Die Arbeitstagebücher von Ingmar Bergman im Literaturhaus München
Der Name Ingmar Bergman (1918-2007) mag bei Kennern seiner Werke Erinnerungen an Ehegeschichten, der Suche nach Gott und dem Schachspiel mit dem Tod wecken. Eher seltener wird er Assoziationen an München und das literarische Schreiben hervorrufen. Dennoch arbeitete der schwedische Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur zwischen 1976 und 1985 für einige Jahre mitten im Herzen Münchens am Residenztheater. In Erinnerung an diese Schaffensperiode veranstaltete das Literaturhaus München am 21. Februar 2022 einen Abend zu Bergmans Tagebüchern dieser Zeit. Grundlage der Lesung und des anschließenden Gesprächs war das im Berenberg Verlag erschienene Buch Ingmar Bergman: Ich schreibe Filme. Arbeitstagebücher von 1955-2001 (2021), herausgegeben und übersetzt von Renate Bleibtreu.
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Skandalumwittert – Bergmans Münchner Zeit
Der schwedische Theater- und Filmregisseur sowie Drehbuchautor Ingmar Bergman (1918-2007) beschäftigte sich in seiner Filmographie mit existenziellen Thematiken wie dem Tod, der Einsamkeit des Menschen und seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, oft in der Form von Ehe- oder Liebespaaren. Bergmans namhafte Filme Persona (1966), Szenen einer Ehe (1974) oder Das siebente Siegel (1957) erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Er selbst beschrieb seine Arbeit in einem Interview von 1976, das auch am Anfang der Veranstaltung im Literaturhaus München gezeigt wurde, folgendermaßen: „Ein Filmregisseur ist jemand, der vor lauter Problemen nicht mehr zum Nachdenken kommt.“ Neben seiner Filmtätigkeit arbeitete er ebenso intensiv am Theater, schrieb und inszenierte dutzende Stücke. 1974 sah Bergman sich mit einer skandalösen Anklage der Steuerhinterziehung konfrontiert, die seinem Ruf in der Presse besonders schadete. Die Anklage wurde schon bald fallengelassen, doch Bergman zeigte sich tief verletzt von den Vorwürfen und verlegte für einige Zeit seinen Wohnsitz nach München, um am Residenztheater zu arbeiten. Zuerst nahm er sich sogar vor, nie wieder in Schweden, seiner Heimat, die er eigentlich so sehr liebte, zu inszenieren. Das Theater diente ihm in dieser schwierigen Zeit wie so oft als Heilmittel und wahres Zuhause. Während seiner Zeit in München inszenierte er verschiedene Stücke von August Strindberg bis Henrik Ibsen. 1980 entstand auch der Spielfilm Aus dem Leben der Marionetten, der allerdings auf eine eher lauwarme kritische Rezeption stieß.
Die Veranstaltung im Literaturhaus München zu dieser Schaffensperiode wurde von Katrin Lange eingeführt. Gäste des Abends waren Renate Bleibtreu und Rita Russek. Renate Bleibtreu übersetzte bereits in der Vergangenheit bekannte schwedische Autoren wie August Strindberg. Auf Anraten ihres Verlegers widmete sie sich daraufhin den Schriften von Ingmar Bergman. Mit Ingmar Bergman: Ich schreibe Filme. Arbeitstagebücher von 1955-2001 erschien ihre zweite große Übersetzung zum schwedischen Regisseur. Zeit seines Lebens wurde ihr von Bergman sogar der Eintritt in sein persönliches Archiv gewährt. Die Schauspielerin Rita Russek ist seit Anfang der 1970er festes Ensemblemitglied im Münchner Residenztheater gewesen und traf hier auf Bergman, der sie in verschiedenen seiner Stücke besetzte. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Markus Aicher, Redaktionsleiter für Kino/Film beim Bayerischen Rundfunk. Am Ende wurde Bergmans Film Aus dem Leben der Marionetten gezeigt, in dem Russek eine Nebenrolle spielte.
