeinsam den Schabbes feiern ist etwas ganz Elementares, auch während Covid zum Beispiel, da haben mich die Leute gefragt: Wie machen wir das denn jetzt? Und da haben wir dann mit Zoom-Gottesdiensten angefangen. Auch wenn das aus orthodoxer Sicht natürlich nicht geht. Ja gut, okay, aber was sollte man denn machen? Keinen Schabbes mehr zusammen feiern? Ich habe hier einen riesigen Einzugsbereich und wir machen heute noch einmal pro Monat einen Freitagabend-Gottesdienst per Zoom für die, die nicht kommen können oder wollen.
Das sind so die Dinge, die die Menschen bewegen, eben diese praktischen Fragen des Alltags. Das war auch hier in der Veranstaltung über das jüdische, historische Bamberg so gut zusammengestellt: Das alltägliche Leben der großen und der kleinen Leute. All die kleinen praktischen Fragen …
HEUSER: Das fand ich auch sehr anschaulich, das rückt einem dann auch so nah. Dass es eigentlich immer dieselben Fragen sind, die einen umtreiben. In jeder Zeit liebt man ja, sorgt und kümmert sich und möchte seine Kinder aufwachsen sehen.
DEUSEL: Dieses Jahr gab es bei uns an allen Chanukka-Abenden eine kleine Feierstunde per Zoom. Wir wollten eigentlich rausgehen und unsere Lichter draußen anzünden, aber dann haben wir doch gesagt: Nein, das ist uns zu gefährlich – das lassen wir lieber sein. Also haben wir dann halt per Zoom gemeinsam unsere Kerzen angezündet und, das ist so Tradition bei uns in der Gemeinde, zu jeder Kerze ein Lied …
HEUSER: Und wie ist das mit den traditionellen Speisen? Nun kann man die ja leider per Zoom nicht zusammen essen …
DEUSEL: Ach, ich habe einfach ein Rezept meiner Mutter, in ihrer Handschrift, für meine Lieblingsplätzchen eingescannt und am nächsten Abend, ich halte im Zoom meine Plätzchen hoch, und, siehe da, die anderen hielten auch ihre frisch gebackenen Plätzchen hoch. So haben wir dann irgendwie doch gemeinsam gegessen.
HEUSER: Mm, jetzt bekomm ich auch gleich Appetit. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
DEUSEL: Gern.
Deutsch-jüdische Gespräche (4): Andrea Heuser und Antje Yael Deusel>
Zur Reihe: Zeit wahrzunehmen, zuzuhören und zu erwidern. – Angesichts eines zunehmend aufgeheizten und toxischen Kommunikationsklimas möchten wir hier einen Raum der deutsch-jüdischen Gespräche eröffnen. Denn Literatur ist immer auch ein Verhandeln und Transformieren von Wirklichkeiten und Möglichkeiten; ein Im-Gespräch-stehen. Wir laden ein zum Lesen, Zuhören und zum Erwidern; zu einem Austausch zwischen deutschsprachigen jüdischen und nichtjüdischen Schreibenden und Kunstschaffenden über alles, worüber sie jeweils miteinander reden mögen.
Das vierte Gespräch führte Andrea Heuser mit der Ärztin und Rabbinerin Antje Yael Deusel.
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ANDREA HEUSER: Liebe Frau Dr. Deusel, ich freue mich, dass Sie, nachdem Sie uns hier in Bamberg eben schon so viel Anregendes aus Ihrer Ausbildungszeit als Rabbinerin erzählt haben, sich nun auch noch einen Moment Zeit für dieses Gespräch nehmen. Das Buch, das Sie da jetzt gerade in den Händen halten, „Reginas Erbinnen“. – Bezieht sich das auf Regina Jonas, die weltweit erste Rabbinerin?
ANTJE YAEL DEUSEL: Ja genau. Und statt eines Vorwortes haben wir da fünf Briefe aufgenommen, nämlich von den fünf Frauen, die nach der Shoa als erste Rabbinerinnen in ihren jeweiligen Strömungen ordiniert worden sind. Regina Jonas ist 1935 ordiniert worden, als weltweit erste Rabbinerin in Deutschland, in Berlin. Sie ist nach Theresienstadt deportiert worden, zusammen mit ihrer Mutter, und ist dann in Auschwitz ermordet worden. Das genaue Datum ist uns leider nicht bekannt.
