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Thomas Willmann erhält den Tukan-Preis der Stadt München 2023

Der diesjährige Tukan-Preis wird an Thomas Willmann für seinen Roman Der eiserne Marquis (Liebeskind Verlag) vergeben. Über die Vergabe beschloss der Kulturausschuss auf Empfehlung einer Jury am 12. Oktober. Der mit 8.000 Euro dotierte Tukan-Preis zeichnet jährlich eine sprachlich, formal und inhaltlich herausragende literarische Neuerscheinung aus. In die Auswahl kommen alle belletristischen Veröffentlichungen von Münchner Autorinnen und Autoren. Zur Diskussion standen in diesem Jahr insgesamt 51 Bücher.

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Die Begründung der Jury

Um einem so gewaltigen Epos wie Der eiserne Marquis in wenigen Sätzen gerecht zu werden, müsste man fast schon ein ähnlich furioser Schöpfer sein wie der faszinierende wie abgründige Ich-Erzähler dieser Geschichte. Erst mit dem Handwerkszeug des genialen Uhrmachers, seiner Leidenschaft für die Welt der Mechanik, dann über immer dunklere Pakte, Triebe und mit neuer Identität verfolgt er den größten aller Menschheitsträume, die Überwindung der eigenen Endlichkeit. Das kann nur ins Verhängnis führen. So legt er auch vor den Ratten eines Irrenhauses seine Lebensbeichte ab: von einer verlorenen Liebe in Wien bis zur Begegnung mit jenem ominösen Marquis, mit dem er in Paris sein Schicksal herauszufordern begann. Eine lange abschüssige Bahn durch Wunder und Schrecken eines Jahrhunderts – und welch ein Leserausch, dem Ringen und Rasen darauf zu folgen. Für solche Bücher wurde die Literatur einmal erfunden.

Das fast tausendseitige Werk ist nicht einfach nur ein Roman. Es ist ein Monolith, ein buchstäbliches Lebenswerk über die menschliche Sehnsucht und ihre düstere Kehrseite, die Besessenheit. Allen Marktkonventionen zum Trotz wagt Thomas Willmann etwas geradezu Unerhörtes: die gesamte Geistesgeschichte der Aufklärung mit literarischen Mitteln in eine flimmernde Schwebe zu heben und aufs Schönste lesbar zu machen. Kein historischer Staub liegt hier auf den Zeilen; jede Seite scheint vielmehr zu brennen – für die Sprache, für die Vorstellungskraft. Voller spielerischer kultureller und literarischer Bezüge, vom Sandmann bis zur Blechtrommel, verhandelt Willmann auch höchst gegenwärtige Themen wie die Folgen von Globalisierung oder KI. All das in einer kostbar gestalteten Kunstsprache, die sich der Vergangenheit einerseits anverwandelt, andererseits einen eigenen literarischen Kosmos aufspannt und gigantische Stadt- oder Kriegsszenarien wie lebendige Tableaus vor Augen führt. Ein Roman, der, wie es seinem Stoff entspricht, aufs Ganze geht, ohne Rücksicht auf Verluste, um, wenn schon nicht seine Figuren am Ende, so doch die Leser*innen reich zu belohnen – von Anfang an.

Thomas Willmann, 1969 in München geboren, studierte Musikwissenschaft und arbeitet als freier Kulturjournalist und Übersetzer. Sein 2010 beim Münchner Verlag Liebeskind erschienener Debütroman Das finstere Tal wurde 2014 mit internationaler Besetzung verfilmt. Das Buch entwickelte sich zum Bestseller, der Film erhielt mehrere Auszeichnungen. An seinem zweiten Roman Der eiserne Marquis arbeitete Willmann über zehn Jahre und veröffentlichte ihn ebenfalls bei Liebeskind.

 

Zudem spricht die Jury drei weitere Buchempfehlungen aus

Michael Ebert: Nicht von dieser Welt (Penguin)

Konstantin Ferstl: Die blaue Grenze (Rowohlt)

Joana Osman: Wo die Geister tanzen (C. Bertelsmann)

 

Der Jury gehörten unter der Leitung von Kulturreferent Anton Biebl an: Dr. Peter Czoik (Literaturportal Bayern), Marianna Geier (Buch & Bohne Buchhandlung), Franz Xaver Karl (BR), Christiane Pfau (Pfau PR), Tina Rausch (Lektorin, Journalistin) und Sabine Reithmaier (Süddeutsche Zeitung) sowie die Stadträtinnen und Stadträte Kathrin Abele (Fraktion SPD/Volt), Andreas Babor (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Beatrix Burkhardt (Fraktion der CSU mit FREIE WÄHLER), Marion Lüttig (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste) und Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen-Rosa Liste).

Die Preisverleihung findet am 6. Dezember 2023 im Literaturhaus München statt. 

 

Weitere Informationen zum Preis unter www.muenchen.de/literatur