Extensives Werk und starke Verletzungen
Besonderes Augenmerk der Veranstaltung galt der Arbeitsweise Bergmans, der seine Drehbücher nicht in der klassischen Form konzipierte, sondern zuerst als Collagen und Skizzen entwarf, und dabei auch literarische Texte in seine Tagebücher notierte. Diese Texte wurden von ihm auf linierte Spiralblöcke geschrieben, später auf gelbe Notizblöcke übertragen und dann, meist von seiner Frau Ingrid, maschinell aufgeschrieben, so dass zum Schluss ein fertig formatiertes Drehbuch entstand. Bergman war ein wahrer Workaholic, der die ganze Zeit schrieb, ob an Drehbüchern, Theatertexten, literarischen Texten oder anderem. Diese extensive Werk zeichnet sich eindrucksvoll in seinen Arbeitstagebüchern ab. Darüber hinaus bekam man einen Einblick in den Charakter Bergmans, wie Russeks reiche Fülle an Anekdoten aus ihrer Zusammenarbeit mit dem Regisseur offenlegte. In ihrer Erinnerung war für alle Ensemblemitglieder am Münchner Residenztheater sofort spürbar, dass Ingmar Bergman 1976 bei ihnen angekommen war. In der üblichen Manier der Schauspieler ließen sie sich ihre Ehrfurcht und Aufregung aber natürlich nicht anmerken. Sie erinnerte sich besonders an den gegenseitigen Respekt Bergmans und seiner Schauspieler. Bergman solle öfter gezeigt haben, dass er sie vermisse wie seine eigenen Kinder. Es kam aber auch zu Auseinandersetzungen seinerseits mit Intendanten, wie beispielsweise Kurt Meisel. Diese Konflikte wurden dadurch noch verschärft, dass Bergman sich bereits durch die kleinsten Dinge stark verletzt fühlte und gerne Objekte auf Umstehende in seiner Nähe warf.
Ingmar Bergman mit der Schauspielerin Marianne Koch im Gespräch, um 1980 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)
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Fieses grässliches Haus
Russek und Bleibtreu lasen verschiedene Einträge aus Bergmans Tagebüchern vor, um die Zuhörer weiter in die Gedanken- und Lebenswelt des Künstlers hineinzuführen. In seinen Schriften begegnet man einem „Schlawiner“, wie die beiden selbst festhielten. Einem recht koketten, teilweise stark ironischen Künstler, der alle Facetten seines Lebens für seine Kunst festhielt. Die meisten von Bergmans Werken sind daher stark autobiographisch geprägt. In Saraband (2003) z.B. kommentierte er die schwierige Beziehung zu seinen eigenen Kindern. In anderen Drehbüchern wie Die Treulosen (2000), dessen Hauptcharakter bezeichnenderweise Bergman heißt, rechnete der Autor schonungslos mit seinen eigenen Fehlern ab. Seine Arbeitstagebücher sind keine bloßen Skripte, Bergman schreibt hier über sein Leben, seine Filme und ihre enge Verknüpfung. Auch seine Figuren wandern teilweise von Werk zu Werk. Viele tragen die Namen Katharina und Peter, und die beiden Hauptfiguren aus Szenen einer Ehe (1974) werden auch in einer Szene in Aus dem Leben der Marionetten wiederaufgegriffen. Bergmans Worte sind bildreich, und seine ausdrucksstarke Sprache führt den Leser ein in sein Leben inmitten von Theaterinszenierungen und Filmaufführungen, zwischen Deutschland und Schweden. Ein Ort, der immerzu in Bergmans Tagebüchern auftaucht, ist die schwedische Insel Fårö, Bergmans Wohnort, an dem er schließlich beerdigt wurde. Diese kleine, spärlich bewohnte Insel vor Schweden lag ihm besonders am Herzen. Trotz ihrer Kargheit war sie für ihn eine poetische Insel, ein Ort der Genesung und eine Landschaft, in der Musik und Formen zusammenkommen, wie er schreibt. In seinen Beschreibungen der Insel sticht auch sein typischer Witz hervor. Er zeichnet das Bild seines Hauses auf Fårö als etwas Fieses und Grässliches, aber immerhin ist es ‚sein‘ fieses und grässliches Haus.
