Kultur trotz Corona: „Vorher – Nachher“. Gedichte von Siegfried Völlger

Siegfried Völlger (*1955 in Frohnreuth, Lkr. Freyung-Grafenau) entdeckte nach einer längeren Berufsfindungsphase als Bau-, Fabrikarbeiter, Spüler, Krankenpfleger und Wirt schließlich die Berufung zum Buchhändler. Seine literarische Arbeit besteht beinahe ausschließlich aus Lyrik. Er lebt in Augsburg und arbeitet zur Zeit an einem Roman. 

2018 erschien sein Gedichtband so viel zeit hat niemand im Allitera Verlag, 2021 Pilzfreud Bielers Posaune in der edition offenes feld. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien liegen von ihm vor, zuletzt in Fährten des Grauens. Gedichte (Verlag Ralf Liebe), Flüsse. Ein Lichtung-Lesebuch (lichtung verlag), Gedichte für alle Liebeslagen (Reclam) sowie Versnetze_14. Deutschsprachige Lyrik der Gegenwart (Verlag Ralf Liebe).

Mit den folgenden unveröffentlichten Gedichten, die während seiner Arbeit am Roman entstanden sind, beteiligt sich Siegfried Völlger an Kultur trotz Corona“, einem Projekt des Literaturportals Bayern zur Unterstützung bayerischer Literaturschaffender. Alle bisherigen Beiträge der Reihe finden Sie HIER.

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Vorher – Nachher


 

Das Picasso Museum in Barcelona
Das Meeresaquarium in Lissabon
Das Kolosseum in Rom

Ein Wiesel auf einem Holzstapel
Drei Rehe am Waldrand
Vier Störche auf einer Wiese

 

am morgen ist es allein zuversicht
an uns hängt noch die nacht
beschützt uns nur das morgenlicht

falls das licht sein versprechen bricht
den mut zunichte macht
am morgen ist es nur zuversicht

das finster mit dem großen gewicht
mit einer unentrinnbaren fracht
beschützt uns dann das morgenlicht?

ob es schon blendet und sticht
oder schützt vor trister niedertracht
am morgen ist es allein zuversicht

licht ist leicht und hat gewicht
und nie ist eine größere pracht
beschützt uns jetzt das morgenlicht

nicht notwendig dass jemand spricht
der mut kommt leise und sacht
am morgen ist es allein zuversicht
beschützt uns das morgenlicht?

 

die geräusche
die beim sterben gemacht werden

die kätzchen im sack
bevor sie an den stein geworfen werden

das schwein bevor der schussapparat
einen fast leisen laut macht

das quieken des hasen
bevor der hieb auf den kopf trifft

die leiser werdenden seufzer der alten
in den letzten stunden

laute die fürs leben bleiben
obwohl es doch im geglückten leben
in der hauptsache die guten
erinnerungen sind die bleiben sollen

 

heute ist ein glücklicher tag
ich habe gefunden was ich suchen kann

an der küste ist es schwer
der wal behauptet er wäre ein fisch

ich gebe ihm recht muss aber weiter suchen
damit ich nicht zum glücksverschwender werde

 

komm wir haun ab an die küste

binde das klo auf der ladefläche fest
vergiss nicht die trittleiter

komfort dabei und erkenntnis finden

altes vom salzwasser abschmirgeln lassen
gedanken, hornhaut, wünsche

die zukunft steht an der wüste

 

wie friedlich die
brücke bröckelt

brücken bröckeln
still und gelassen

drei letzte fußgänger
sind bald außer sicht

auf der bergseite stehen zwei rehe am waldrand
sechs bierflaschen auf dem steinernen geländer

die geräusche, stimmen, gesang
unklar woher und von wem

schnee wird alles zudecken
frost noch sprengarbeiten tun

postkartenidyll wird die brücke
für künftige expeditionen

 

da moda is o vej schlaua
wir d foin
hods gsogd

obwois des gwissd hod
s leem schwaa
owei

obwois des gwissd hod
kind oam, bees gheiradd
d kinda, d hejfde ned grouss woan
sogoa hungrig

und alloa
af d ledzd ganz alloa

wos wiad fia uns bleim
wemma an moda sengand

+++

der Marder ist ja viel schlauer
als die Falle
hat sie gesagt

obwohl sie das gewusst hat
als kind arm, eine böse ehe
von den kindern hat
die hälfte nicht überlebt
sogar hungrig

und allein
am ende ganz allein

was erben wir
und was bleibt, wenn wir
den marder sehen