25 Jahre Literaturzeitschrift außer.dem
Die in München erscheinende unabhängige Literaturzeitschrift außer.dem feiert im Herbst 2023 ihren 25. Geburtstag. In dem jährlich erscheinenden Magazin stehen häufig Texte von Autorinnen und Autoren, bevor diese allgemein bekannt werden. Das Literaturportal Bayern spricht mit den Herausgebern Christel und Armin Steigenberger über das Schöne wie auch das Anstrengende an ihrer Tätigkeit. Für die Zukunft wünschen sich die Herausgeber die tatkräftige Unterstützung jüngerer Mitarbeitender. Am heutigen Abend (17.11.23) feiern sie ihr Jubiläum mit starken poetischen Stimmen aus ihrer neuen Ausgabe Nr. 30 um 20 Uhr im Lyrik Kabinett München.
*
LITERATURPORTAL BAYERN: Liebe Christel, lieber Armin, erst einmal: ganz herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! … Vom „Geburtstag“ zurück zur Geburtsstunde: Wie ist außer.dem eigentlich genau entstanden? Gibt es eine Art Gründungsmythos, den Schlüsselmoment, in dem ihr gesagt habt: „So! Jetzt wollen wir es wagen?“ Oder handelte es sich bei der Entstehung eher um eine „allmähliche Verfertigung der Zeitschrift beim Reden“?
CHRISTEL und ARMIN STEIGENBERGER: Danke für die Glückwünsche! Jubiläen kommen immer schneller als man denkt und etwas Feiern schadet nie. Einen klassischen Gründungsmythos gibt es nicht. Im Sommer 1998 erschienen drei Redakteur*innen zur Vorstandssitzung des Münchner Literaturbüros, fest entschlossen, eine Zeitschrift zu gründen: Angelika Kauderer, Gabriele Kunkel und Hartmut Netz. Ihre Liste mit Namensvorschlägen enthielt u.a. außer.dem. Das war also der Anfang der Zeitschrift. Im März 1999 erschien die erste Nummer, damals im Digitaldruck mit überlagerter Grafik, etwas Einzigartiges. Armin war damals als Vorstand des MLb involviert, von ihm kam die Zusage zur finanziellen Unterstützung. Die ersten fünf Jahre waren turbulent - mit vielen Wechseln in der Redaktion. Nach fünf Jahren legte sich die anfängliche Impulsivität und die Zeitschrift wurde mehr und mehr eine bekannte Größe in der Literaturszene. Christel und ich sind übrigens im dritten bzw. vierten Jahr zur Redaktion gestoßen.
Nun ist außer.dem mit fünfundzwanzig Jahren ja sozusagen schon längst „aus den Kinderschuhen“. Wenn ihr nun sozusagen im inneren Album zurückblättert: Was waren die Glanzlichter, was waren die Krisen? Was waren eure ganz speziellen Highlights?
Zunächst mal zu den Herausforderungen: Der Verkauf und Vertrieb und die dafür erforderliche Werbung war oft mühsam, das Feedback blieb anfangs gering. Die Zeitschrift war irritierend anders. Auch die verschiedenen Wechsel in der Redaktion waren jeweils anstrengend, immer wieder war auch die Angst da, niemanden mehr zu finden, der aktiv mitmachten will und kann. Besonders hart traf uns das Ausscheiden von Angelika. Armin musste sich ohne Vorkenntnisse ins Publishing- und Layoutprogramm einarbeiten.
Glanzlichter waren vor allem die vielen gelungenen Präsentationen, häufig mit überzeugenden Auftritten (noch) unbekannter Autor*innen, aber auch mit bekannten Namen wie etwa SAID, Augusta Laar oder Hartwig Mauritz. Ein ganz besonderer Höhepunkt war 2003 die Präsentation der Nummer 10, die wir mit einem mehrtägigen Literaturfest im „Freiraum” in der Pestalozzistaße feierten. Veröffentlicht haben viele namhafte Autor*innen wie Ron Winkler, Karin Fellner, Fitzgerald Kusz, Kerstin Becker, Jose F.A. Oliver, Tom Schulz, Àxel Sanjosé und Andrea Heuser.