Aus dem Leben der Marionetten
Der Film, den Bergman in den Schriften konzipierte, die an diesem Abend im Literaturhaus München vorgestellt wurden, war Aus dem Leben der Marionetten. Bergman kommentierte seine Pläne dazu mit den Worten: „Vielleicht wird es etwas, vielleicht auch nicht“. Erste Skizzen notierte er 1977, sie kamen ihm auf dem Heimweg von der Bavaria. In einem durchreißenden Bewusstseinsstrom geht er in diesen Einträgen von Idee zu Idee, lässt verschiedene Assoziationen für den Film ineinanderfließen, wandert von Haupt- zu Nebenfiguren, von den Edelnutten bis hin zum Bischof. Schon bald zeichnet er ein Gesamtbild der urbanen, bürgerlichen Scheingesellschaft voller Fassaden, Lügen und einer darunter brodelnden Wut. Alles soll in einem „Wahnsinnsblutbad“ enden. Aus dem Leben der Marionetten war eigentlich nur ein Teil eines viel größeren Drehbuchs u.d.T. „Liebe ohne Liebhaber“. Das ursprüngliche Drehbuch, das Bergman 1978 in seinen Tagebüchern notierte, ist äußerst experimentell und nur wenig zuschauerfreundlich. Das mag ein Grund dafür sein, warum es bei verschiedenen Produzenten abgelehnt wurde und Bergman schließlich nur einen Teil verfilmte. Der Film wurde für den Fernsehsender ZDF konzipiert, was erklären mag, warum die Anfangssequenz in Farbe gedreht wurde, ein Kontrast zum Schwarz-Weiß-Ambiente des restlichen Films. In der Anfangssequenz ermordet die Hauptfigur Peter die junge Prostituierte Ka, gespielt von Rita Russek, und vergeht sich an der Leiche. Die schwarz-weiß gefilmten Rückblenden zeigen daraufhin die Geschichte Peters, der eigentlich beruflich erfolgreich und mit einer ebenso erfolgreichen Frau verheiratet ist. Sein Leben und seine Ehe zeigen sich aber von tiefem Hass gekennzeichnet, er selbst gesteht seinem Psychiater Mordfantasien seiner Frau gegenüber. Bereits in der Anfangssequenz thematisiert Bergman die Gewalttätigkeit dieses Mannes, der aber zugleich so unglaublich gebrochen wirkt. Der Film endet mit ihm in der Psychiatrie. Markus Aicher bewertete den Film als ein eindrückliches Porträt der Zeitgeschichte. Kritiker der Zeit zeigten sich dagegen weniger begeistert. Dennoch erscheint er interessant genug als historisches Porträt von Bergmans Münchner Zeit. Aicher kündigte an, dass bei der nächsten Einführung in die Filmgeschichte an der Hochschule für Film und Fernsehen auch die Arbeitstagebücher von Bergman präsentiert werden sollen. Diese und der Abend im Literaturhaus bleiben im Gedächtnis haften als aufklärende Vorstellung eines der größten Filmregisseure und seiner Zeit am Münchner Residenztheater.
Die Arbeitstagebücher von Ingmar Bergman im Literaturhaus München>
Der Name Ingmar Bergman (1918-2007) mag bei Kennern seiner Werke Erinnerungen an Ehegeschichten, der Suche nach Gott und dem Schachspiel mit dem Tod wecken. Eher seltener wird er Assoziationen an München und das literarische Schreiben hervorrufen. Dennoch arbeitete der schwedische Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur zwischen 1976 und 1985 für einige Jahre mitten im Herzen Münchens am Residenztheater. In Erinnerung an diese Schaffensperiode veranstaltete das Literaturhaus München am 21. Februar 2022 einen Abend zu Bergmans Tagebüchern dieser Zeit. Grundlage der Lesung und des anschließenden Gesprächs war das im Berenberg Verlag erschienene Buch Ingmar Bergman: Ich schreibe Filme. Arbeitstagebücher von 1955-2001 (2021), herausgegeben und übersetzt von Renate Bleibtreu.
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Skandalumwittert – Bergmans Münchner Zeit
Der schwedische Theater- und Filmregisseur sowie Drehbuchautor Ingmar Bergman (1918-2007) beschäftigte sich in seiner Filmographie mit existenziellen Thematiken wie dem Tod, der Einsamkeit des Menschen und seinen zwischenmenschlichen Beziehungen, oft in der Form von Ehe- oder Liebespaaren. Bergmans namhafte Filme Persona (1966), Szenen einer Ehe (1974) oder Das siebente Siegel (1957) erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Er selbst beschrieb seine Arbeit in einem Interview von 1976, das auch am Anfang der Veranstaltung im Literaturhaus München gezeigt wurde, folgendermaßen: „Ein Filmregisseur ist jemand, der vor lauter Problemen nicht mehr zum Nachdenken kommt.“ Neben seiner Filmtätigkeit arbeitete er ebenso intensiv am Theater, schrieb und inszenierte dutzende Stücke. 1974 sah Bergman sich mit einer skandalösen Anklage der Steuerhinterziehung konfrontiert, die seinem Ruf in der Presse besonders schadete. Die Anklage wurde schon bald fallengelassen, doch Bergman zeigte sich tief verletzt von den Vorwürfen und verlegte für einige Zeit seinen Wohnsitz nach München, um am Residenztheater zu arbeiten. Zuerst nahm er sich sogar vor, nie wieder in Schweden, seiner Heimat, die er eigentlich so sehr liebte, zu inszenieren. Das Theater diente ihm in dieser schwierigen Zeit wie so oft als Heilmittel und wahres Zuhause. Während seiner Zeit in München inszenierte er verschiedene Stücke von August Strindberg bis Henrik Ibsen. 1980 entstand auch der Spielfilm Aus dem Leben der Marionetten, der allerdings auf eine eher lauwarme kritische Rezeption stieß.
