Am 12. November 2023 wäre der preußisch-bayerische Humorist Vicco von Bülow einhundert Jahre alt geworden
Mit Knollennasen und Möpsen, Modell-Akws und Suppennudeln sowie einer durchgängigen Prise deutscher Unbeirrbarkeit amüsierte Loriot jahrzehntelang sein zahlreiches Publikum. Zum Jubiläum gewährt Katrin Hillgruber einen Einblick in Leben und Wirken des einzigartigen Initiators eines jährlichen bayerischen Mopstreffens.
*
Etwas skeptisch blickt die Dame im großblumigen Kleid auf den Handwerker, der sich zu ihren Füßen am Siphon eines Waschbeckens zu schaffen macht. Als der Kappenträger seine Arbeit unterbricht und fragend zu ihr aufschaut, geht die Auftraggeberin, deren dezente Knollennase sie als Geschöpf Loriots ausweist, in die Knie. Beruhigt arbeitet der Klempner weiter. Unter der Überschrift „Falsch – richtig“ ist in jenem feierlich-fröhlichen Ratgeberton zu lesen, der nicht nur den illustrierten Diogenes-Band Wohnen mit Loriot zum unterhaltsamen Hochgenuss macht: „Handwerker, die bei der Ausführung von Reparaturen in die Knie gehen müssen, sehen es ungern, wenn andere herumstehen. Das rechte Bild zeigt, wie einfach Takt mit Anmut zu verbinden ist. Merke: „Auf Knien ist bei Handwerkern viel zu erreichen.“ An anderer Stelle wird mit leicht chauvinistischem Unterton den „weiblichen Angehörigen der Familie“ geraten, anwesende Handwerker während der Frühstückspause mit Tanzdarbietungen zu unterhalten: Das verleihe ihnen, den Frauen, das „Gefühl der Nützlichkeit“. Das kompakte Brevier versammelt weitere häusliche Handreichungen des preußischen Humoristen für den Umgang mit Einbrechern, Brand- oder Wasserschäden, was es insbesondere zu einer beruhigenden Reiselektüre macht.
Ob es wohl Vicco von Bülow alias Loriot amüsiert hätte, wie ganz Deutschland in diesen Tagen rund um seinen einhundertsten Geburtstag am 12. November 2023 vor ihm auf die Knie geht? Er war zweifellos ein großer, vielfach begabter Künstler, aber eben auch ein solider, äußerst exakter Handwerker – dieses machte seine Kunst erst möglich. „Mit dem Strich kann man viel Geld verdienen“, befand einer seiner Lehrer an der Hamburger Landeskunstschule, die er gemeinsam mit dem Malergenie Horst Janssen besuchte – sechs Semester bis zum Frühjahr 1950. Anschließend schlug sich der junge Familienvater als Werbegrafiker und freier Karikaturist durch, unter anderem für die Zeitschriften Quick und Stern. Nach insgesamt zwanzig Lehrjahren sehe er sich nun imstande, ein kleines Männchen zu zeichnen, das ihn bis heute ernähre, beschloss er 1992 einen autobiographischen Rückblick im Reclam-Band Menschen Tiere Katastrophen: „Ich bin sehr gut zu ihm, damit es mich nicht verlässt.“
„Mit seinen ganz offenen Briefen machte Vicco von Bülow den ersten Schritt vom Illustrator zum Autor“, schreibt Mitherausgeber Peter Geyer im Vorwort zu Der ganz offene Brief. 115 ungewöhnliche Mitteilungen, einer Neuerscheinung zum 100. Geburtstag in Loriots Zürcher Hausverlag Diogenes: „Loriots knappe, immer pointierte Ansagen als Fernsehmoderator sind hier bereits angelegt. Ebenso die Sketche, mit denen er ein Jahrzehnt später ein Massenpublikum faszinieren sollte.“ Im Brief vom 23. November 1957 schrieb er unter dem Eindruck des Weltraumflugs der russischen Hündin Laika, der für sie bekanntlich tödlich endete: „Sehr geehrte QUICK, ich bin tief beeindruckt von der Tatsache, dass es einer Hündin gelungen ist, in das Universum vorzustoßen, weil ich selbst zwei Hunde besitze, die in solchen Dingen gar keinen Ehrgeiz zeigen.“ Von einer Irrfahrt von München nach Augsburg, um kurz nach dem Umzug Gardinenringe zu kaufen, ist im ersten fiktiven Leserbrief vom 28. September 1957 die Rede, natürlich mit entsprechender Karikatur eines arglos dreinblickenden Automobilisten mit Hut, schwarzem Jackett und Nadelstreifenhose.