Ja und dann – dann hat man vergessen, dass es eine Rabbinerin gegeben hat. Als Anfang der 70er Jahre dann Sally Priesand in den Vereinigten Staaten als erste liberale, also als Reformrabbinerin ordiniert wurde, hat es geheißen: „Oh, die weltweit erste Rabbinerin!“ Und auch die Leute, die Regina Jonas gekannt hatten, haben nicht reagiert; es hat irgendwie keine Verbindung zu ihr gegeben. Und erst nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung hat man in den Archiven ihre Ordinationsurkunde gefunden. Und auf diese Weise festgestellt: ah, da war ja schon mal eine Frau.
Sally Priesand war also dann die erste Rabbinerin in der liberalen Strömung und dann kam Sandy Eisenberg Sasso für die Reconstructionist Denomination. Sie ist auch eine tolle Kinder- und Jugendbuchautorin. Nach ihr kam Amy Eilberg für das Konservative Judentum; alle drei in Amerika. In Europa wurde dann als erste Reformrabbinerin in London Jacqueline Tabick ordiniert, das war 1975. Und schließlich Sara Hurwitz, die in den USA lebt, erst lange nach der Jahrtausendwende als erste Frau aus der orthodoxen Strömung. Eine sehr taffe Frau …
HEUSER: … muss sie wahrscheinlich sein …
DEUSEL: Ja, und mit all diesen Frauen waren meine Kolleginnen aus Berlin und ich gemeinsam auf einer Reise, auf den Spuren von Regina Jonas. Und ich muss Ihnen sagen – ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll – das war etwas ganz, ganz besonderes mit diesen ersten fünf Rabbinerinnen zusammen unterwegs zu sein. Hier spürte man sehr stark, was für ein historischer Moment das ist. Wohl ging die eine amerikanische Kollegin mit einem Gehstock, eine andere hatte einen Rollator. Sie sind nicht mehr jung. Aber sie sind alle noch mit uns, diese „Ersten“, hier in der Gegenwart. Sie haben Geschichte geschrieben, in jüngster Vergangenheit, und wir jüngeren Rabbinerinnen sind Teil dieser Geschichte und wir schreiben sie weiter.
Sehr anrührend war dann auch die Zeremonie, mit der wir dort gemeinsam die Gedenkplakette für Regina Jonas eingeweiht haben.
HEUSER: Damit wäre im Grunde auch meine erste Frage, die ich im Kopf hatte, schon fast beantwortet; nämlich die nach Ihren Vorbildern. Sie mussten sich ja als Rabbinerin in einer gänzlich von Männern dominierten Welt durchsetzen … Welche Menschen haben Sie noch inspiriert?
DEUSEL (überlegt): Hm … Auf jeden Fall zuallererst meine Mutter. Sie war eine wundervolle Frau, sehr engagiert in ihrem Beruf, immer da für ihre Familie und Freunde und auch für die Menschen, die sie als Sozialarbeiterin betreut hat; voller Humor und Tatkraft, empathisch und unglaublich stark – eine charismatische Frau, für mich Freundin und Mutter. Und dann – Golda Meir. Sie hatte übrigens dieselbe Vorliebe für große Handtaschen...
HEUSER (lacht): Sie haben heute ja auch eine recht große dabei; in schönem Blau …
DEUSEL: Ja. Und als Golda Meir einmal gefragt wurde, warum sie denn eine so große Handtasche dabei hätte und was denn da eigentlich drin sei, sagte sie: „die guten Wünsche meines Volkes.“
HEUSER: Oh, ein toller Satz. Da kann die Tasche ja gar nicht groß genug sein …
DEUSEL (lacht): Ja. Ich mag Anekdoten und ich liebe den Kontakt mit Menschen. Auch in meiner Arbeit als Rabbinerin, da schaue und spreche ich die Leute gerne auch einmal direkt im Gottesdienst von der Bima her an. Ich stehe beim Beten auch mit dem Gesicht zur Gemeinde, entsprechend der liberalen Ausrichtung – oft wird das ja in der Synagoge anders gehandhabt, wenn der Vorbeter mit dem Rücken zur Gemeinde steht, dem Toraschrein zugewandt – und dabei wäre – vor allem auch draußen im Leben – so viel damit gewonnen: sich einfach nur mal umzudrehen.
HEUSER: Das ist ein schöner und auch symbolträchtiger Satz in diesem Zusammenhang, finde ich. Sich einfach mal umdrehen, dann sieht man mehr. Gewinnt eine neue Perspektive …
DEUSEL: Ich mag auch immer gern ein bisschen was Persönliches mit einbringen, die Leute zum Lächeln bringen. Und für mich ist ganz wichtig, dass das Judentum lebt. Zum Beispiel bei den Synagogen-Führungen, die ich mache. Da sind die Leute oft gar nicht drauf gefasst.
