Logen-Blog [175]: Jean Paul und Alexander von Humboldt
Die Mädchenseelen sind schneller ausgereift als die Knabengeister: Dieser Satz gilt vielleicht auch für Gustav, den wir uns als einen Heißsporn der Tugend vorstellen müssen. Nicht, dass dies schlecht wäre: nicht, dass seine Seele minderer wäre als die der Beata – die Szene mit Röper macht klar, dass er, in stoischem Sinne, noch an sich arbeiten, dass er seine flammendfeurige Seele in Zaum halten muss, um geliebte Wesen wie Beata nicht (ungewollt) zu verletzen. Man kann es ihm nicht verdenken, der Junge „passt schon“ – aber Jean Paul hatte auch in Schwarzenbach genug Zeit und Muße, um die Seelen seiner männlichen Schüler von denen der weiblichen zu unterscheiden (ich nehme mal an, dass in seiner Schule auch Mädchen unterrichtet wurden).
Ich finde den Satz auf einer der Tafeln, die wir vom Jean-Paul-Weg auf demselben aufstellen ließen. Ich lese ihn auf der Tafel No. 96, die auf dem schönen Marktplatz zu Goldkronach steht. Endlich scheint die Sommersonne, der Tag wird zum ersten wirklich idyllischen Sommertag – zu einem Tag, wie er sein sollte: ein ungeplantes, unplanbares Glück – unplanbar für die, die dran teilhaben, aber es nicht organisieren müssen. Jean Paul hat daran seinen Anteil; auch ein anderer Satz der Tafel am Wasser des Lebens harmoniert mit unserer Geschichte: der Mann sei mehr zur „sittlichen Stärke und Ehre“ geboren. Ich entdecke auch hier den jungen Gustav wieder, und Beata scheint mehr „zur sittlichen Liebe geboren und ausgerüstet“.
Der Pädagoge Jean Paul hat diese Sätze in der Levana fixiert: eine Frucht auch der Pädagogenjahre der Logen-Zeit.
Goldkronach – der Ort blieb berühmt dank einem Weltberühmten: dank Alexander von Humboldt, der hier seit 1793 – dem Jahr der Publikation der Loge – die drei Bergämter Goldkronach, Naila und Wunsiedel leitete, bevor er auf seine Weltreise ging, deren publizierte Ergebnisse ihn unsterblich machten. Ich weiß nicht, ob die beiden sich jemals begegneten, aber im Geiste waren sie wenn auch nicht eins, so doch ähnlich: gesegnet mit einer unendlichen Neugierde auf die Welt, versehen mit einem übergroßen Gespür für die faszinierenden Phänomene des Lebens, die sie in kompendienartigen Großdrucken ins Wort setzten. Hier der Kosmos und die Reisebeschreibungen, dort die Gesamtheit der Romane, Erzählungen und theoretischen Schriften: ein Konglomerat aus Theorie und Praxis, gewonnen aus den Erfahrungen vielfältigster Expeditionen in Regionen, die bislang kaum ein Mensch beschritten hat.
Was Humboldt eignet – die Systematik –, fehlt bei Jean Paul, aber was Jean Paul besitzt – den Mut zur metyphysischen Spekulation –, mangelt dem nüchternen Wissenschaftler. Es verschlägt nichts. Beide Herren – Herren ihrer Materien – schufen Werke, die immer noch tief erfreuen. Die Beobachtung mag trivial sein, aber wenn wir bedenken, dass zu ihren Lebzeiten Philologen wie die Gebrüder Grimm in ähnlicher Art aufs Ganze gingen und gleichzeitig das hinterließen, was man in einem altmodischen Wort als „schöne Werke“ (und Briefe!) bezeichnen muss – dann kann man nur ganz pathetisch den Hut ziehen und einen tiefen Diener machen. Die Tafeln zum Jean-Paul-Weg, auf denen sich gelegentlich ungewollte Kommentare zur Unsichtbaren Loge finden, sind unser Beitrag zu dieser Ehrung: einer Ehrung durch die fixierte Lektüre.