Was hat euch das Herausgeberdasein über das Autorendasein gelehrt? Gab es Wechselwirkungen oder sind dies eher zwei Seelen, ach, in einer Brust?
außer.dem ist eine Art Kleinverlag: Das ermöglicht uns beide Seiten zu sehen. Vieles an Verlagsarbeit wird von Autor*innen kritisiert, wir verstehen die Schwierigkeiten dahinter. Es ist mehr zu tun, als man Zeit hat, und viele Prozesse sind komplex. Noch wichtiger aber: Das Herausgeberdasein hat uns viele Türen geöffnet. Die Kommunikation mit den einreichenden Autor*innen ist zwar nicht immer einfach, aber wir haben viele Menschen über das außer.dem kennengelernt, von denen wir lernen durften. Wir haben Einblicke in Schreibweisen und Textarten bekommen, die wir sonst wohl nicht wahrgenommen hätten. Das ist schon eine Bereicherung für das eigene Schreiben, auch wenn die Zeit, die die Arbeit am Heft beansprucht, manchmal die eigene kreative Arbeit ausbremst.
Nun ist außer.dem einerseits überregional orientiert – was aber bedeutet andererseits München als DIE deutsche Verlags- und Zeitschriften-Metropole für euch? Oder spielt der Standort gar keine Rolle?
Der Standort spielt schon eine Rolle. München war allerdings, als wir anfingen, eher die Stadt der renommierten, großen Verlage. Das war für uns nicht ganz einfach. München ist heute vielfältiger geworden. Vor 25 Jahren gab es hier weniger junge Magazine. Heute ist die Szene lebendiger, wobei wir merken, dass wir heute zunehmend als etabliert wahrgenommen werden.
Wie stellt ihr euch außer.dem in 25 Jahren vor? Hier wäre Raum für ein paar wilde Prognosen …
Aktuell sind solche Zukunftsvisionen gar nicht so leicht für uns. Die Arbeit am Heft wächst uns immer mehr über den Kopf, die Zahl der Einreichungen nimmt zu, die Planung von Präsentationen wird aufwändiger und wir haben nicht mehr die gleiche Energie wie vor 20 Jahren. Von daher ist schon eher die Frage, wie viele Jahre es außer.dem noch geben wird, noch geben kann. Wir wünschen uns eigentlich, dass ein jüngeres Team uns ablöst. So gesehen wird es in 25 Jahren noch da ein, wenn uns jemand den Staffelstab aus der Hand nimmt. Toll wäre, wenn die Zeitschrift dann immer noch wirklich unabhängig wäre und weiterhin eine Plattform, die Autor*innen veröffentlicht, die noch nicht anderweitig wahrgenommen wurden. Denn das ist auch eine der Stärken von außer.dem: Wir haben unter anderem Texte von Kinga Tóth, Pega Mund, Yu-Sheng Tsou und Özlem Özgul Dündar veröffentlicht, bevor irgendjemand sonst das tat.
Was wünscht ihr euch zum Jubel-Jubiläum?
Wie bereits gesagt: Wir wünschen uns, dass wir einen Weg finden, wie das Projekt langfristig fortgesetzt werden kann. Wir wünschen uns Menschen, die Lust haben, an einem der spannendsten nichtkommerziellen Projekte in der Münchner Literaturszene mitzumachen, die Spaß daran haben, Texte und Autor*innen neu zu entdecken und alles, was außerdem noch so am außer.dem hängt immer wieder lebendig zu gestalten.
Außer.dem: Wir jubeln weiter darüber, dass das außer.dem seinen eigenen Weg geht! So außer.dem zu bleiben, das ist unser wichtigster Wunsch.