Zum runden Jubiläum erscheinen außerdem eine Sondermünze sowie zwei Briefmarken. Die eine zeigt in Schwarzweiß den räsonierenden Hund Wum, der seine Fernsehkarriere als Maskottchen der „Aktion Sorgenkind“ in Wilm Thoelkes ZDF-Show Drei mal Neun begann. Auf der anderen Marke prangt Vicco von Bülow selbst, der milde schalkhaft lächelnd auf seinem olivgrünen Biedermeier-Sofa sitzt. Von einem solchen – zunächst roten – Sofa aus (man denke an die verhängnisvollen grauen Sitzmöbelgarnituren in Ödipussi) hatte er von 1967 bis 1972 die ARD-Sendereihe Cartoon moderiert, in die er zunehmend eigene Sketche einbaute und sein Talent als Regisseur bewies. In diesen Novembertagen überbietet sich die ARD außerdem mit einer Dokumentation in Spielfilmlänge sowie der Wiederholung seiner bekanntesten Sketche und der beiden Kinofilme Ödipussi (1988) und Pappa ante Portas (1991), die ohnehin häufig in den Dritten Programmen ausgestrahlt werden. Doch selbst beim x-ten Betrachten fallen neue Details ins Auge, gerade im Hintergrund: Passanten, die dem offenstehenden Gully mehr oder weniger geschickt ausweichen, Seniorinnen und Senioren in Kaskaden aus Beige- und Grautönen, die sich in Cafés delektieren, während draußen auf der Straße einzelne Punks mit bunten Haaren seltsam zahm und bedröppelt herumstehen.
Neben der Hamburgerin Evelyn Hamann als Loriots stets kongenialer Bühnenpartnerin beeindrucken vor allem die exquisiten Nebendarstellerinnen und -darsteller wie Rosemarie Fendel, Edda Seippel, Heinz Meier (Lottogewinner Erwin Lindemann) oder Ortrud Beginnen und Dagmar Biener. In Pappa ante Portas machen sie als weißgekleidete Schwestern Mielke dem unfreiwiligen Neu-Pensionär Heinrich Lohse das Leben schwer – die eine mannstoll, die andere kontrollsüchtig. Wie ein polyphones Netz durchziehe eine unterschwellige Sexualmetaphorik Loriots Fernsehwerk, analysiert Felix Christian Reuter in seiner bemerkenswerten Studie Chaos, Komik, Kooperation. Loriots Fernsehsketche aus dem Jahr 2016, die weit über den berüchtigten „Kosakenzipfel“ hinausweist. „Bitte etwas angelegentlicher!“ sei Loriots häufigste Regie-Anweisung gewesen, erinnerte sich Heinz Meier, der unentbehrliche Sketchpartner mit Bärtchen und Sinn für politisch-anarchistische Scheininterviews.
„Bitte etwas angelegentlicher!“
Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow entstammte einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht mit einem Vogel im Familienwappen: dem Pirol, französisch Loriot. Er wurde zu seinem Künstlernamen. Geboren wurde er 1923 in Brandenburg an der Havel, als älterer von zwei Söhnen des preußischen Polizeioffiziers Johann-Albrecht Wilhelm von Bülow und dessen erster Ehefrau Charlotte Mathilde Luise, Tochter des Majors Otto von Roeder. Mit diesem wiederum ist der Berliner Regisseur Stefan Lukschy verwandt, der 2013, zwei Jahre nach Vicco von Bülows Tod, eine höchst anschauliche Biografie veröffentlichte: Der Glückliche schlägt keine Hunde (Aufbau Verlag).