(Fotos: Frank Piontek, 16.6.2013)
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Die Mädchenseelen sind schneller ausgereift als die Knabengeister: Dieser Satz gilt vielleicht auch für Gustav, den wir uns als einen Heißsporn der Tugend vorstellen müssen. Nicht, dass dies schlecht wäre: nicht, dass seine Seele minderer wäre als die der Beata – die Szene mit Röper macht klar, dass er, in stoischem Sinne, noch an sich arbeiten, dass er seine flammendfeurige Seele in Zaum halten muss, um geliebte Wesen wie Beata nicht (ungewollt) zu verletzen. Man kann es ihm nicht verdenken, der Junge „passt schon“ – aber Jean Paul hatte auch in Schwarzenbach genug Zeit und Muße, um die Seelen seiner männlichen Schüler von denen der weiblichen zu unterscheiden (ich nehme mal an, dass in seiner Schule auch Mädchen unterrichtet wurden).
Ich finde den Satz auf einer der Tafeln, die wir vom Jean-Paul-Weg auf demselben aufstellen ließen. Ich lese ihn auf der Tafel No. 96, die auf dem schönen Marktplatz zu Goldkronach steht. Endlich scheint die Sommersonne, der Tag wird zum ersten wirklich idyllischen Sommertag – zu einem Tag, wie er sein sollte: ein ungeplantes, unplanbares Glück – unplanbar für die, die dran teilhaben, aber es nicht organisieren müssen. Jean Paul hat daran seinen Anteil; auch ein anderer Satz der Tafel am Wasser des Lebens harmoniert mit unserer Geschichte: der Mann sei mehr zur „sittlichen Stärke und Ehre“ geboren. Ich entdecke auch hier den jungen Gustav wieder, und Beata scheint mehr „zur sittlichen Liebe geboren und ausgerüstet“.
Der Pädagoge Jean Paul hat diese Sätze in der Levana fixiert: eine Frucht auch der Pädagogenjahre der Logen-Zeit.
Goldkronach – der Ort blieb berühmt dank einem Weltberühmten: dank Alexander von Humboldt, der hier seit 1793 – dem Jahr der Publikation der Loge – die drei Bergämter Goldkronach, Naila und Wunsiedel leitete, bevor er auf seine Weltreise ging, deren publizierte Ergebnisse ihn unsterblich machten. Ich weiß nicht, ob die beiden sich jemals begegneten, aber im Geiste waren sie wenn auch nicht eins, so doch ähnlich: gesegnet mit einer unendlichen Neugierde auf die Welt, versehen mit einem übergroßen Gespür für die faszinierenden Phänomene des Lebens, die sie in kompendienartigen Großdrucken ins Wort setzten. Hier der Kosmos und die Reisebeschreibungen, dort die Gesamtheit der Romane, Erzählungen und theoretischen Schriften: ein Konglomerat aus Theorie und Praxis, gewonnen aus den Erfahrungen vielfältigster Expeditionen in Regionen, die bislang kaum ein Mensch beschritten hat.
Was Humboldt eignet – die Systematik –, fehlt bei Jean Paul, aber was Jean Paul besitzt – den Mut zur metyphysischen Spekulation –, mangelt dem nüchternen Wissenschaftler. Es verschlägt nichts. Beide Herren – Herren ihrer Materien – schufen Werke, die immer noch tief erfreuen. Die Beobachtung mag trivial sein, aber wenn wir bedenken, dass zu ihren Lebzeiten Philologen wie die Gebrüder Grimm in ähnlicher Art aufs Ganze gingen und gleichzeitig das hinterließen, was man in einem altmodischen Wort als „schöne Werke“ (und Briefe!) bezeichnen muss – dann kann man nur ganz pathetisch den Hut ziehen und einen tiefen Diener machen. Die Tafeln zum Jean-Paul-Weg, auf denen sich gelegentlich ungewollte Kommentare zur Unsichtbaren Loge finden, sind unser Beitrag zu dieser Ehrung: einer Ehrung durch die fixierte Lektüre.
(Fotos: Frank Piontek, 16.6.2013)