Literatur in Bayern, Nr. 150: „Futurum Bavariae“. Von Daniel Bayerstorfer
Die 150. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern ist eine Jubiläumsausgabe und widmet sich dem Schwerpunkt Zukunft der Kultur in Bayern. Im folgenden Artikel sinniert der Münchner Schriftsteller Daniel Bayerstorfer über Schwabings Zukunft für Menschen im Schreibberuf. Er beteiligt sich damit zugleich an „Neustart Freie Szene – Literatur“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung der Freien Szene in Bayern. Alle bisherigen Beiträge des Projekts finden Sie HIER.
*
Bayern hatte wie alle anderen Landstriche schon immer irgendeine Zukunft. Bei München im Speziellen bin ich mir da nicht so sicher. Außer vielleicht, dass München auch weiterhin in Bayern liegen wird und das solange, bis die Kontinentalplatten sich so hartnäckig tangieren und reiben, dass München die daraus resultierenden Aufschüttungen hinabbröselt. So weit wollen wir gar nicht denken, denn das stünde ja auch Rom bevor und ein Leben ohne Rom wäre weder möglich noch sinnvoll. Die Zukunft ist aber damit für den Moment zeitlich zu sehr ausgeufert und dabei doch genauso trübselig wie die nähere Zukunft auch. Ich habe mir oft überlegt, ob ich mir eine Science-Fiction-Erzählung in Bayern auch nur denken könnte. Kann ich nicht. Wirklich nicht. Aber warum eigentlich nicht? Weil ich mir keine Luftschiffe vorstellen kann, die an der Frauenkirche andocken? Dagegen kann ich mir eine Raumschiff-Werft im Tonnengewölbe von St. Michael durchaus vorstellen. Vielleicht liegt es auch daran, dass diese forcierte Zukunft, wie sie in München betrieben wird, ästhetisch für jede Art von gewöhnlicher Science-Fiction zu anbiedernd wäre, zu vorhersehbar. Da fügt München (stellvertretend für Bayern) einfach nichts mehr hinzu. Das war nicht immer so. Das Olympiastadion hatte (rein ästhetisch) etwas von einer Art ganz eigener, liebevoller Zukunft, auf die leider niemand mehr zurück- bzw. vorgegriffen hat. Bei den Kammerspielen war das ähnlich. Da hat man noch einen Zuschauerraum gebaut, der aussah wie das Unterbewusste einer Bienenkönigin. Und es gab Mietshäuser, die sahen genauso aus.
Apropos Jugendstil: Erst einmal würde ich mir wirklich von ganzem Herzen Schwabing zurückwünschen, selbst wenn wir es dafür woanders neu errichten müssten. Oder eine Art inneres Schwabing, das man in den Augen der Passanten ausmachen kann. Auch gerne ganz konkret eine Villa oder sogar zwei, für die man Burschenschaften am Isar-Hochufer enteignet und in die Schriftstellerinnen und Schriftsteller einziehen können, wenn sie wollen. Ansonsten halt einfach Büros. Es gibt für Menschen im Schreibberuf einfach keine Räume in diesem Land. Man kann sie nicht einmal googlen. Da findet man nichts. Auch wünsche ich mir anstelle jeder größeren Kreuzung, ob in Nürnberg, Augsburg oder München, einen Biergarten, für die man jetzt schon anfangen sollte, die Kastanien zu pflanzen. Ich wünsche mir mehr Kohl- und Blaumeisen, damit diese Kastanien besser vor den Miniermotten geschützt sind. Für den Hofgarten wünsche ich mir eine Plakette mit dem Anfang von The Waste Land. Das sollte leicht zu erfüllen sein. Ein paar Schritte weiter könnte man den Wintergarten von Ludwig II. wieder aufs Residenzdach bauen, aber das wäre wohl wieder sehr rückwärtsgewandt, auch wenn ich mir das als Kind wirklich sehr dringlich gewünscht habe. Deshalb wünsche ich mir jetzt stattdessen eine autofreie Ludwigstraße, also Cafés (es braucht ohnehin mehr Cafés, viel mehr Cafés) und warum nicht noch einen Biergarten statt einer sechsspurigen Wittelsbacher Autobahn. Genauso könnte man sich überlegen, ob einer der schönsten Plätze Europas (der Max-Joseph-Platz) denn wirklich eine Tiefgarageneinfahrt sein müsste. Die Parkstadt Schwabing, den Arnulfpark, alles bis raus nach Karlsfeld und andere Neubauquartiere würde ich sprengen und nochmal bauen. Das war nix. Überhaupt brauchen wir keine neuen Quartiere, sondern neue Viertel. (Und einen Park, nein, eine Alm auf der Donnersbergerbrücke, inklusive Biergarten. Und überhaupt muss man nicht alles wehrmachtsgrau streichen.)
Also falls das alles jetzt nicht ablenkt von einer besseren Förderung von unabhängigen Verlagen, z.B. ... Bayern kann sich gerne vor Augen halten, dass es größer als Österreich ist und deshalb auch in den Förderungen nicht nachstehen muss. Ebenso beim sozialen Wohnungsbau und dem ÖPNV. Sonst kann es uns auch einfach mal für zwei Wochen in Ruhe lassen.