HEUSER: Wieso? Wird davon ausgegangen, dass es hier nichts zu lachen gibt?
DEUSEL: Ja, ich frage mich dann: Was habe ich denen denn bloß getan, dass die alle so ernst schauen? Neulich am Schluss kam einer und sagte ganz förmlich, mit belegter Stimme: „Ich danke Ihnen für diese humorvolle Führung.“
HEUSER: Vielleicht war’s Schüchternheit oder schlicht Unbeholfenheit?
DEUSEL: Mag sein. Aber es klang so, wie wenn einer sagt: herzliches Beileid, dass Ihr lieber Mann gestorben ist. Also ich war danach total fertig. Ich bin dann heimgefahren und musste das erst einmal mit einem Freund besprechen. Der sagte: Ist doch klar, ich weiß, was das war. Er hat es in einem Satz zusammengefasst: „Das sind Juden, da ist alles traurig. Da darf man nicht lachen.“
HEUSER: Ja, mit einem lebendig gelebten Judentum kommt die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft leider wenig in Berührung.
DEUSEL: Das ist auch bei den Führungen zu merken. Ich frage dann: Was seht ihr denn hier? Ihr seht ein Haus, ohne die Menschen darin. Also gut, manche bestellen Führungen „mit jüdischem Essen und Klezmer-Musik“. Und dabei kommt auch schon mal an mich die Frage: Vielleicht können Sie ja auch ein bisschen was singen? Nein, sag ich dann, weil es nicht angebracht ist in dieser Situation. Das ist kein Konzert.
HEUSER: Was suchen die Leute denn eigentlich da?
DEUSEL: Ja – genau das ist die Frage. Unsere Gemeinde ist übrigens genau dort drüben …
HEUSER: Ah … Und das ist extra so, dass man Ihren Gemeindesaal von außen nicht erkennt, oder? Das ist so schade … Dass das nötig ist.
DEUSEL: Es gibt eben auch tatsächlich Leute, die sagen: Wir kommen nicht mehr zum Gottesdienst. Wir haben Angst.
HEUSER: Mich macht das sehr traurig, wenn ich das höre. Wir haben ja gerade über die Lebendigkeit gesprochen. Und das wäre mein Wunsch: eine jüdische Gemeinde mitten im Leben. Die man nicht schützen müsste. Aber so ist es leider nicht, das ist wohl eine Wunschvorstellung …
DEUSEL: Ich selbst habe jetzt nicht so viel Angst. Aber was mir da in letzter Zeit geboten wird, also zum Beispiel ein Hakenkreuz, was sie mir neulich drüben in mein Praxis-Schild eingeritzt haben …
HEUSER: Schlimm...
DEUSEL: … das ist schon so eine Sache … Spaß macht das nicht.
HEUSER: Nein. Und Sie haben das vorhin auf dem Podium ja auch schon so klar gesagt: Auf der einen Seite sprechen Menschen plötzlich ganz massiv Dinge aus, die sie sich vorher nicht getraut haben einem so direkt ins Gesicht zu sagen. Und man sagt sich dann: Oha, so haben die immer schon gedacht, das ist anscheinend die harte Realität, weiterhin Antisemitismus. Auf der anderen Seite wiederum erleben Sie auch sehr viel Solidarität …
DEUSEL: Ja, richtig.
HEUSER: Das klingt sehr ambivalent; nach einer zugespitzten Lage. Den Umgang damit stelle ich mir schwierig vor.
DEUSEL: Also neutral ist eigentlich kaum einer. Wobei ich sagen muss, wenn einer neutral ist, ist die Frage: Ist derjenige einfach nur gleichgültig? Dann rechne ich ihn nicht zu den Solidarischen. Denn die Gleichgültigkeit, die ist das größte Problem. Dieses: och, das interessiert mich nicht. Oder natürlich die Leute, die einem lachend ins Gesicht sagen: Wann hauen Sie denn jetzt endlich ab?
HEUSER: Unfassbar, dass die Leute Ihnen das so ins Gesicht sagen. Das hätte ich nie gedacht.
DEUSEL: Ja, das hätte ich auch nie gedacht.
