„Them too. Uns auch“. Ein szenisches Stück von Lena Gorelik
Das Linzer Thomas-Bernhard-Stipendium geht 2023 an die in München lebende Autorin Lena Gorelik. Ihr Entwurf mit dem Arbeitstitel Them too. Uns auch. ist ein geschicktes Spiel mit den Identitäten: „Drei Menschen streifen fluide durch verschiedene Geschlechterrollen und bringen ebendiese zum Scheitern. Sie sprengen gesellschaftliche Vorstellungen und werfen Erwartungshaltungen über Bord.“
Mit diesem szenischen Stück, aus dem hier zwei Ausschnitte präsentiert werden, beteiligt sich Lena Gorelik an „Neustart Freie Szene – Literatur“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung der Freien Szene in Bayern. Alle bisherigen Beiträge des Projekts „Neustart Freie Szene – Literatur“ finden Sie HIER.
*
THEM TOO. UNS AUCH.
SZENE (Ausschnitt):
Drei Menschen. Und Spiegel. In die man hineinschauen kann, um sich selbst oder andere zu sehen. Man kann auch wegsehen, man kann alles tun, um diesen Blick zu vermeiden. Man kann Spiegel zerbrechen, dann hat man viele kleine Spiegelscherben, in denen man nur Details sehen kann. Man kann Spiegel verhängen, wegdrehen, man kann gezwungen werden, in den Spiegel zu blicken.
ER:SIE: Ich schaue mich nicht im Spiegel an. Wenn ich aus der Dusche komme, schaue ich nicht in den Spiegel. Gehe am Spiegel vorbei in mein Zimmer, suche mir etwas zum Anziehen heraus. Erst, wenn ich angezogen bin, gehe ich zum Spiegel. Schaue mich an, richte hier zum Beispiel das Hemd oder die Haare. Finde mich auch gut, oder an anderen Tagen auch nicht.
ER:SIE: Ich bin schön. War ich schon immer. Schon als Kind sagten alle, was für ein schönes Kind. Hab lange Beine, hab diese schönen Haare, ich hab das ja auch gespürt, wenn ich einen Raum betrat, dass alle mich dann anschauten, und später, als ich begann auszugehen, konnte ich sie alle haben. Wen ich eben wollte, ich wusste das, ich bin schön.
ER:SIE: Es zeugt in gewisser Weise von Narzissmus, in den Spiegel zu blicken. Man blickt sich selbst an, man kann sich selbst sehen.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel, was siehst du, wenn du in den Spiegel blickst?
ER:SIE: Ich sehe dich, wie du mich anschaust, ich sehe deine Augen. Sie blicken auf mich, bleiben hier, genau hier, hängen.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel, was siehst du, wenn du in den Spiegel blickst?
ER:SIE: Ich sehe dich, wie du mich anschaust, ich sehe deine Augen. Sie blicken auf mich, bleiben hier, genau hier, hängen.
ER:SIE: Wenn ich in den Spiegel sehe, dann höre ich immer meine Mutter. Wie die sagte, dass ich meine Beine verstecken musste, dass ich Fußballer-Beine hatte, sagte sie. Obwohl ich nie Fußball gespielt habe.
ER:SIE: Ich habe immer Fußball gespielt. Ich war richtig gut, Torwart war ich.
ER:SIE: Oder Torwartin. Ich weiß gar nicht, ob es so heißt,heißt es so, Torwartin?
ER:SIE: Ich habe immer Fußball gespielt, obwohl ich nie wollte. Sie haben mich angemeldet, meine Eltern, und ich war ja auch nicht schlecht. Ich habe das nur nie gerne gemacht, ich fand, dass die anderen, ich habe mich nie so gut mit denen verstanden. Mit deren Themen, mit den anderen aus der Mannschaft.
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, versuche ich, nie auf meine Beine zu blicken.
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, versuche ich nie auf meinen Busen zu blicken.
ER:SIE: Weil du ja auch gar keinen hast. Du hast überhaupt keinen Busen!
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, denke ich mir meine Nase einfach weg.
ER:SIE: Ich sehe gut aus, heute. Ich finde, ich sehe echt gut aus, in diesem …
ER:SIE: Du siehst immer gut aus, egal, was du trägst.
ER:SIE: Ich sehe immer gut aus, egal, was ich trage.
ER:SIE: Ich finde deine Beine schön.
ER:SIE: Ich kann dich nicht hören.
ER:SIE: Du kannst mich nicht hören, obwohl ich es dir immer wieder sage. Wie schön deine Beine sind, wie sexy!
ER:SIE: Wie sexy!
ER:SIE: Wenn ich in den Spiegel schauen würde, das mache ich aber nie, ich mach das wirklich nicht, das würde mir nur die Laune verderben, dann kann ich mich im Spiegel nie erblicken. Der Mensch, den ich da sehe, mit dem habe ich einfach nichts zu tun.
ER:SIE: Deine Beine, die musst du wirklich verstecken, das sind Fußballerbeine. Vielleicht eine weitere Hose. Vielleicht ein längerer Rock.