Auf dem Umschlag ist Loriot abgebildet, stets korrekt gekleidet in einem Tweed-Anzug mit Weste und Krawatte und mit zwei Möpsen in den Armen, von denen allerdings nur die Hinterteile samt Ringelschwänzchen zu sehen sind. Drei Generationen dieser per se komödiantischen, vom Adel hochgeschätzten Hunderasse bereicherten das Familienleben von Romi und Vicco von Bülow und ihrer Töchter Bettina und Susanne. Wie so viele andere Besucher schwärmte Lukschy, der Loriot 1975 als Regieassistent bei Radio Bremen kennenlernte, vom Anwesen in Ammerland am Starnberger See: Vom Stil her gleiche es einem „bescheidenen märkischen Herrenhaus, wie man es in den Straßendörfern Brandenburgs häufig findet – eine Hommage an Loriots Kindheit …“ Der klassizistische Entwurf stammte vom Hausherrn selbst, aufgelockert durch Stuckverzierungen und dunkelgrüne Fensterläden. In seiner Laudatio zum Deutschen Filmpreis, die Loriot 2009 – widerstrebend – für sein Lebenswerk erhielt, betonte Lukschy dessen „bedingungslose Liebe zur Symmetrie“: „Zwei Buchsbäume auf der Terrasse, zwei Möpse, zwei Töchter – zwei Filme. Das lässt sich einfach nicht besser arrangieren.“
1963 waren die von Bülows nach Bayern gezogen, womit sich die heimliche Liebe der Preußen zu ihrem vermeintlichen Antipoden im Süden aufs Schönste bestätigte. Als Loriot im Februar 2008 den Kulturellen Ehrenpreis der Landeshauptstadt München entgegennahm, lobte Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel an ihm den Preußen, der sich mit seinem feinen Humor ungeheure Sympathie in München erworben habe. Der Geehrte wiederum bekannte launig, er habe „die letzten 50 Jahre im Kreis schaukelnder Euter im Münchner Umland gesessen“. Die Laudatio hielt Loriots alter Freund, der aus Ostpreußen stammende Joachim Kaiser. Für ihn war Loriot gar „ein Preuße, wie Gott ihn träumt“.
Doch so harmonisch wurde der auch in der DDR beliebte Jubilar nicht immer aufgenommen. Zum seinem 70. Geburtstag 1993 präsentierte das Stadtmuseum Potsdam die erste Loriot-Ausstellung nach der Wiedervereinigung. Die damalige Museumsdirektorin Monika Bierschenk erinnert sich an Widerstände innerhalb der Belegschaft, dem „Junker“ ein solch prominentes Podium zu bieten. Daraufhin bat der irritierte Vicco von Bülow die Brandenburger SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, die Ausstellung vor der Eröffnung dahingehend zu inspizieren, ob sie ehemalige DDR-Bürger irritieren könne. „Allet jut“, befand sie in ihrer unnachahmlichen Art und machte den Weg damit frei.
Das allerschönste Denkmal für den Tier- und Menschenfreund Loriot ist ein lebendiges. Es kann alljährlich an Himmelfahrt in Ambach am Starnberger See besucht werden: das Mopstreffen, das er einst initiiert hat.
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Mit Knollennasen und Möpsen, Modell-Akws und Suppennudeln sowie einer durchgängigen Prise deutscher Unbeirrbarkeit amüsierte Loriot jahrzehntelang sein zahlreiches Publikum. Zum Jubiläum gewährt Katrin Hillgruber einen Einblick in Leben und Wirken des einzigartigen Initiators eines jährlichen bayerischen Mopstreffens.
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Etwas skeptisch blickt die Dame im großblumigen Kleid auf den Handwerker, der sich zu ihren Füßen am Siphon eines Waschbeckens zu schaffen macht. Als der Kappenträger seine Arbeit unterbricht und fragend zu ihr aufschaut, geht die Auftraggeberin, deren dezente Knollennase sie als Geschöpf Loriots ausweist, in die Knie. Beruhigt arbeitet der Klempner weiter. Unter der Überschrift „Falsch – richtig“ ist in jenem feierlich-fröhlichen Ratgeberton zu lesen, der nicht nur den illustrierten Diogenes-Band Wohnen mit Loriot zum unterhaltsamen Hochgenuss macht: „Handwerker, die bei der Ausführung von Reparaturen in die Knie gehen müssen, sehen es ungern, wenn andere herumstehen. Das rechte Bild zeigt, wie einfach Takt mit Anmut zu verbinden ist. Merke: „Auf Knien ist bei Handwerkern viel zu erreichen.“ An anderer Stelle wird mit leicht chauvinistischem Unterton den „weiblichen Angehörigen der Familie“ geraten, anwesende Handwerker während der Frühstückspause mit Tanzdarbietungen zu unterhalten: Das verleihe ihnen, den Frauen, das „Gefühl der Nützlichkeit“. Das kompakte Brevier versammelt weitere häusliche Handreichungen des preußischen Humoristen für den Umgang mit Einbrechern, Brand- oder Wasserschäden, was es insbesondere zu einer beruhigenden Reiselektüre macht.