25 Jahre Literaturzeitschrift außer.dem>
Die in München erscheinende unabhängige Literaturzeitschrift außer.dem feiert im Herbst 2023 ihren 25. Geburtstag. In dem jährlich erscheinenden Magazin stehen häufig Texte von Autorinnen und Autoren, bevor diese allgemein bekannt werden. Das Literaturportal Bayern spricht mit den Herausgebern Christel und Armin Steigenberger über das Schöne wie auch das Anstrengende an ihrer Tätigkeit. Für die Zukunft wünschen sich die Herausgeber die tatkräftige Unterstützung jüngerer Mitarbeitender. Am heutigen Abend (17.11.23) feiern sie ihr Jubiläum mit starken poetischen Stimmen aus ihrer neuen Ausgabe Nr. 30 um 20 Uhr im Lyrik Kabinett München.
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LITERATURPORTAL BAYERN: Liebe Christel, lieber Armin, erst einmal: ganz herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum! … Vom „Geburtstag“ zurück zur Geburtsstunde: Wie ist außer.dem eigentlich genau entstanden? Gibt es eine Art Gründungsmythos, den Schlüsselmoment, in dem ihr gesagt habt: „So! Jetzt wollen wir es wagen?“ Oder handelte es sich bei der Entstehung eher um eine „allmähliche Verfertigung der Zeitschrift beim Reden“?
CHRISTEL und ARMIN STEIGENBERGER: Danke für die Glückwünsche! Jubiläen kommen immer schneller als man denkt und etwas Feiern schadet nie. Einen klassischen Gründungsmythos gibt es nicht. Im Sommer 1998 erschienen drei Redakteur*innen zur Vorstandssitzung des Münchner Literaturbüros, fest entschlossen, eine Zeitschrift zu gründen: Angelika Kauderer, Gabriele Kunkel und Hartmut Netz. Ihre Liste mit Namensvorschlägen enthielt u.a. außer.dem. Das war also der Anfang der Zeitschrift. Im März 1999 erschien die erste Nummer, damals im Digitaldruck mit überlagerter Grafik, etwas Einzigartiges. Armin war damals als Vorstand des MLb involviert, von ihm kam die Zusage zur finanziellen Unterstützung. Die ersten fünf Jahre waren turbulent - mit vielen Wechseln in der Redaktion. Nach fünf Jahren legte sich die anfängliche Impulsivität und die Zeitschrift wurde mehr und mehr eine bekannte Größe in der Literaturszene. Christel und ich sind übrigens im dritten bzw. vierten Jahr zur Redaktion gestoßen.
Nun ist außer.dem mit fünfundzwanzig Jahren ja sozusagen schon längst „aus den Kinderschuhen“. Wenn ihr nun sozusagen im inneren Album zurückblättert: Was waren die Glanzlichter, was waren die Krisen? Was waren eure ganz speziellen Highlights?
Zunächst mal zu den Herausforderungen: Der Verkauf und Vertrieb und die dafür erforderliche Werbung war oft mühsam, das Feedback blieb anfangs gering. Die Zeitschrift war irritierend anders. Auch die verschiedenen Wechsel in der Redaktion waren jeweils anstrengend, immer wieder war auch die Angst da, niemanden mehr zu finden, der aktiv mitmachten will und kann. Besonders hart traf uns das Ausscheiden von Angelika. Armin musste sich ohne Vorkenntnisse ins Publishing- und Layoutprogramm einarbeiten.
Glanzlichter waren vor allem die vielen gelungenen Präsentationen, häufig mit überzeugenden Auftritten (noch) unbekannter Autor*innen, aber auch mit bekannten Namen wie etwa SAID, Augusta Laar oder Hartwig Mauritz. Ein ganz besonderer Höhepunkt war 2003 die Präsentation der Nummer 10, die wir mit einem mehrtägigen Literaturfest im „Freiraum” in der Pestalozzistaße feierten. Veröffentlicht haben viele namhafte Autor*innen wie Ron Winkler, Karin Fellner, Fitzgerald Kusz, Kerstin Becker, Jose F.A. Oliver, Tom Schulz, Àxel Sanjosé und Andrea Heuser.