ER:SIE: Ich trage sehr gerne kurze Röcke.
ER:SIE: Ich trage sehr gerne nichts.
**
SZENE (Ausschnitt):
Drei Menschen. Paare. Wer ist denn alles ein Paar? Es zeigen mal alle, wer ein Paar ist? Aha, so viele Paare. Und wer ist hier wer im Paar? Welche Rolle nehmen Sie ein als Paar? Und im Paar? Wer ist denn der Mann, jedes Paar muss doch einen Mann im Paar haben!
IRGENDJEMAND: Entschuldigung, dürfte ich Sie bitte einmal kurz stören?
PAAR: Ja…
IRGENDJEMAND: Ich wollte Ihnen das sagen, also ich musste das Ihnen mal sagen, ich beobachte Sie schon eine Weile und ich musste Ihnen das einfach sagen, dass ...
PAAR: Sie beobachten uns schon eine Weile? Wieso?
IRGENDJEMAND: Ich beobachte Sie, entschuldigen Sie bitte, das klang jetzt so, also ich meinte das nicht, in keinster Weise als, ich beobachte Sie nur, weil ich finde, Sie sind so ein schönes Paar!
PAAR: Danke. Das ist aber …
PAAR: Entschuldigen Sie, darf ich mal zurückfragen? Würden Sie das denn auch zu einem anderen Paar sagen? Zu einem heteronormativen Paar?
IRGENDJEMAND: Entschuldigen Sie? Ich meinte das nur, ich meinte das nur so als Kompliment!
PAAR: Vielen Dank! Zum Wohl!
PAAR: Würden Sie denn, also wenn hier an der Bar ein heteronormatives Paar säße, das Sie nicht kennen, würden Sie das auch beobachten, die beiden, wie so Tiere im Zoo, würden Sie auch auf die, auf wildfremde Menschen zugehen und ihnen sagen, dass Sie sie schön finden?
IRGENDJEMAND: Verzeihung, ich wollte nicht … ich wollte Ihnen nicht auf die Füße treten, ich meinte das wirklich als Kompliment.
IRGENDJEMAND: Wie man es macht, macht man es falsch. Da darf man nicht mal mehr ein Kompliment machen! Dann schweigen wir jetzt wohl alle einfach, oder wie?
PAAR: Jetzt kommt es: Man wird doch noch mal sagen dürfen.
IRGENDJEMAND: Verzeihung, ich meinte das wirklich nicht … Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
PAAR: Ihnen auch!
„Them too. Uns auch“. Ein szenisches Stück von Lena Gorelik >
Das Linzer Thomas-Bernhard-Stipendium geht 2023 an die in München lebende Autorin Lena Gorelik. Ihr Entwurf mit dem Arbeitstitel Them too. Uns auch. ist ein geschicktes Spiel mit den Identitäten: „Drei Menschen streifen fluide durch verschiedene Geschlechterrollen und bringen ebendiese zum Scheitern. Sie sprengen gesellschaftliche Vorstellungen und werfen Erwartungshaltungen über Bord.“
Mit diesem szenischen Stück, aus dem hier zwei Ausschnitte präsentiert werden, beteiligt sich Lena Gorelik an „Neustart Freie Szene – Literatur“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung der Freien Szene in Bayern. Alle bisherigen Beiträge des Projekts „Neustart Freie Szene – Literatur“ finden Sie HIER.
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THEM TOO. UNS AUCH.
SZENE (Ausschnitt):
Drei Menschen. Und Spiegel. In die man hineinschauen kann, um sich selbst oder andere zu sehen. Man kann auch wegsehen, man kann alles tun, um diesen Blick zu vermeiden. Man kann Spiegel zerbrechen, dann hat man viele kleine Spiegelscherben, in denen man nur Details sehen kann. Man kann Spiegel verhängen, wegdrehen, man kann gezwungen werden, in den Spiegel zu blicken.
ER:SIE: Ich schaue mich nicht im Spiegel an. Wenn ich aus der Dusche komme, schaue ich nicht in den Spiegel. Gehe am Spiegel vorbei in mein Zimmer, suche mir etwas zum Anziehen heraus. Erst, wenn ich angezogen bin, gehe ich zum Spiegel. Schaue mich an, richte hier zum Beispiel das Hemd oder die Haare. Finde mich auch gut, oder an anderen Tagen auch nicht.
ER:SIE: Ich bin schön. War ich schon immer. Schon als Kind sagten alle, was für ein schönes Kind. Hab lange Beine, hab diese schönen Haare, ich hab das ja auch gespürt, wenn ich einen Raum betrat, dass alle mich dann anschauten, und später, als ich begann auszugehen, konnte ich sie alle haben. Wen ich eben wollte, ich wusste das, ich bin schön.
ER:SIE: Es zeugt in gewisser Weise von Narzissmus, in den Spiegel zu blicken. Man blickt sich selbst an, man kann sich selbst sehen.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel, was siehst du, wenn du in den Spiegel blickst?