Ob es wohl Vicco von Bülow alias Loriot amüsiert hätte, wie ganz Deutschland in diesen Tagen rund um seinen einhundertsten Geburtstag am 12. November 2023 vor ihm auf die Knie geht? Er war zweifellos ein großer, vielfach begabter Künstler, aber eben auch ein solider, äußerst exakter Handwerker – dieses machte seine Kunst erst möglich. „Mit dem Strich kann man viel Geld verdienen“, befand einer seiner Lehrer an der Hamburger Landeskunstschule, die er gemeinsam mit dem Malergenie Horst Janssen besuchte – sechs Semester bis zum Frühjahr 1950. Anschließend schlug sich der junge Familienvater als Werbegrafiker und freier Karikaturist durch, unter anderem für die Zeitschriften Quick und Stern. Nach insgesamt zwanzig Lehrjahren sehe er sich nun imstande, ein kleines Männchen zu zeichnen, das ihn bis heute ernähre, beschloss er 1992 einen autobiographischen Rückblick im Reclam-Band Menschen Tiere Katastrophen: „Ich bin sehr gut zu ihm, damit es mich nicht verlässt.“
„Mit seinen ganz offenen Briefen machte Vicco von Bülow den ersten Schritt vom Illustrator zum Autor“, schreibt Mitherausgeber Peter Geyer im Vorwort zu Der ganz offene Brief. 115 ungewöhnliche Mitteilungen, einer Neuerscheinung zum 100. Geburtstag in Loriots Zürcher Hausverlag Diogenes: „Loriots knappe, immer pointierte Ansagen als Fernsehmoderator sind hier bereits angelegt. Ebenso die Sketche, mit denen er ein Jahrzehnt später ein Massenpublikum faszinieren sollte.“ Im Brief vom 23. November 1957 schrieb er unter dem Eindruck des Weltraumflugs der russischen Hündin Laika, der für sie bekanntlich tödlich endete: „Sehr geehrte QUICK, ich bin tief beeindruckt von der Tatsache, dass es einer Hündin gelungen ist, in das Universum vorzustoßen, weil ich selbst zwei Hunde besitze, die in solchen Dingen gar keinen Ehrgeiz zeigen.“ Von einer Irrfahrt von München nach Augsburg, um kurz nach dem Umzug Gardinenringe zu kaufen, ist im ersten fiktiven Leserbrief vom 28. September 1957 die Rede, natürlich mit entsprechender Karikatur eines arglos dreinblickenden Automobilisten mit Hut, schwarzem Jackett und Nadelstreifenhose.
Zum runden Jubiläum erscheinen außerdem eine Sondermünze sowie zwei Briefmarken. Die eine zeigt in Schwarzweiß den räsonierenden Hund Wum, der seine Fernsehkarriere als Maskottchen der „Aktion Sorgenkind“ in Wilm Thoelkes ZDF-Show Drei mal Neun begann. Auf der anderen Marke prangt Vicco von Bülow selbst, der milde schalkhaft lächelnd auf seinem olivgrünen Biedermeier-Sofa sitzt. Von einem solchen – zunächst roten – Sofa aus (man denke an die verhängnisvollen grauen Sitzmöbelgarnituren in Ödipussi) hatte er von 1967 bis 1972 die ARD-Sendereihe Cartoon moderiert, in die er zunehmend eigene Sketche einbaute und sein Talent als Regisseur bewies. In diesen Novembertagen überbietet sich die ARD außerdem mit einer Dokumentation in Spielfilmlänge sowie der Wiederholung seiner bekanntesten Sketche und der beiden Kinofilme Ödipussi (1988) und Pappa ante Portas (1991), die ohnehin häufig in den Dritten Programmen ausgestrahlt werden. Doch selbst beim x-ten Betrachten fallen neue Details ins Auge, gerade im Hintergrund: Passanten, die dem offenstehenden Gully mehr oder weniger geschickt ausweichen, Seniorinnen und Senioren in Kaskaden aus Beige- und Grautönen, die sich in Cafés delektieren, während draußen auf der Straße einzelne Punks mit bunten Haaren seltsam zahm und bedröppelt herumstehen.
Neben der Hamburgerin Evelyn Hamann als Loriots stets kongenialer Bühnenpartnerin beeindrucken vor allem die exquisiten Nebendarstellerinnen und -darsteller wie Rosemarie Fendel, Edda Seippel, Heinz Meier (Lottogewinner Erwin Lindemann) oder Ortrud Beginnen und Dagmar Biener. In Pappa ante Portas machen sie als weißgekleidete Schwestern Mielke dem unfreiwiligen Neu-Pensionär Heinrich Lohse das Leben schwer – die eine mannstoll, die andere kontrollsüchtig. Wie ein polyphones Netz durchziehe eine unterschwellige Sexualmetaphorik Loriots Fernsehwerk, analysiert Felix Christian Reuter in seiner bemerkenswerten Studie Chaos, Komik, Kooperation. Loriots Fernsehsketche aus dem Jahr 2016, die weit über den berüchtigten „Kosakenzipfel“ hinausweist. „Bitte etwas angelegentlicher!“ sei Loriots häufigste Regie-Anweisung gewesen, erinnerte sich Heinz Meier, der unentbehrliche Sketchpartner mit Bärtchen und Sinn für politisch-anarchistische Scheininterviews.
