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Kultur trotz Corona: „no notizen“. Von Nora Zapf

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George Frederick Watts: The Minotaur, Öl auf Leinwand, 1885

Nora Zapf (* 1985 in Paderborn) lebt als Lyrikerin und Übersetzerin in München und Innsbruck. Sie promovierte 2017 in Komparatistik/Romanistik über Atlantische Lyrik und ist seit 2018 Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Romanistik an der LFU Innsbruck. Zapf organisiert und moderiert die Reihe meine drei lyrischen ichs, ist Mitbegründerin des Festivals „Großer Tag der jungen Münchner Literatur“ sowie Mitglied der Initiative Wir machen das, der Bayerischen Akademie des Schreibens und der Lyrikband „IHR!“ (zus. mit Theresa Seraphin und Marie Kristin Burger), die Lyrik, Sound und Noise verbindet. Ihre eigenen Texte wurden in zahlreichen renommierten Anthologien und Zeitschriften veröffentlicht, 2018 erschienen ihre Lyrikbände homogloben und rost und kaffeesatz. 2017 erhielt Nora Zapf das Literaturstipendium der Stadt München, 2019 den Bayerischen Kunstförderpreis. 2021 erschien ihr Band Dioden, wie es Nacht (vierhändig). Zurzeit übersetzt sie den Ersten Traum der mexikanischen Nonne und Dichterin Sor Juana Inés de la Cruz.

Mit den folgenden tagebuchartigen Gedichten beteiligt sich Nora Zapf an der Fortsetzung von Kultur trotz Corona“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Alle bisherigen Beiträge der Reihe finden Sie HIER.

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no notizen

 

14. Oktober
ich seh meine Füße unter dem großen Bauch nicht mehr. (Nur Zehennägel wie rote Trauben pflücken.) Sind sie noch da, um damit wegzugehen?

18. September
sollte man Tagebuch (spazieren) führen? Oder lieber tageweise verschweigen.

15. September
du Arme, lebst in einer nervösen Frau (?)

16. Juli
meine Füße verbrennen ungefähr in ihrer Deutlichkeit, was sie gelaufen sind. Das pumpende Blut unterbricht die Gedankenstrunke, lässt mich an Sehnen entlangschauen, heraustreten Adern. An ihnen kleben noch kleine Stöckchen, Gräser aus dem Wald die wie Intimhaar uns entgegenkam, wogte

was Liebe heißt, sich aufzubauen, eine absolute Aufregung

alle in Bann zieht, Liebe aus nichts erzeugend. Wie macht das?

3. Juli, später
ich lese „gefinkelte Sätze“ und bin begeistert. Das Pendeln wird mir fehlen, das Durchbergfahren.

3. Juli
wie heißen uneheliche Kinder auf Bayerisch? Bankerts, sie wurden auf Bänken, nicht in Betten gezeugt. Was das brachte, Wohnungslose, und dann wachte ich auf und sah mich um und war entsetzt, denn es konnte keine Ruhe geben: nichtmal viele hatten Bänke.

26. Juni
liebe ist ein ungeordnetes Versprechen, das man dringend geben will, obwohl es jmd anderes vllt nicht annimmt u auch niemand kontrolliert, ob es eingehalten wird. Gehäuft neue Erzählungen, die immer lügen müsst...

11. Juni
sollte nicht zu viele ins Herz lassen: es ist klein: sie werden dort sonst größer, Party machen und gehn nicht mehr, quetschen/stapeln sich, stacheln dich jederzeit an. Da wir alle wenig Zeit haben, müssten sonst in die Löcher köppern, die sie alle universenweit hinterlassen habt.

24. Mai
heut Nacht vom See geträumt, da wurde die Nacht durchsichtig und Minotaurus schwamm wie ein Synchronschwimmer darin, mir lieb zuzwinkerte und ganz reizend, gerade sind meine Nächte wahrer als Tage, die von Übelkeit überspannt sind wie Korkzelte.

es hat sich alles fast tänzelnd bewegt

3. April
später am selben Tag

nein, du darfst nicht mehr reißen an meinem Bauch mit Federn oder Flügelschlag, mir fallen die Wörter vor Schlafen aufs Kissen und kleben an meinen Backen fest bis zum Morgen, ritzen in Häute und bleiben da stehen.

22. März
die Zweige vorm Fenster machen ein Spiel von Heuschrecken und Hirschen ans Paravent.

Gegen die Kälte! Virus Krone. In den Inseln

11. März
habe mich immer wieder laut verheddert, dann raschelt der Arm, wenn ich ihn nachts von einer zur andern Seite verlege.