ER:SIE: Ich sehe dich, wie du mich anschaust, ich sehe deine Augen. Sie blicken auf mich, bleiben hier, genau hier, hängen.
ER:SIE: Schau mal in den Spiegel, was siehst du, wenn du in den Spiegel blickst?
ER:SIE: Ich sehe dich, wie du mich anschaust, ich sehe deine Augen. Sie blicken auf mich, bleiben hier, genau hier, hängen.
ER:SIE: Wenn ich in den Spiegel sehe, dann höre ich immer meine Mutter. Wie die sagte, dass ich meine Beine verstecken musste, dass ich Fußballer-Beine hatte, sagte sie. Obwohl ich nie Fußball gespielt habe.
ER:SIE: Ich habe immer Fußball gespielt. Ich war richtig gut, Torwart war ich.
ER:SIE: Oder Torwartin. Ich weiß gar nicht, ob es so heißt,heißt es so, Torwartin?
ER:SIE: Ich habe immer Fußball gespielt, obwohl ich nie wollte. Sie haben mich angemeldet, meine Eltern, und ich war ja auch nicht schlecht. Ich habe das nur nie gerne gemacht, ich fand, dass die anderen, ich habe mich nie so gut mit denen verstanden. Mit deren Themen, mit den anderen aus der Mannschaft.
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, versuche ich, nie auf meine Beine zu blicken.
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, versuche ich nie auf meinen Busen zu blicken.
ER:SIE: Weil du ja auch gar keinen hast. Du hast überhaupt keinen Busen!
ER:SIE: Wenn ich mich ansehe, denke ich mir meine Nase einfach weg.
ER:SIE: Ich sehe gut aus, heute. Ich finde, ich sehe echt gut aus, in diesem …
ER:SIE: Du siehst immer gut aus, egal, was du trägst.
ER:SIE: Ich sehe immer gut aus, egal, was ich trage.
ER:SIE: Ich finde deine Beine schön.
ER:SIE: Ich kann dich nicht hören.
ER:SIE: Du kannst mich nicht hören, obwohl ich es dir immer wieder sage. Wie schön deine Beine sind, wie sexy!
ER:SIE: Wie sexy!
ER:SIE: Wenn ich in den Spiegel schauen würde, das mache ich aber nie, ich mach das wirklich nicht, das würde mir nur die Laune verderben, dann kann ich mich im Spiegel nie erblicken. Der Mensch, den ich da sehe, mit dem habe ich einfach nichts zu tun.
ER:SIE: Deine Beine, die musst du wirklich verstecken, das sind Fußballerbeine. Vielleicht eine weitere Hose. Vielleicht ein längerer Rock.
ER:SIE: Ich trage sehr gerne kurze Röcke.
ER:SIE: Ich trage sehr gerne nichts.
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SZENE (Ausschnitt):
Drei Menschen. Paare. Wer ist denn alles ein Paar? Es zeigen mal alle, wer ein Paar ist? Aha, so viele Paare. Und wer ist hier wer im Paar? Welche Rolle nehmen Sie ein als Paar? Und im Paar? Wer ist denn der Mann, jedes Paar muss doch einen Mann im Paar haben!
IRGENDJEMAND: Entschuldigung, dürfte ich Sie bitte einmal kurz stören?
PAAR: Ja…
IRGENDJEMAND: Ich wollte Ihnen das sagen, also ich musste das Ihnen mal sagen, ich beobachte Sie schon eine Weile und ich musste Ihnen das einfach sagen, dass ...
PAAR: Sie beobachten uns schon eine Weile? Wieso?
IRGENDJEMAND: Ich beobachte Sie, entschuldigen Sie bitte, das klang jetzt so, also ich meinte das nicht, in keinster Weise als, ich beobachte Sie nur, weil ich finde, Sie sind so ein schönes Paar!
PAAR: Danke. Das ist aber …
PAAR: Entschuldigen Sie, darf ich mal zurückfragen? Würden Sie das denn auch zu einem anderen Paar sagen? Zu einem heteronormativen Paar?
IRGENDJEMAND: Entschuldigen Sie? Ich meinte das nur, ich meinte das nur so als Kompliment!
PAAR: Vielen Dank! Zum Wohl!
PAAR: Würden Sie denn, also wenn hier an der Bar ein heteronormatives Paar säße, das Sie nicht kennen, würden Sie das auch beobachten, die beiden, wie so Tiere im Zoo, würden Sie auch auf die, auf wildfremde Menschen zugehen und ihnen sagen, dass Sie sie schön finden?
IRGENDJEMAND: Verzeihung, ich wollte nicht … ich wollte Ihnen nicht auf die Füße treten, ich meinte das wirklich als Kompliment.
IRGENDJEMAND: Wie man es macht, macht man es falsch. Da darf man nicht mal mehr ein Kompliment machen! Dann schweigen wir jetzt wohl alle einfach, oder wie?
PAAR: Jetzt kommt es: Man wird doch noch mal sagen dürfen.
IRGENDJEMAND: Verzeihung, ich meinte das wirklich nicht … Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
PAAR: Ihnen auch!