Was hat euch das Herausgeberdasein über das Autorendasein gelehrt? Gab es Wechselwirkungen oder sind dies eher zwei Seelen, ach, in einer Brust?
außer.dem ist eine Art Kleinverlag: Das ermöglicht uns beide Seiten zu sehen. Vieles an Verlagsarbeit wird von Autor*innen kritisiert, wir verstehen die Schwierigkeiten dahinter. Es ist mehr zu tun, als man Zeit hat, und viele Prozesse sind komplex. Noch wichtiger aber: Das Herausgeberdasein hat uns viele Türen geöffnet. Die Kommunikation mit den einreichenden Autor*innen ist zwar nicht immer einfach, aber wir haben viele Menschen über das außer.dem kennengelernt, von denen wir lernen durften. Wir haben Einblicke in Schreibweisen und Textarten bekommen, die wir sonst wohl nicht wahrgenommen hätten. Das ist schon eine Bereicherung für das eigene Schreiben, auch wenn die Zeit, die die Arbeit am Heft beansprucht, manchmal die eigene kreative Arbeit ausbremst.
Nun ist außer.dem einerseits überregional orientiert – was aber bedeutet andererseits München als DIE deutsche Verlags- und Zeitschriften-Metropole für euch? Oder spielt der Standort gar keine Rolle?
Der Standort spielt schon eine Rolle. München war allerdings, als wir anfingen, eher die Stadt der renommierten, großen Verlage. Das war für uns nicht ganz einfach. München ist heute vielfältiger geworden. Vor 25 Jahren gab es hier weniger junge Magazine. Heute ist die Szene lebendiger, wobei wir merken, dass wir heute zunehmend als etabliert wahrgenommen werden.
Wie stellt ihr euch außer.dem in 25 Jahren vor? Hier wäre Raum für ein paar wilde Prognosen …
Aktuell sind solche Zukunftsvisionen gar nicht so leicht für uns. Die Arbeit am Heft wächst uns immer mehr über den Kopf, die Zahl der Einreichungen nimmt zu, die Planung von Präsentationen wird aufwändiger und wir haben nicht mehr die gleiche Energie wie vor 20 Jahren. Von daher ist schon eher die Frage, wie viele Jahre es außer.dem noch geben wird, noch geben kann. Wir wünschen uns eigentlich, dass ein jüngeres Team uns ablöst. So gesehen wird es in 25 Jahren noch da ein, wenn uns jemand den Staffelstab aus der Hand nimmt. Toll wäre, wenn die Zeitschrift dann immer noch wirklich unabhängig wäre und weiterhin eine Plattform, die Autor*innen veröffentlicht, die noch nicht anderweitig wahrgenommen wurden. Denn das ist auch eine der Stärken von außer.dem: Wir haben unter anderem Texte von Kinga Tóth, Pega Mund, Yu-Sheng Tsou und Özlem Özgul Dündar veröffentlicht, bevor irgendjemand sonst das tat.
Was wünscht ihr euch zum Jubel-Jubiläum?
Wie bereits gesagt: Wir wünschen uns, dass wir einen Weg finden, wie das Projekt langfristig fortgesetzt werden kann. Wir wünschen uns Menschen, die Lust haben, an einem der spannendsten nichtkommerziellen Projekte in der Münchner Literaturszene mitzumachen, die Spaß daran haben, Texte und Autor*innen neu zu entdecken und alles, was außerdem noch so am außer.dem hängt immer wieder lebendig zu gestalten.
Außer.dem: Wir jubeln weiter darüber, dass das außer.dem seinen eigenen Weg geht! So außer.dem zu bleiben, das ist unser wichtigster Wunsch.