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Singer-Songwriting (4): Melancholie in modernen Zeiten: Thomas Franz

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(c) Markus Mähner

1978 in einem Münchner Vorort geboren, kommt Thomas Franz (der Name ist tatsächlich kein Künstleridiom, sondern so angeboren) gerade auf die Welt, als die Liedermacher-Generation des MUH, des Song Parnass und der Bühne Robinson bereits ihre großen Erfolge feiert: Fredl Fesl hat schon drei Schallplatten mit all seinen zeitlosen Klassikern veröffentlicht und Konstantin Wecker ist den kleinen Bühnen längst entwachsen und befindet sich auf großer Deutschlandtournee.

Nach der Schule verschlägt es Thomas Franz zur Krankenpflegerausbildung in die Landeshauptstadt. Dort lernt er eine Band kennen, in der er schon bald Keyboard und Percussion spielt. Das Gewicht liegt hier eindeutig mehr auf der Musik als auf den Texten, die größtenteils in englischer Sprache gehalten sind. Auch wenn Franz bereits einige Lieder komponiert, so kommt die große Wende erst nach seiner Ausbildung, im Sommer 2004: Bei einem Work & Travel-Aufenthalt in Frankreich findet er in dem Bauernhof, bei dem er sich gegen Kost und Logis verdingt, eine Gitarre. Um der Einsamkeit – denn er spricht praktisch kein Französisch – entgegenzuwirken, entsinnt er sich einiger Gitarrenakkorde, die ihm ein Freund noch in der Schule beigebracht hat, und seiner schon etwas älteren Gedichte.

Damit war's geschehn: „Gedichte plus Lagerfeuergitarre ist Liedermacher“, wie er selber sagt.

Bei den ein paar Gitarrenakkorden wird es freilich nicht bleiben: Spätestens seit der Verwendung des Keyboards in seinen Liedern wird dann auch die Musik komplexer.

Kaum ist er zurück in Deutschland, reist er auch schon weiter und verlässt das heimische Bayern: Er geht zum Studieren nach Berlin und schreibt einen Song nach dem anderen. Die Themen hier sind oft geprägt vom Studienalltag, der Unzulänglichkeit mit der Liebe und dem Neid auf Leute, die etwas haben, was man selber gerne hätte – alles natürlich nicht ohne Ironie und Selbstreflexion. Titel von Liedern wie „Mit dem BMW vom Papa“ oder „Dann geht’s mir besser“ sprechen für sich selbst.

Hier in Berlin hat er schon bald seine „Hausbühnen“ gefunden, auf denen er regelmäßig spielt und sich mit der Szene vernetzt. Die Verbindung zur Heimat verliert er aber nie und 2018 kehrt er – mit etlichen Liedern im Gepäck – zurück nach München und entwickelt dort ein erstes abendfüllendes Programm, das er nun regelmäßig erweitert.

Die stärksten Waffen, mit denen er in seinen Liedern hantiert, sind allen voran der Humor, ein starkes absurdes Element und die Ironie. Ohne die würde er sich nie trauen, über ernsthafte Themen zu singen, wie er selber sagt: „Ich hab das Gefühl: Wenn ich das mach, dann bekommt das eine unangenehme Schwere. Es passt einfach nicht zu meiner Bühnenperson. Ich bin auf der Bühne eher ein Clown als im Privatleben. Das ergibt sich durch die Bühnensituation, das habe ich mir gar nicht ausgesucht. Nicht so wie ein Schauspieler, der eine Rolle spielt. Das hat sich mit dem Publikum so eingeschliffen. Und zu dieser Person passen die ernsten Lieder auf jeden Fall schwieriger.“

Nichtsdestotrotz packt er auch die schweren Themen an, verhüllt sie aber mit Ironie und Absurdität. Wie in dem Stück „Raumschiff“:

Auf unserm Raumschiff sieht es scheiße aus.
Wir haben´s nicht im Griff, wir wolln alle nur hier raus.
Alles fliegt hier rum und alles ist verschmutzt.
Es ist traurig im All wenn keiner putzt.

Und das Imperium spart am Reinigungpersonal
und unsere Mütter, die arbeiten auch nicht hier.
Die Wahrheit, Astronauten, ist einfach und banal:
Wer soll hier putzen wenn nicht wir?

(Thomas Franz: Raumschiff. Aus: Jetzt geht's mir besser, 2020)

Ein zentrales Thema, das in den Stücken des Thomas Franz immer wieder kehrt, ist der aussichtslose Kampf des Individuums in der technisierten Welt. Und nicht selten taucht dieses Thema gepaart mit dem Liebeslied auf. Wenn auch mit einem Liebeslied einer ganz anderen Art, wie in dem Lied „Opfer der Technik“:

Eine feste Freundin hab ich nie gefunden,
aber ein paar Frauen immerhin für ein paar Stunden
Ich war gerade so weit dass es mir so gefällt
Ich war lose verbunden mit der Frauenwelt.
Ich sammelte die Nummern von ihnen allen,
aber irgendwann ist es dann passiert:
Mein Handy ist mir ins Klo gefallen
und jetzt bin ich sexuell isoliert.
Ich bin ein Kind meiner Zeit und ein Opfer der Technik!

(Thomas Franz: Opfer der Technik)

Oder in „Seltsamen Zeiten“, in der das lyrische Ich von seiner Freundin betrogen wird – doch der im Schrank versteckte Liebhaber entpuppt sich als lediglich virtuell: Er ist via Skype auf dem Notebook der Freundin zu finden. „Betrogen hab ich mir echt anders vorgestellt!“

Überhaupt sind es die Verlierer, die es Thomas Franz angetan haben und denen seine stark melancholische Bühnenfigur ihre Stimme verleiht. Der ewige, aussichtslose Versuch in der Gesellschaft angepasst zu sein, ist ein immer wiederkehrendes Thema. Angefangen bei den „Tieren vom Versagerzoo“ über den „Schüchternen Vulkan“ – der heimlich nachts raucht, da er sich mehr nicht traut – bis hin zum braven Finanzberater, der eines Tages im Spiegel ein selbst wachsendes Tattoo entdeckt:

Kann es vielleicht am Karma liegen?
Warum musste gerade er sowas kriegen?
Jetzt ist er der traurige Finanzberater
Innen ein Weichei und außen ein ganz Harter
Er lebt von der Stütze und er leidet im Stillen
Ein Rebell ohne Grund und ein Punk wider Willen.

(Thomas Franz: Das wachsende Tattoo. Aus: Jetzt geht's mir besser, 2020)

Die Absurdität, mit der das Tattoo scheinbar wie von alleine wächst und bald auch die Nachbarn infiziert, steht der eines Eugène Ionesco und seinen Nashörnern in nichts nach.

Es sind diese absurden Einfälle, die häufig den Kern seiner Lieder ausmachen. Oft steht am Anfang des Textens lediglich ein Witz, der dann die ganze Geschichte ins Rollen bringt, wie Thomas Franz gesteht: „Ich lach über meine eigenen Witze. Und wenn ich darüber lachen kann, dann mach ich ein Lied draus.“

Doch da er stark mit Reimen arbeitet, ist es oft auch die Sprache, die an dem Lied mitkomponiert:

„Manchmal bringt es einen auf die Story. Es ist irgendwie die Freiheit in der Beschränkung, dass es Dir vordefinierte Möglichkeiten gibt, was man jetzt machen könnte. Die Sprache macht einen Vorschlag: Was könnte da jetzt als nächstes kommen? Und dann kannst Du dich dafür oder dagegen entscheiden.“

Externe Links:

Homepage von Thomas Franz