HEUSER: Das ist erschreckend. Und gleichzeitig auch wichtig, darüber zu sprechen und davon zu erfahren. Auch so schlimm: Sie müssen sich fürchten. Und die, die so etwas sagen, nicht.
DEUSEL: Ja. Das hat eigentlich nichts mehr mit Redefreiheit zu tun. Und man kann Demokratie auch aushöhlen; mit ihren eigenen Werkzeugen letztlich.
HEUSER: Leider. Das hat man ja in der Weimarer Republik gesehen …
DEUSEL: Haben wir da eigentlich nichts draus gelernt?
HEUSER: Tja, wenigstens passiert ja jetzt endlich ein bisschen was mit den „Demos gegen rechts“. Weil wir uns ja schon befragen müssen: Warum sind eigentlich die Antisemiten und die Antidemokraten so laut und wir anderen vergleichsweise so still?
DEUSEL: Ja …
HEUSER: Meine Generation, die in den frühen 70ern Geborenen, wir hatten lange Zeit das Gefühl zwar politisch sein zu können, aber nicht zu müssen. Heute wird das Bewusstsein immer stärker: Eine solche Einstellung können wir uns nicht mehr leisten. Man kriegt halt nichts geschenkt. Es ist nicht selbstverständlich, dass diese Demokratie immer für uns da ist, wenn wir nicht auch für sie da sind. Das müssen wir wohl wirklich immer wieder erringen und da müssen wir eben auch mal lauter werden. Aber das Gesprächsklima ist leider ziemlich vergiftet und differenzierte Gespräche zu führen, das wird immer schwieriger. Sich überhaupt zuzuhören gegenseitig.
DEUSEL: Also wenn ich mir das so anschaue – Ich habe jetzt erst wieder in der „Jüdischen Allgemeinen“ einen Artikel gelesen über eine junge Frau, eine Journalistin aus dem arabischen Raum, die gesagt hat, sie hat diese Videos gesehen von diesem Hamas-Überfall und war entsetzt und hat das auch laut gesagt: „Was ist denn das? Das ist ja entsetzlich!“ Und dann hat man sie dafür beschimpft als Zionistin. Und sie sagt, ihr müsst verstehen, dass das für uns eines der allerschlimmsten Schimpfwörter ist. Und sie musste auch ihr Land verlassen.
Es gibt ja auch diese bittere Aussage: „Mee too, unless you’re a Jew“.
HEUSER: Wie bitte?!
DEUSEL: Ja. Wo man sich doch sagt: Mensch, begreift ihr denn nicht, was da passiert ist? Das hat jetzt überhaupt nichts mit „postkolonialer Rechtfertigung“ zu tun! Für dieses Massaker gibt es keine Rechtfertigung!
HEUSER: Was da alles so unreflektiert miteinander vermengt wird …
DEUSEL: Ich bin keine Politikerin und ich will auch keine politischen Äußerungen tun; aber das ist etwas, das absolut inakzeptabel ist.
HEUSER: Für das Humane, das allerorts so schwer zu schützen ist, kann man ja auch ganz unpolitisch einen Blick haben. Es gibt schließlich ein Gefühl der Empathie mit allen Opfern und Leidtragenden in diesem Konflikt. Und man muss eigentlich keine großartige intellektuelle Ausbildung haben, um zu empfinden, jetzt bezogen auf die Angriffe der Hamas, die Sie erwähnten, dass ein derartiger brutaler Terror niemals zu rechtfertigen ist ebenso wenig wie Juden in Deutschland für die Konflikte im Nahen Osten zur Verantwortung zu ziehen. Natürlich gibt es immer die, die sagen: Was geht uns das alles überhaupt an? Sollen die sich doch die Köpfe einschlagen …
DEUSEL: Ja, man sollte dabei auch mal bedenken, was Pfarrer Stößlein kürzlich im interreligiösen Dialog sagte: Was wäre denn passiert, wenn die Alliierten damals an Rhein und Elbe stehengeblieben wären? So nach dem Motto: Was geht uns das eigentlich hier noch an, jetzt wo unsere eigenen Länder wieder befreit sind? Interessiert uns jetzt nicht mehr. Damit wäre der Krieg aber nicht beendet worden und die Gräueltaten der Nazis auch nicht. Und auch das war ja zu Beginn eine vom Volk gewählte Regierung, die Nazis.
Aber viele junge Leute wissen ja auch schon gar nicht mehr, was die Shoa ist. Auch in meinem Umfeld habe ich das erlebt bei sonst kulturell interessierten, versierten Leuten. Das ist schon erschreckend. Man spricht davon, was in der Shoa passiert ist und dann wird gefragt: Ja, was ist denn das, die Shoa?