Die Veranstaltung im Literaturhaus München zu dieser Schaffensperiode wurde von Katrin Lange eingeführt. Gäste des Abends waren Renate Bleibtreu und Rita Russek. Renate Bleibtreu übersetzte bereits in der Vergangenheit bekannte schwedische Autoren wie August Strindberg. Auf Anraten ihres Verlegers widmete sie sich daraufhin den Schriften von Ingmar Bergman. Mit Ingmar Bergman: Ich schreibe Filme. Arbeitstagebücher von 1955-2001 erschien ihre zweite große Übersetzung zum schwedischen Regisseur. Zeit seines Lebens wurde ihr von Bergman sogar der Eintritt in sein persönliches Archiv gewährt. Die Schauspielerin Rita Russek ist seit Anfang der 1970er festes Ensemblemitglied im Münchner Residenztheater gewesen und traf hier auf Bergman, der sie in verschiedenen seiner Stücke besetzte. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Markus Aicher, Redaktionsleiter für Kino/Film beim Bayerischen Rundfunk. Am Ende wurde Bergmans Film Aus dem Leben der Marionetten gezeigt, in dem Russek eine Nebenrolle spielte.
Extensives Werk und starke Verletzungen
Besonderes Augenmerk der Veranstaltung galt der Arbeitsweise Bergmans, der seine Drehbücher nicht in der klassischen Form konzipierte, sondern zuerst als Collagen und Skizzen entwarf, und dabei auch literarische Texte in seine Tagebücher notierte. Diese Texte wurden von ihm auf linierte Spiralblöcke geschrieben, später auf gelbe Notizblöcke übertragen und dann, meist von seiner Frau Ingrid, maschinell aufgeschrieben, so dass zum Schluss ein fertig formatiertes Drehbuch entstand. Bergman war ein wahrer Workaholic, der die ganze Zeit schrieb, ob an Drehbüchern, Theatertexten, literarischen Texten oder anderem. Diese extensive Werk zeichnet sich eindrucksvoll in seinen Arbeitstagebüchern ab. Darüber hinaus bekam man einen Einblick in den Charakter Bergmans, wie Russeks reiche Fülle an Anekdoten aus ihrer Zusammenarbeit mit dem Regisseur offenlegte. In ihrer Erinnerung war für alle Ensemblemitglieder am Münchner Residenztheater sofort spürbar, dass Ingmar Bergman 1976 bei ihnen angekommen war. In der üblichen Manier der Schauspieler ließen sie sich ihre Ehrfurcht und Aufregung aber natürlich nicht anmerken. Sie erinnerte sich besonders an den gegenseitigen Respekt Bergmans und seiner Schauspieler. Bergman solle öfter gezeigt haben, dass er sie vermisse wie seine eigenen Kinder. Es kam aber auch zu Auseinandersetzungen seinerseits mit Intendanten, wie beispielsweise Kurt Meisel. Diese Konflikte wurden dadurch noch verschärft, dass Bergman sich bereits durch die kleinsten Dinge stark verletzt fühlte und gerne Objekte auf Umstehende in seiner Nähe warf.