„Bitte etwas angelegentlicher!“
Bernhard-Viktor „Vicco“ Christoph-Carl von Bülow entstammte einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht mit einem Vogel im Familienwappen: dem Pirol, französisch Loriot. Er wurde zu seinem Künstlernamen. Geboren wurde er 1923 in Brandenburg an der Havel, als älterer von zwei Söhnen des preußischen Polizeioffiziers Johann-Albrecht Wilhelm von Bülow und dessen erster Ehefrau Charlotte Mathilde Luise, Tochter des Majors Otto von Roeder. Mit diesem wiederum ist der Berliner Regisseur Stefan Lukschy verwandt, der 2013, zwei Jahre nach Vicco von Bülows Tod, eine höchst anschauliche Biografie veröffentlichte: Der Glückliche schlägt keine Hunde (Aufbau Verlag).
Auf dem Umschlag ist Loriot abgebildet, stets korrekt gekleidet in einem Tweed-Anzug mit Weste und Krawatte und mit zwei Möpsen in den Armen, von denen allerdings nur die Hinterteile samt Ringelschwänzchen zu sehen sind. Drei Generationen dieser per se komödiantischen, vom Adel hochgeschätzten Hunderasse bereicherten das Familienleben von Romi und Vicco von Bülow und ihrer Töchter Bettina und Susanne. Wie so viele andere Besucher schwärmte Lukschy, der Loriot 1975 als Regieassistent bei Radio Bremen kennenlernte, vom Anwesen in Ammerland am Starnberger See: Vom Stil her gleiche es einem „bescheidenen märkischen Herrenhaus, wie man es in den Straßendörfern Brandenburgs häufig findet – eine Hommage an Loriots Kindheit …“ Der klassizistische Entwurf stammte vom Hausherrn selbst, aufgelockert durch Stuckverzierungen und dunkelgrüne Fensterläden. In seiner Laudatio zum Deutschen Filmpreis, die Loriot 2009 – widerstrebend – für sein Lebenswerk erhielt, betonte Lukschy dessen „bedingungslose Liebe zur Symmetrie“: „Zwei Buchsbäume auf der Terrasse, zwei Möpse, zwei Töchter – zwei Filme. Das lässt sich einfach nicht besser arrangieren.“
1963 waren die von Bülows nach Bayern gezogen, womit sich die heimliche Liebe der Preußen zu ihrem vermeintlichen Antipoden im Süden aufs Schönste bestätigte. Als Loriot im Februar 2008 den Kulturellen Ehrenpreis der Landeshauptstadt München entgegennahm, lobte Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel an ihm den Preußen, der sich mit seinem feinen Humor ungeheure Sympathie in München erworben habe. Der Geehrte wiederum bekannte launig, er habe „die letzten 50 Jahre im Kreis schaukelnder Euter im Münchner Umland gesessen“. Die Laudatio hielt Loriots alter Freund, der aus Ostpreußen stammende Joachim Kaiser. Für ihn war Loriot gar „ein Preuße, wie Gott ihn träumt“.
Doch so harmonisch wurde der auch in der DDR beliebte Jubilar nicht immer aufgenommen. Zum seinem 70. Geburtstag 1993 präsentierte das Stadtmuseum Potsdam die erste Loriot-Ausstellung nach der Wiedervereinigung. Die damalige Museumsdirektorin Monika Bierschenk erinnert sich an Widerstände innerhalb der Belegschaft, dem „Junker“ ein solch prominentes Podium zu bieten. Daraufhin bat der irritierte Vicco von Bülow die Brandenburger SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, die Ausstellung vor der Eröffnung dahingehend zu inspizieren, ob sie ehemalige DDR-Bürger irritieren könne. „Allet jut“, befand sie in ihrer unnachahmlichen Art und machte den Weg damit frei.
Das allerschönste Denkmal für den Tier- und Menschenfreund Loriot ist ein lebendiges. Es kann alljährlich an Himmelfahrt in Ambach am Starnberger See besucht werden: das Mopstreffen, das er einst initiiert hat.