Literatur in Bayern, Nr. 150: „Futurum Bavariae“. Von Daniel Bayerstorfer>
Die 150. Ausgabe der Zeitschrift Literatur in Bayern ist eine Jubiläumsausgabe und widmet sich dem Schwerpunkt Zukunft der Kultur in Bayern. Im folgenden Artikel sinniert der Münchner Schriftsteller Daniel Bayerstorfer über Schwabings Zukunft für Menschen im Schreibberuf. Er beteiligt sich damit zugleich an „Neustart Freie Szene – Literatur“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung der Freien Szene in Bayern. Alle bisherigen Beiträge des Projekts finden Sie HIER.
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Bayern hatte wie alle anderen Landstriche schon immer irgendeine Zukunft. Bei München im Speziellen bin ich mir da nicht so sicher. Außer vielleicht, dass München auch weiterhin in Bayern liegen wird und das solange, bis die Kontinentalplatten sich so hartnäckig tangieren und reiben, dass München die daraus resultierenden Aufschüttungen hinabbröselt. So weit wollen wir gar nicht denken, denn das stünde ja auch Rom bevor und ein Leben ohne Rom wäre weder möglich noch sinnvoll. Die Zukunft ist aber damit für den Moment zeitlich zu sehr ausgeufert und dabei doch genauso trübselig wie die nähere Zukunft auch. Ich habe mir oft überlegt, ob ich mir eine Science-Fiction-Erzählung in Bayern auch nur denken könnte. Kann ich nicht. Wirklich nicht. Aber warum eigentlich nicht? Weil ich mir keine Luftschiffe vorstellen kann, die an der Frauenkirche andocken? Dagegen kann ich mir eine Raumschiff-Werft im Tonnengewölbe von St. Michael durchaus vorstellen. Vielleicht liegt es auch daran, dass diese forcierte Zukunft, wie sie in München betrieben wird, ästhetisch für jede Art von gewöhnlicher Science-Fiction zu anbiedernd wäre, zu vorhersehbar. Da fügt München (stellvertretend für Bayern) einfach nichts mehr hinzu. Das war nicht immer so. Das Olympiastadion hatte (rein ästhetisch) etwas von einer Art ganz eigener, liebevoller Zukunft, auf die leider niemand mehr zurück- bzw. vorgegriffen hat. Bei den Kammerspielen war das ähnlich. Da hat man noch einen Zuschauerraum gebaut, der aussah wie das Unterbewusste einer Bienenkönigin. Und es gab Mietshäuser, die sahen genauso aus.
Apropos Jugendstil: Erst einmal würde ich mir wirklich von ganzem Herzen Schwabing zurückwünschen, selbst wenn wir es dafür woanders neu errichten müssten. Oder eine Art inneres Schwabing, das man in den Augen der Passanten ausmachen kann. Auch gerne ganz konkret eine Villa oder sogar zwei, für die man Burschenschaften am Isar-Hochufer enteignet und in die Schriftstellerinnen und Schriftsteller einziehen können, wenn sie wollen. Ansonsten halt einfach Büros. Es gibt für Menschen im Schreibberuf einfach keine Räume in diesem Land. Man kann sie nicht einmal googlen. Da findet man nichts. Auch wünsche ich mir anstelle jeder größeren Kreuzung, ob in Nürnberg, Augsburg oder München, einen Biergarten, für die man jetzt schon anfangen sollte, die Kastanien zu pflanzen. Ich wünsche mir mehr Kohl- und Blaumeisen, damit diese Kastanien besser vor den Miniermotten geschützt sind. Für den Hofgarten wünsche ich mir eine Plakette mit dem Anfang von The Waste Land. Das sollte leicht zu erfüllen sein. Ein paar Schritte weiter könnte man den Wintergarten von Ludwig II. wieder aufs Residenzdach bauen, aber das wäre wohl wieder sehr rückwärtsgewandt, auch wenn ich mir das als Kind wirklich sehr dringlich gewünscht habe. Deshalb wünsche ich mir jetzt stattdessen eine autofreie Ludwigstraße, also Cafés (es braucht ohnehin mehr Cafés, viel mehr Cafés) und warum nicht noch einen Biergarten statt einer sechsspurigen Wittelsbacher Autobahn. Genauso könnte man sich überlegen, ob einer der schönsten Plätze Europas (der Max-Joseph-Platz) denn wirklich eine Tiefgarageneinfahrt sein müsste. Die Parkstadt Schwabing, den Arnulfpark, alles bis raus nach Karlsfeld und andere Neubauquartiere würde ich sprengen und nochmal bauen. Das war nix. Überhaupt brauchen wir keine neuen Quartiere, sondern neue Viertel. (Und einen Park, nein, eine Alm auf der Donnersbergerbrücke, inklusive Biergarten. Und überhaupt muss man nicht alles wehrmachtsgrau streichen.)
Also falls das alles jetzt nicht ablenkt von einer besseren Förderung von unabhängigen Verlagen, z.B. ... Bayern kann sich gerne vor Augen halten, dass es größer als Österreich ist und deshalb auch in den Förderungen nicht nachstehen muss. Ebenso beim sozialen Wohnungsbau und dem ÖPNV. Sonst kann es uns auch einfach mal für zwei Wochen in Ruhe lassen.