Ingmar Bergman mit der Schauspielerin Marianne Koch im Gespräch, um 1980 (Bayerische Staatsbibliothek/Timpe)
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Fieses grässliches Haus
Russek und Bleibtreu lasen verschiedene Einträge aus Bergmans Tagebüchern vor, um die Zuhörer weiter in die Gedanken- und Lebenswelt des Künstlers hineinzuführen. In seinen Schriften begegnet man einem „Schlawiner“, wie die beiden selbst festhielten. Einem recht koketten, teilweise stark ironischen Künstler, der alle Facetten seines Lebens für seine Kunst festhielt. Die meisten von Bergmans Werken sind daher stark autobiographisch geprägt. In Saraband (2003) z.B. kommentierte er die schwierige Beziehung zu seinen eigenen Kindern. In anderen Drehbüchern wie Die Treulosen (2000), dessen Hauptcharakter bezeichnenderweise Bergman heißt, rechnete der Autor schonungslos mit seinen eigenen Fehlern ab. Seine Arbeitstagebücher sind keine bloßen Skripte, Bergman schreibt hier über sein Leben, seine Filme und ihre enge Verknüpfung. Auch seine Figuren wandern teilweise von Werk zu Werk. Viele tragen die Namen Katharina und Peter, und die beiden Hauptfiguren aus Szenen einer Ehe (1974) werden auch in einer Szene in Aus dem Leben der Marionetten wiederaufgegriffen. Bergmans Worte sind bildreich, und seine ausdrucksstarke Sprache führt den Leser ein in sein Leben inmitten von Theaterinszenierungen und Filmaufführungen, zwischen Deutschland und Schweden. Ein Ort, der immerzu in Bergmans Tagebüchern auftaucht, ist die schwedische Insel Fårö, Bergmans Wohnort, an dem er schließlich beerdigt wurde. Diese kleine, spärlich bewohnte Insel vor Schweden lag ihm besonders am Herzen. Trotz ihrer Kargheit war sie für ihn eine poetische Insel, ein Ort der Genesung und eine Landschaft, in der Musik und Formen zusammenkommen, wie er schreibt. In seinen Beschreibungen der Insel sticht auch sein typischer Witz hervor. Er zeichnet das Bild seines Hauses auf Fårö als etwas Fieses und Grässliches, aber immerhin ist es ‚sein‘ fieses und grässliches Haus.
Aus dem Leben der Marionetten
Der Film, den Bergman in den Schriften konzipierte, die an diesem Abend im Literaturhaus München vorgestellt wurden, war Aus dem Leben der Marionetten. Bergman kommentierte seine Pläne dazu mit den Worten: „Vielleicht wird es etwas, vielleicht auch nicht“. Erste Skizzen notierte er 1977, sie kamen ihm auf dem Heimweg von der Bavaria. In einem durchreißenden Bewusstseinsstrom geht er in diesen Einträgen von Idee zu Idee, lässt verschiedene Assoziationen für den Film ineinanderfließen, wandert von Haupt- zu Nebenfiguren, von den Edelnutten bis hin zum Bischof. Schon bald zeichnet er ein Gesamtbild der urbanen, bürgerlichen Scheingesellschaft voller Fassaden, Lügen und einer darunter brodelnden Wut. Alles soll in einem „Wahnsinnsblutbad“ enden. Aus dem Leben der Marionetten war eigentlich nur ein Teil eines viel größeren Drehbuchs u.d.T. „Liebe ohne Liebhaber“. Das ursprüngliche Drehbuch, das Bergman 1978 in seinen Tagebüchern notierte, ist äußerst experimentell und nur wenig zuschauerfreundlich. Das mag ein Grund dafür sein, warum es bei verschiedenen Produzenten abgelehnt wurde und Bergman schließlich nur einen Teil verfilmte. Der Film wurde für den Fernsehsender ZDF konzipiert, was erklären mag, warum die Anfangssequenz in Farbe gedreht wurde, ein Kontrast zum Schwarz-Weiß-Ambiente des restlichen Films. In der Anfangssequenz ermordet die Hauptfigur Peter die junge Prostituierte Ka, gespielt von Rita Russek, und vergeht sich an der Leiche. Die schwarz-weiß gefilmten Rückblenden zeigen daraufhin die Geschichte Peters, der eigentlich beruflich erfolgreich und mit einer ebenso erfolgreichen Frau verheiratet ist. Sein Leben und seine Ehe zeigen sich aber von tiefem Hass gekennzeichnet, er selbst gesteht seinem Psychiater Mordfantasien seiner Frau gegenüber. Bereits in der Anfangssequenz thematisiert Bergman die Gewalttätigkeit dieses Mannes, der aber zugleich so unglaublich gebrochen wirkt. Der Film endet mit ihm in der Psychiatrie. Markus Aicher bewertete den Film als ein eindrückliches Porträt der Zeitgeschichte. Kritiker der Zeit zeigten sich dagegen weniger begeistert. Dennoch erscheint er interessant genug als historisches Porträt von Bergmans Münchner Zeit. Aicher kündigte an, dass bei der nächsten Einführung in die Filmgeschichte an der Hochschule für Film und Fernsehen auch die Arbeitstagebücher von Bergman präsentiert werden sollen. Diese und der Abend im Literaturhaus bleiben im Gedächtnis haften als aufklärende Vorstellung eines der größten Filmregisseure und seiner Zeit am Münchner Residenztheater.