HEUSER: Wie? Das Wort wurde noch nie gehört?
DEUSEL: Sie kennen den Begriff nicht, das hebräische Wort für den Holocaust, für den Genozid an den Juden.
HEUSER: Man denkt immer, das wird aber doch erklärt an den Schulen …
DEUSEL: Offenbar nicht so genau. Wir zeigen demnächst hier an der Uni einen Film: „Durch den Vorhang“ heißt er. Danach werden wir gemeinsam darüber diskutieren. In dem Film geht es um einen Jugendlichen im Israel-Austausch, der will eigentlich gar keine kulturelle Gedächtnisarbeit leisten, sondern schlicht seinen Spaß. Das geht aber schief; er wird verletzt und lernt im Krankenhaus dann eine alte Frau kennen, mit der er sich durch den Vorhang unterhält, die mit dem Kindertransport raus ist aus Vorkriegsdeutschland. Und das fasst ihn viel mehr an, als alles Reden vorher, diese konkrete Begegnung. Und er versteht das jetzt auch ganz anders.
HEUSER: Und der deutsch-israelische Schüleraustausch, der ist sowas von wichtig und wertvoll. Ich weiß, dass die Jugendlichen, die da zusammen mit meinem Sohn in Familien in Jerusalem waren, besonders begeistert waren – neben dem besagten Feiern und Spaß haben mit Wanderungen und tollem Essen und Baden im Roten Meer – tatsächlich vom gemeinsamen Schabbes in den Familien feiern dürfen. Das hatten sie so nie erlebt und gekannt, wie auch, und das hat sie, neben Yad Vashem und der Klagemauer und der für sie ungewohnten militärischen Präsenz im Alltag, auch von Frauen, sehr nachhaltig beeindruckt. Das haben eigentlich alle auf dem Auswertungsabend besonders betont; dieses warme, atmosphärische Zusammensein in den Familien und eben dieses doch stärker mit der Religion leben als die meisten hier …
DEUSEL: Ja und gerade das gemeinsam den Schabbes feiern ist etwas ganz Elementares, auch während Covid zum Beispiel, da haben mich die Leute gefragt: Wie machen wir das denn jetzt? Und da haben wir dann mit Zoom-Gottesdiensten angefangen. Auch wenn das aus orthodoxer Sicht natürlich nicht geht. Ja gut, okay, aber was sollte man denn machen? Keinen Schabbes mehr zusammen feiern? Ich habe hier einen riesigen Einzugsbereich und wir machen heute noch einmal pro Monat einen Freitagabend-Gottesdienst per Zoom für die, die nicht kommen können oder wollen.
Das sind so die Dinge, die die Menschen bewegen, eben diese praktischen Fragen des Alltags. Das war auch hier in der Veranstaltung über das jüdische, historische Bamberg so gut zusammengestellt: Das alltägliche Leben der großen und der kleinen Leute. All die kleinen praktischen Fragen …
HEUSER: Das fand ich auch sehr anschaulich, das rückt einem dann auch so nah. Dass es eigentlich immer dieselben Fragen sind, die einen umtreiben. In jeder Zeit liebt man ja, sorgt und kümmert sich und möchte seine Kinder aufwachsen sehen.
DEUSEL: Dieses Jahr gab es bei uns an allen Chanukka-Abenden eine kleine Feierstunde per Zoom. Wir wollten eigentlich rausgehen und unsere Lichter draußen anzünden, aber dann haben wir doch gesagt: Nein, das ist uns zu gefährlich – das lassen wir lieber sein. Also haben wir dann halt per Zoom gemeinsam unsere Kerzen angezündet und, das ist so Tradition bei uns in der Gemeinde, zu jeder Kerze ein Lied …
HEUSER: Und wie ist das mit den traditionellen Speisen? Nun kann man die ja leider per Zoom nicht zusammen essen …
DEUSEL: Ach, ich habe einfach ein Rezept meiner Mutter, in ihrer Handschrift, für meine Lieblingsplätzchen eingescannt und am nächsten Abend, ich halte im Zoom meine Plätzchen hoch, und, siehe da, die anderen hielten auch ihre frisch gebackenen Plätzchen hoch. So haben wir dann irgendwie doch gemeinsam gegessen.
HEUSER: Mm, jetzt bekomm ich auch gleich Appetit. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
DEUSEL: Gern.